Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.Dem Frühling entgegen Diese" Eindruck habe ich wiederholt und auch in diesem Frühjahre wieder In Bozen also wird Halt gemacht, um den Walter von der Vogelweide Meran erreicht mau jetzt auf der Bahn in anderthalb Stunden, Mir Dem Frühling entgegen Diese» Eindruck habe ich wiederholt und auch in diesem Frühjahre wieder In Bozen also wird Halt gemacht, um den Walter von der Vogelweide Meran erreicht mau jetzt auf der Bahn in anderthalb Stunden, Mir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207492"/> <fw type="header" place="top"> Dem Frühling entgegen</fw><lb/> <p xml:id="ID_546"> Diese» Eindruck habe ich wiederholt und auch in diesem Frühjahre wieder<lb/> e>»Ps"»ge'", und »»» werde ich belehrt, daß er auf einer Täuschung beruht.<lb/> Der vielgenannte Schriftsteller Heinrich Noe hat für einen — übrigens sehr<lb/> empfehlenswerten — Gasthof hart an der Bcchu in Innsbruck ein Büchlein<lb/> versaßt, in dem versichert wird, daß mau verständigerweise eigentlich nur in<lb/> Innsbruck seinen Wohnsitz aufschlagen könne (Dr, Noe selbst lebt, wenn ich<lb/> nicht irre, in München), und daß der Brenner keineswegs, wie allgemein ge¬<lb/> glaubt wird, die Wetterscheide sei, Innsbruck vielmehr noch innerhalb der südlichen<lb/> '^o»e liege. Hoffentlich erfahren von dieser Entdeckung die Herren Jrredentiste»<lb/> nichts, sonst fordern sie auch noch die Herausgabe von Innsbruck! Aber wie<lb/> wäre es, wenn Leipzig sich Herrn Noe verschriebe und sich durch Borrückinig<lb/> der Wettergrenze nach Schkenditz zum klimatischen Kurort machen ließe? In<lb/> mancher andern Beziehung würde es wohl den Vergleich mit Innsbruck auf¬<lb/> nehmen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_547"> In Bozen also wird Halt gemacht, um den Walter von der Vogelweide<lb/> zu betrachten, den die Jtalianissimi als eine „Herausforderung" ansehen. Ja<lb/> die Deutsche»! Mit ihrer Ländergier lassen sie niemand in Ruhe. Unter<lb/> allen Himmelsstrichen machen sie den Boden urbar, gründen Städte, führe»<lb/> Recht und Gesittung ein, und haben sie ihre Schuldigkeit erfüllt, so nehmen<lb/> sie sogar die Nationalität derer nu, für die sie die Arbeit gethan haben, lind<lb/> damit nicht genng, wenn darin ihre Zöglinge selbst zwar uicht Kultur, aber<lb/> doch ihre Herrschaft über uraltdeutsches Gebiet ausdehnen wollen, leiste» die<lb/> »»verträglichen Deutschen — manchmal — Widerstand. Soll das Slawen<lb/> und Romanen und Magyaren nicht kränken? Etwas Herausforderndes hat<lb/> das Standbild Walters in der That, einen so großen und so weit vorge¬<lb/> schobenen rechte» Fuß, daß er über das schlanke Postament hinausragt. Im<lb/> übrige» verdient die Gestalt großes Lob, der Künstler, Heinrich Natter aus<lb/> Tirol, hat hier, wie mit seinem Zwingli i» Zürich, eine erfreuliche Gabe be¬<lb/> kundet, schlichte Würde und Kraft zum Ausdruck zu bringe».</p><lb/> <p xml:id="ID_548" next="#ID_549"> Meran erreicht mau jetzt auf der Bahn in anderthalb Stunden, Mir<lb/> war gesagt worden, daß der wegen der harten Winde bei hoher Temperatur<lb/> und wegen des Staubes für Brustkranke keineswegs sehr geeignete Ort einen<lb/> überlegenen Nebenbuhler an Gries erhalten habe, doch ist davon noch nichts<lb/> zu spüren: es war kaum ein Unterkommen zu finden. An Staub mangelt es<lb/> übrigens den Straßen um Gries auch nicht, aber Vorzüge besitzt es unbedingt.<lb/> Der neue, aus Villen und Gasthäuser» bestehende Teil des Ortes erhält durch<lb/> eine hohe, in flachem Bogen von Westen nach Nordosten sich hinziehende Fels¬<lb/> wand Schutz gegen Winde, davor liegt das weite Thal, sodaß man im Gegensatz<lb/> zu den meisten Orten im Gebirge die Sonne schon früh und noch ziemlich spät<lb/> hat und die erwähnte durchwärmte Wand auch die gegen Norden gelegenen<lb/> Zimmer noch bewohnbar erhält. Das Hotel Austria, worin noch eine Wirtin<lb/> persönlich waltet — und jeder Reisende wird es zu schätzen wissen, wenn er<lb/> nicht einzig einem „Direktor" lind den Kellnern auf Gnade und Ungnade über¬<lb/> liefert ist —, hat eine vor allem ausgezeichnete Lage und ausgedehnte sinnig<lb/> angelegte und wohlgepflegte Parkwege, In diesem Winkel gedeiht ein großer<lb/> Teil der südliche» Flora, sogar Pinie» kommen vereinzelt, aber in sehr schönen<lb/> Exemplaren vor, der kalifornische Riesenbau» Wellingtvnia erreicht mächtige<lb/> Höhe, und der Opn»tienkakt»s, dort „Tenfelspratzen" gela»se, ist sogar zur<lb/> lästige» Wttcherpflaiize geworden. Für Bergsteiger ist ans Wochen abwechsln»gs-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197]
Dem Frühling entgegen
Diese» Eindruck habe ich wiederholt und auch in diesem Frühjahre wieder
e>»Ps"»ge'", und »»» werde ich belehrt, daß er auf einer Täuschung beruht.
Der vielgenannte Schriftsteller Heinrich Noe hat für einen — übrigens sehr
empfehlenswerten — Gasthof hart an der Bcchu in Innsbruck ein Büchlein
versaßt, in dem versichert wird, daß mau verständigerweise eigentlich nur in
Innsbruck seinen Wohnsitz aufschlagen könne (Dr, Noe selbst lebt, wenn ich
nicht irre, in München), und daß der Brenner keineswegs, wie allgemein ge¬
glaubt wird, die Wetterscheide sei, Innsbruck vielmehr noch innerhalb der südlichen
'^o»e liege. Hoffentlich erfahren von dieser Entdeckung die Herren Jrredentiste»
nichts, sonst fordern sie auch noch die Herausgabe von Innsbruck! Aber wie
wäre es, wenn Leipzig sich Herrn Noe verschriebe und sich durch Borrückinig
der Wettergrenze nach Schkenditz zum klimatischen Kurort machen ließe? In
mancher andern Beziehung würde es wohl den Vergleich mit Innsbruck auf¬
nehmen können.
In Bozen also wird Halt gemacht, um den Walter von der Vogelweide
zu betrachten, den die Jtalianissimi als eine „Herausforderung" ansehen. Ja
die Deutsche»! Mit ihrer Ländergier lassen sie niemand in Ruhe. Unter
allen Himmelsstrichen machen sie den Boden urbar, gründen Städte, führe»
Recht und Gesittung ein, und haben sie ihre Schuldigkeit erfüllt, so nehmen
sie sogar die Nationalität derer nu, für die sie die Arbeit gethan haben, lind
damit nicht genng, wenn darin ihre Zöglinge selbst zwar uicht Kultur, aber
doch ihre Herrschaft über uraltdeutsches Gebiet ausdehnen wollen, leiste» die
»»verträglichen Deutschen — manchmal — Widerstand. Soll das Slawen
und Romanen und Magyaren nicht kränken? Etwas Herausforderndes hat
das Standbild Walters in der That, einen so großen und so weit vorge¬
schobenen rechte» Fuß, daß er über das schlanke Postament hinausragt. Im
übrige» verdient die Gestalt großes Lob, der Künstler, Heinrich Natter aus
Tirol, hat hier, wie mit seinem Zwingli i» Zürich, eine erfreuliche Gabe be¬
kundet, schlichte Würde und Kraft zum Ausdruck zu bringe».
Meran erreicht mau jetzt auf der Bahn in anderthalb Stunden, Mir
war gesagt worden, daß der wegen der harten Winde bei hoher Temperatur
und wegen des Staubes für Brustkranke keineswegs sehr geeignete Ort einen
überlegenen Nebenbuhler an Gries erhalten habe, doch ist davon noch nichts
zu spüren: es war kaum ein Unterkommen zu finden. An Staub mangelt es
übrigens den Straßen um Gries auch nicht, aber Vorzüge besitzt es unbedingt.
Der neue, aus Villen und Gasthäuser» bestehende Teil des Ortes erhält durch
eine hohe, in flachem Bogen von Westen nach Nordosten sich hinziehende Fels¬
wand Schutz gegen Winde, davor liegt das weite Thal, sodaß man im Gegensatz
zu den meisten Orten im Gebirge die Sonne schon früh und noch ziemlich spät
hat und die erwähnte durchwärmte Wand auch die gegen Norden gelegenen
Zimmer noch bewohnbar erhält. Das Hotel Austria, worin noch eine Wirtin
persönlich waltet — und jeder Reisende wird es zu schätzen wissen, wenn er
nicht einzig einem „Direktor" lind den Kellnern auf Gnade und Ungnade über¬
liefert ist —, hat eine vor allem ausgezeichnete Lage und ausgedehnte sinnig
angelegte und wohlgepflegte Parkwege, In diesem Winkel gedeiht ein großer
Teil der südliche» Flora, sogar Pinie» kommen vereinzelt, aber in sehr schönen
Exemplaren vor, der kalifornische Riesenbau» Wellingtvnia erreicht mächtige
Höhe, und der Opn»tienkakt»s, dort „Tenfelspratzen" gela»se, ist sogar zur
lästige» Wttcherpflaiize geworden. Für Bergsteiger ist ans Wochen abwechsln»gs-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |