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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Lessings Amtsgenosse in N?olsenbüttel

Vom I)ire<',ex!ur ki'ImLir!- auch ist, die gemeiniglich die Charge von eiueuc
der erste" Hof-Cavaliere ist, so wenig würde sich Herr Messing wol damit ab¬
geben wollen, da er sich ganz der Bibliothek gewidmet hat, und auch dies der
ganze Endzweck seines Berufs ist, daß er die in dieser Bibliothek und besonders
in dem großen Vorrath von Manuscripten, die einige 1000 Volumina aus¬
machen, verborgenen und vielleicht noch gar nicht gekannten Schätze der Welt
bekannter mache. Der bisherige Bibliotheearins, der Herr Kloster-Nath Hugo
geht deswegen ab . . . Herr Lessing behält aber zu seinen Gehilfen zwey
Secretairs") und einen sogenannten Bibliothek-Knecht, so daß er mit dem mehr
Mechanischen der Bibliothek eigentlich nichts zu thun hat." Diese Angaben
Jerusalems werden durch Lessings eigne Äußerungen bestätigt. In dem ersten
Briefe, den er von Wolfenbüttel aus um seinen Vater richtete,"") schreibt er:
"Ich wünschte in meinem Leben noch das Vergnügen zu haben, Sie hier
herumführen zu könne", da ich weiß, was für ein großer Liebhaber und Kenner
Sie von allen Arten von Büchern sind. Eigentliche Amtsgeschäfte habe ich
dabei keine andern, als die ich mir selbst machen will. Ich darf mich rühmen,
daß der Erbprinz mehr darauf gesehen, daß ich die Bibliothek als daß die
Bibliothek mich nutzen soll. Gewiß werde ich Beides zu verbinden suchen,
"der eigentlich zu reden, folget schon Eins aus dem Anderen." Demgemäß
hat er nicht allein dnrch seinen Namen die ihm anvertraute Büchersammlung
für alle Zeiten verherrlicht, sondern anch während seiner fast elfjährigen Ver¬
waltung durch seine ans ihre Schätze bezüglichen Arbeiten mehr für ihren
Ruhm gethan als irgeud einer seiner Vorgänger oder Nachfolger, entsprechend
uicht nur den Wünsche" und Hoffnungen des Erbprinzen, dem er im wesent¬
lichen seine Stellluig verdankte, sondern auch denen des regierenden Herzogs,
der ihm nach Übersendung seiner schönen Abhandlung über den von Lessing
w der Bibliothek aufgefundenen, nur in dieser einzigen Handschrift erhaltene!,
Traktat des Berengar von Tours über das Abendmahl schrieb,""") er "freue
sich umso mehr darüber, weil er daraus ersehe, daß Lessing es weder an
Reiß noch Vemühuugen fehlen lasse, die ihm anvertraute Bibliothek berühmter
M macheu."

Mit der ganzen Lebhaftigkeit seines Wesens vertiefte sich Lessing in Wolfen¬
büttel anfangs in die dort aufgehäuften Litteraturschätze. Vor allem reizte es
^n, Entdeckungen zu macheu, verschollene oder bisher wenig beachtete, noch
lieber ganz unbekannt gebliebene Werke aus dein Dunkel hervorzuziehen und
^ gelehrten Welt davon Kunde zu geben. Gleich in der ersten Zeit seiner
Verwaltung gelang ihm ein Hauptfund. Er entdeckte unter deu Manuskripten



Werte (Hempel) XX, 1, S. 200.
^""



*) Die Stelle des zweiten Sekretärs Meyne wurde ein Jahr nach Lessings Anstellung
^"gezogen.
) r>. Heinemann, Zur Erinnerung an G. E. Lessing, S. 26.
Lessings Amtsgenosse in N?olsenbüttel

Vom I)ire<',ex!ur ki'ImLir!- auch ist, die gemeiniglich die Charge von eiueuc
der erste» Hof-Cavaliere ist, so wenig würde sich Herr Messing wol damit ab¬
geben wollen, da er sich ganz der Bibliothek gewidmet hat, und auch dies der
ganze Endzweck seines Berufs ist, daß er die in dieser Bibliothek und besonders
in dem großen Vorrath von Manuscripten, die einige 1000 Volumina aus¬
machen, verborgenen und vielleicht noch gar nicht gekannten Schätze der Welt
bekannter mache. Der bisherige Bibliotheearins, der Herr Kloster-Nath Hugo
geht deswegen ab . . . Herr Lessing behält aber zu seinen Gehilfen zwey
Secretairs") und einen sogenannten Bibliothek-Knecht, so daß er mit dem mehr
Mechanischen der Bibliothek eigentlich nichts zu thun hat." Diese Angaben
Jerusalems werden durch Lessings eigne Äußerungen bestätigt. In dem ersten
Briefe, den er von Wolfenbüttel aus um seinen Vater richtete,"") schreibt er:
"Ich wünschte in meinem Leben noch das Vergnügen zu haben, Sie hier
herumführen zu könne», da ich weiß, was für ein großer Liebhaber und Kenner
Sie von allen Arten von Büchern sind. Eigentliche Amtsgeschäfte habe ich
dabei keine andern, als die ich mir selbst machen will. Ich darf mich rühmen,
daß der Erbprinz mehr darauf gesehen, daß ich die Bibliothek als daß die
Bibliothek mich nutzen soll. Gewiß werde ich Beides zu verbinden suchen,
"der eigentlich zu reden, folget schon Eins aus dem Anderen." Demgemäß
hat er nicht allein dnrch seinen Namen die ihm anvertraute Büchersammlung
für alle Zeiten verherrlicht, sondern anch während seiner fast elfjährigen Ver¬
waltung durch seine ans ihre Schätze bezüglichen Arbeiten mehr für ihren
Ruhm gethan als irgeud einer seiner Vorgänger oder Nachfolger, entsprechend
uicht nur den Wünsche» und Hoffnungen des Erbprinzen, dem er im wesent¬
lichen seine Stellluig verdankte, sondern auch denen des regierenden Herzogs,
der ihm nach Übersendung seiner schönen Abhandlung über den von Lessing
w der Bibliothek aufgefundenen, nur in dieser einzigen Handschrift erhaltene!,
Traktat des Berengar von Tours über das Abendmahl schrieb,""") er „freue
sich umso mehr darüber, weil er daraus ersehe, daß Lessing es weder an
Reiß noch Vemühuugen fehlen lasse, die ihm anvertraute Bibliothek berühmter
M macheu."

Mit der ganzen Lebhaftigkeit seines Wesens vertiefte sich Lessing in Wolfen¬
büttel anfangs in die dort aufgehäuften Litteraturschätze. Vor allem reizte es
^n, Entdeckungen zu macheu, verschollene oder bisher wenig beachtete, noch
lieber ganz unbekannt gebliebene Werke aus dein Dunkel hervorzuziehen und
^ gelehrten Welt davon Kunde zu geben. Gleich in der ersten Zeit seiner
Verwaltung gelang ihm ein Hauptfund. Er entdeckte unter deu Manuskripten



Werte (Hempel) XX, 1, S. 200.
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*) Die Stelle des zweiten Sekretärs Meyne wurde ein Jahr nach Lessings Anstellung
^»gezogen.
) r>. Heinemann, Zur Erinnerung an G. E. Lessing, S. 26.
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[0167] Lessings Amtsgenosse in N?olsenbüttel Vom I)ire<',ex!ur ki'ImLir!- auch ist, die gemeiniglich die Charge von eiueuc der erste» Hof-Cavaliere ist, so wenig würde sich Herr Messing wol damit ab¬ geben wollen, da er sich ganz der Bibliothek gewidmet hat, und auch dies der ganze Endzweck seines Berufs ist, daß er die in dieser Bibliothek und besonders in dem großen Vorrath von Manuscripten, die einige 1000 Volumina aus¬ machen, verborgenen und vielleicht noch gar nicht gekannten Schätze der Welt bekannter mache. Der bisherige Bibliotheearins, der Herr Kloster-Nath Hugo geht deswegen ab . . . Herr Lessing behält aber zu seinen Gehilfen zwey Secretairs") und einen sogenannten Bibliothek-Knecht, so daß er mit dem mehr Mechanischen der Bibliothek eigentlich nichts zu thun hat." Diese Angaben Jerusalems werden durch Lessings eigne Äußerungen bestätigt. In dem ersten Briefe, den er von Wolfenbüttel aus um seinen Vater richtete,"") schreibt er: "Ich wünschte in meinem Leben noch das Vergnügen zu haben, Sie hier herumführen zu könne», da ich weiß, was für ein großer Liebhaber und Kenner Sie von allen Arten von Büchern sind. Eigentliche Amtsgeschäfte habe ich dabei keine andern, als die ich mir selbst machen will. Ich darf mich rühmen, daß der Erbprinz mehr darauf gesehen, daß ich die Bibliothek als daß die Bibliothek mich nutzen soll. Gewiß werde ich Beides zu verbinden suchen, "der eigentlich zu reden, folget schon Eins aus dem Anderen." Demgemäß hat er nicht allein dnrch seinen Namen die ihm anvertraute Büchersammlung für alle Zeiten verherrlicht, sondern anch während seiner fast elfjährigen Ver¬ waltung durch seine ans ihre Schätze bezüglichen Arbeiten mehr für ihren Ruhm gethan als irgeud einer seiner Vorgänger oder Nachfolger, entsprechend uicht nur den Wünsche» und Hoffnungen des Erbprinzen, dem er im wesent¬ lichen seine Stellluig verdankte, sondern auch denen des regierenden Herzogs, der ihm nach Übersendung seiner schönen Abhandlung über den von Lessing w der Bibliothek aufgefundenen, nur in dieser einzigen Handschrift erhaltene!, Traktat des Berengar von Tours über das Abendmahl schrieb,""") er „freue sich umso mehr darüber, weil er daraus ersehe, daß Lessing es weder an Reiß noch Vemühuugen fehlen lasse, die ihm anvertraute Bibliothek berühmter M macheu." Mit der ganzen Lebhaftigkeit seines Wesens vertiefte sich Lessing in Wolfen¬ büttel anfangs in die dort aufgehäuften Litteraturschätze. Vor allem reizte es ^n, Entdeckungen zu macheu, verschollene oder bisher wenig beachtete, noch lieber ganz unbekannt gebliebene Werke aus dein Dunkel hervorzuziehen und ^ gelehrten Welt davon Kunde zu geben. Gleich in der ersten Zeit seiner Verwaltung gelang ihm ein Hauptfund. Er entdeckte unter deu Manuskripten Werte (Hempel) XX, 1, S. 200. ^"" *) Die Stelle des zweiten Sekretärs Meyne wurde ein Jahr nach Lessings Anstellung ^»gezogen. ) r>. Heinemann, Zur Erinnerung an G. E. Lessing, S. 26.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/167>, abgerufen am 28.12.2024.