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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Bismarck und ^chlesivig-Holstein

einmal deutschfreundlich, empfahl er, die betreffende" Spezialgesandten vorher
erst Rücksprache mit Bismarck nehmen zu lassen. Gortschakoff war damit
einverstanden, und der preußische Ministerpräsident fand so Gelegenheit, erst
dem russischen Spezialgesandten, Baron Ewers, dann dem englischen, Lord
Wodehouse, seinen Standpunkt in der Sache klar zu macheu. Die Gesandten
richteten darauf ihren Auftrag in Kopenhagen aus, aber ohne Erfolg, wie
Bismarcks Scharfblick vorausgesehen hatte. König Christian wollte zwar die
Aufhebung der Novemberverfassnng beantragen lassen, fand aber keinen Minister
dazu. Hall nahm seine Entlassung, und da kein andrer es wagte, der Volks¬
stimmung zu trotzen, griff der König wieder in die Reihe der Eiderdänen
zurück und stellte Bischof Mvnrad, den bisherigen Kultusminister, der noch
rücksichtsloser als Hall war, an die Spitze des Kabinets. Dieser verweigerte
die Rücknahme der Novemberverfassnng, und Dänemark war nun auf den Krieg
gefaßt.

Unterdessen hatten sich die Dinge in Deutschland in ähnlicher Weise
weiter bewegt. Der Buudesbeschluß vom 7. Dezember, der die Exekution in
Holstein verfügte, hatte überall große Entrüstung erregt, nud um dieser
einen leitenden Mittelpunkt zu gebe", erließe" die Führer des Nationalvereins
und des grvßdeutschen Neformvereins an alle Mitglieder der deutschen Landtage
die Aufforderung, am 21. Dezember in Frankfurt zu einer großen Versammlung
zu erscheinen, die über die gesetzlichen Mittel zur Durchführung der Rechte
Schleswig-Holsteins beschließen sollte. Eine Volksversammlung in Augsburg
forderte den König von Baiern ans, sich an die Spitze der deutschen Nation
zu stellen, sein Heer nach Schleswig-Holstein zu schicken und dort deu Herzog
Friedrich einzusetzen. Die Kammern der Einzelstaaten wetteiferten in Adressen
und Resolutionen ähnlichen Inhalts, und mehrere Regierungen schlössen sich
unumwunden an, einige mit Maßregeln von scharfer praktischer Bedeutung.
König Max erklärte auf die Augsburger Adresse in einem Handschreiben an
seinen Minister, überzeugt von dem guten Rechte der Augusten burger sei er
bereit, bei dem Bunde und mit ihm für die Durchführung der hiernach er¬
forderlichen Politik einzustehen, wobei er vor allem hoffte, jetzt von den hoch¬
gehenden Wellen der Volksgunst getragen, an die Spitze des dritten Deutsch¬
lands zu gelangen und damit den alten Lieblingsplan der Trias zu verwirklichen.
Am 12. Dezember forderten die vier Exekutionsregierungen (Preußen, Öster¬
reich, Sachsen und Hannover) Dänemark auf, seine Truppen aus Holstein
zurückzuziehen. Am 14. genehmigte der Bund die von Preußen vorgelegte
Instruktion für die beiden Zivilkommissare, die während der Exekution das
Land nach den bestehenden Gesetzen verwalten sollten. Am 24. rückten die
12000 Sachsen und Hannoveraner des Exekutionskorps über die Grenze, und
da die Dänen vor ihnen ohne Gegenwehr, friedlich wie bei einer Wachablösung
abzogen, war noch vor Jahresschluß ganz Holstein von deutschen Truppen


Bismarck und ^chlesivig-Holstein

einmal deutschfreundlich, empfahl er, die betreffende» Spezialgesandten vorher
erst Rücksprache mit Bismarck nehmen zu lassen. Gortschakoff war damit
einverstanden, und der preußische Ministerpräsident fand so Gelegenheit, erst
dem russischen Spezialgesandten, Baron Ewers, dann dem englischen, Lord
Wodehouse, seinen Standpunkt in der Sache klar zu macheu. Die Gesandten
richteten darauf ihren Auftrag in Kopenhagen aus, aber ohne Erfolg, wie
Bismarcks Scharfblick vorausgesehen hatte. König Christian wollte zwar die
Aufhebung der Novemberverfassnng beantragen lassen, fand aber keinen Minister
dazu. Hall nahm seine Entlassung, und da kein andrer es wagte, der Volks¬
stimmung zu trotzen, griff der König wieder in die Reihe der Eiderdänen
zurück und stellte Bischof Mvnrad, den bisherigen Kultusminister, der noch
rücksichtsloser als Hall war, an die Spitze des Kabinets. Dieser verweigerte
die Rücknahme der Novemberverfassnng, und Dänemark war nun auf den Krieg
gefaßt.

Unterdessen hatten sich die Dinge in Deutschland in ähnlicher Weise
weiter bewegt. Der Buudesbeschluß vom 7. Dezember, der die Exekution in
Holstein verfügte, hatte überall große Entrüstung erregt, nud um dieser
einen leitenden Mittelpunkt zu gebe», erließe» die Führer des Nationalvereins
und des grvßdeutschen Neformvereins an alle Mitglieder der deutschen Landtage
die Aufforderung, am 21. Dezember in Frankfurt zu einer großen Versammlung
zu erscheinen, die über die gesetzlichen Mittel zur Durchführung der Rechte
Schleswig-Holsteins beschließen sollte. Eine Volksversammlung in Augsburg
forderte den König von Baiern ans, sich an die Spitze der deutschen Nation
zu stellen, sein Heer nach Schleswig-Holstein zu schicken und dort deu Herzog
Friedrich einzusetzen. Die Kammern der Einzelstaaten wetteiferten in Adressen
und Resolutionen ähnlichen Inhalts, und mehrere Regierungen schlössen sich
unumwunden an, einige mit Maßregeln von scharfer praktischer Bedeutung.
König Max erklärte auf die Augsburger Adresse in einem Handschreiben an
seinen Minister, überzeugt von dem guten Rechte der Augusten burger sei er
bereit, bei dem Bunde und mit ihm für die Durchführung der hiernach er¬
forderlichen Politik einzustehen, wobei er vor allem hoffte, jetzt von den hoch¬
gehenden Wellen der Volksgunst getragen, an die Spitze des dritten Deutsch¬
lands zu gelangen und damit den alten Lieblingsplan der Trias zu verwirklichen.
Am 12. Dezember forderten die vier Exekutionsregierungen (Preußen, Öster¬
reich, Sachsen und Hannover) Dänemark auf, seine Truppen aus Holstein
zurückzuziehen. Am 14. genehmigte der Bund die von Preußen vorgelegte
Instruktion für die beiden Zivilkommissare, die während der Exekution das
Land nach den bestehenden Gesetzen verwalten sollten. Am 24. rückten die
12000 Sachsen und Hannoveraner des Exekutionskorps über die Grenze, und
da die Dänen vor ihnen ohne Gegenwehr, friedlich wie bei einer Wachablösung
abzogen, war noch vor Jahresschluß ganz Holstein von deutschen Truppen


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[0210] Bismarck und ^chlesivig-Holstein einmal deutschfreundlich, empfahl er, die betreffende» Spezialgesandten vorher erst Rücksprache mit Bismarck nehmen zu lassen. Gortschakoff war damit einverstanden, und der preußische Ministerpräsident fand so Gelegenheit, erst dem russischen Spezialgesandten, Baron Ewers, dann dem englischen, Lord Wodehouse, seinen Standpunkt in der Sache klar zu macheu. Die Gesandten richteten darauf ihren Auftrag in Kopenhagen aus, aber ohne Erfolg, wie Bismarcks Scharfblick vorausgesehen hatte. König Christian wollte zwar die Aufhebung der Novemberverfassnng beantragen lassen, fand aber keinen Minister dazu. Hall nahm seine Entlassung, und da kein andrer es wagte, der Volks¬ stimmung zu trotzen, griff der König wieder in die Reihe der Eiderdänen zurück und stellte Bischof Mvnrad, den bisherigen Kultusminister, der noch rücksichtsloser als Hall war, an die Spitze des Kabinets. Dieser verweigerte die Rücknahme der Novemberverfassnng, und Dänemark war nun auf den Krieg gefaßt. Unterdessen hatten sich die Dinge in Deutschland in ähnlicher Weise weiter bewegt. Der Buudesbeschluß vom 7. Dezember, der die Exekution in Holstein verfügte, hatte überall große Entrüstung erregt, nud um dieser einen leitenden Mittelpunkt zu gebe», erließe» die Führer des Nationalvereins und des grvßdeutschen Neformvereins an alle Mitglieder der deutschen Landtage die Aufforderung, am 21. Dezember in Frankfurt zu einer großen Versammlung zu erscheinen, die über die gesetzlichen Mittel zur Durchführung der Rechte Schleswig-Holsteins beschließen sollte. Eine Volksversammlung in Augsburg forderte den König von Baiern ans, sich an die Spitze der deutschen Nation zu stellen, sein Heer nach Schleswig-Holstein zu schicken und dort deu Herzog Friedrich einzusetzen. Die Kammern der Einzelstaaten wetteiferten in Adressen und Resolutionen ähnlichen Inhalts, und mehrere Regierungen schlössen sich unumwunden an, einige mit Maßregeln von scharfer praktischer Bedeutung. König Max erklärte auf die Augsburger Adresse in einem Handschreiben an seinen Minister, überzeugt von dem guten Rechte der Augusten burger sei er bereit, bei dem Bunde und mit ihm für die Durchführung der hiernach er¬ forderlichen Politik einzustehen, wobei er vor allem hoffte, jetzt von den hoch¬ gehenden Wellen der Volksgunst getragen, an die Spitze des dritten Deutsch¬ lands zu gelangen und damit den alten Lieblingsplan der Trias zu verwirklichen. Am 12. Dezember forderten die vier Exekutionsregierungen (Preußen, Öster¬ reich, Sachsen und Hannover) Dänemark auf, seine Truppen aus Holstein zurückzuziehen. Am 14. genehmigte der Bund die von Preußen vorgelegte Instruktion für die beiden Zivilkommissare, die während der Exekution das Land nach den bestehenden Gesetzen verwalten sollten. Am 24. rückten die 12000 Sachsen und Hannoveraner des Exekutionskorps über die Grenze, und da die Dänen vor ihnen ohne Gegenwehr, friedlich wie bei einer Wachablösung abzogen, war noch vor Jahresschluß ganz Holstein von deutschen Truppen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/210>, abgerufen am 25.08.2024.