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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Lessings Anitsgcnosse in !Volfenbüttel

schließlich nicht ohne Erfolg blieben. Denn am 4. Februar 1755? wurde er
nach einer brieflichen Äußerung von ihm selbst zum Secretarius an der
herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel ernannt, und zö'ar -- abgesehen von
freier Wohnung und 12 Klaftern Buchenbrennholz, zu 72 Thaler gerechnet --
mit einem Gehalte vou 300 Thalern, der sich später auf 500 Thaler erhöhte.
Sein Amtsvorgänger I. Urban Neinerding war am 15. April 1755 gestorben,
und der vou ihm bezogene Gehalt (207 Thaler jährlich) war während der fast
dreijährigen Erledigung seiner Stelle für die Vermehrung der Bibliothek ver¬
wandt worden.

Die obere Verwaltung der Bibliothek lag beim Amtsantritte Cladius in
den Händen des damaligen Vizekanzlers Georg Septimns Andreas v. Praun,
eines Mannes von ausgebreiteter Gelehrsamkeit, unermüdlicher Arbeitskraft,
großer Berufstreue und fleckenlosen Charakter. Neben ihm war seit 1753 der
frühere Sekretär an der königlich - großbritannischen Gesandtschaft in Wien,
Brandau Johann Hugo, seit Ende 1752 herzoglicher Rat, mit der besonder"
Leitung der Geschäfte der herzoglichen Bibliothek betraut. Es läßt sich an-
nehmen, daß diese Männer, von denen der zweite sich mehr zum. praktische"
Rechtsgelehrten als zum Bibliothekar ausgebildet hatte und überdies bald als
Klosterrat vielfach zu andern, dem gelehrten Bücherwesen ganz fern liegenden
Geschäften verwendet wurde, die Eigenschaften Cladius, seine Begabung und
sein Wissen, nicht allzu gering angeschlagen haben werden, da ihm sonst
schwerlich die bei den obwaltenden Verhältnissen nicht unwichtige Stelle eines
dritten oder, wenn man will, zweiten Beamten an der Bibliothek zu teil
worden wäre.

Doch sind die Zeugnisse, die sich über Cladius amtliche Thätigkeit unter
Hugo sowohl wie unter dessen Nachfolgern Lessing und Langer bei den Akte"
erhalten haben, sehr spärlich und lückenhaft, sodnß sich kein sicheres und ge¬
treues Bild von dein gewinnen läßt, was er während seiner fünfunddreiß"^
jährigen Amtsthätigkeit für die Bibliothek geleistet hat. Von größern Arbeite"
liegt nur ein freilich nicht vollständiger Katalog über die in der Bibliothc
vorhandenen Leichenpredigteu vor, den er erst in späterem Lebensalter, r>n'Z
vor seinem Tode, hergestellt hat. So sind wir fast allein ans die in se>"^
Briefen und Eingaben an den Herzog oder an die leitenden Staatsmänner ^
Braunschweig hie und da begegnenden Äußerungen hingewiesen, und dick^
tragen selbstverständlich eine ganz subjektive Färbung. Er preist da woh -
namentlich in seinen Klage- und Bittschriften an den Herzog, den Segen sei ,
amtlichen Arbeit, die ihm, wenigstens ans Stunden, über sein häusliches Elen
hinweghelfe, und wer eiuen Einblick in diese häuslichen Bedrängnisse gewann^
hat, wird ihm das ohne weiteres glauben. "Hier -- sagt er°^) -- ist Religi^



Schreiben an den Geh. Rat von schlichtete vom 7. Juli 1768.
Lessings Anitsgcnosse in !Volfenbüttel

schließlich nicht ohne Erfolg blieben. Denn am 4. Februar 1755? wurde er
nach einer brieflichen Äußerung von ihm selbst zum Secretarius an der
herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel ernannt, und zö'ar — abgesehen von
freier Wohnung und 12 Klaftern Buchenbrennholz, zu 72 Thaler gerechnet —
mit einem Gehalte vou 300 Thalern, der sich später auf 500 Thaler erhöhte.
Sein Amtsvorgänger I. Urban Neinerding war am 15. April 1755 gestorben,
und der vou ihm bezogene Gehalt (207 Thaler jährlich) war während der fast
dreijährigen Erledigung seiner Stelle für die Vermehrung der Bibliothek ver¬
wandt worden.

Die obere Verwaltung der Bibliothek lag beim Amtsantritte Cladius in
den Händen des damaligen Vizekanzlers Georg Septimns Andreas v. Praun,
eines Mannes von ausgebreiteter Gelehrsamkeit, unermüdlicher Arbeitskraft,
großer Berufstreue und fleckenlosen Charakter. Neben ihm war seit 1753 der
frühere Sekretär an der königlich - großbritannischen Gesandtschaft in Wien,
Brandau Johann Hugo, seit Ende 1752 herzoglicher Rat, mit der besonder»
Leitung der Geschäfte der herzoglichen Bibliothek betraut. Es läßt sich an-
nehmen, daß diese Männer, von denen der zweite sich mehr zum. praktische»
Rechtsgelehrten als zum Bibliothekar ausgebildet hatte und überdies bald als
Klosterrat vielfach zu andern, dem gelehrten Bücherwesen ganz fern liegenden
Geschäften verwendet wurde, die Eigenschaften Cladius, seine Begabung und
sein Wissen, nicht allzu gering angeschlagen haben werden, da ihm sonst
schwerlich die bei den obwaltenden Verhältnissen nicht unwichtige Stelle eines
dritten oder, wenn man will, zweiten Beamten an der Bibliothek zu teil
worden wäre.

Doch sind die Zeugnisse, die sich über Cladius amtliche Thätigkeit unter
Hugo sowohl wie unter dessen Nachfolgern Lessing und Langer bei den Akte»
erhalten haben, sehr spärlich und lückenhaft, sodnß sich kein sicheres und ge¬
treues Bild von dein gewinnen läßt, was er während seiner fünfunddreiß»^
jährigen Amtsthätigkeit für die Bibliothek geleistet hat. Von größern Arbeite»
liegt nur ein freilich nicht vollständiger Katalog über die in der Bibliothc
vorhandenen Leichenpredigteu vor, den er erst in späterem Lebensalter, r>n'Z
vor seinem Tode, hergestellt hat. So sind wir fast allein ans die in se>"^
Briefen und Eingaben an den Herzog oder an die leitenden Staatsmänner ^
Braunschweig hie und da begegnenden Äußerungen hingewiesen, und dick^
tragen selbstverständlich eine ganz subjektive Färbung. Er preist da woh -
namentlich in seinen Klage- und Bittschriften an den Herzog, den Segen sei ,
amtlichen Arbeit, die ihm, wenigstens ans Stunden, über sein häusliches Elen
hinweghelfe, und wer eiuen Einblick in diese häuslichen Bedrängnisse gewann^
hat, wird ihm das ohne weiteres glauben. „Hier — sagt er°^) — ist Religi^



Schreiben an den Geh. Rat von schlichtete vom 7. Juli 1768.
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[0164] Lessings Anitsgcnosse in !Volfenbüttel schließlich nicht ohne Erfolg blieben. Denn am 4. Februar 1755? wurde er nach einer brieflichen Äußerung von ihm selbst zum Secretarius an der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel ernannt, und zö'ar — abgesehen von freier Wohnung und 12 Klaftern Buchenbrennholz, zu 72 Thaler gerechnet — mit einem Gehalte vou 300 Thalern, der sich später auf 500 Thaler erhöhte. Sein Amtsvorgänger I. Urban Neinerding war am 15. April 1755 gestorben, und der vou ihm bezogene Gehalt (207 Thaler jährlich) war während der fast dreijährigen Erledigung seiner Stelle für die Vermehrung der Bibliothek ver¬ wandt worden. Die obere Verwaltung der Bibliothek lag beim Amtsantritte Cladius in den Händen des damaligen Vizekanzlers Georg Septimns Andreas v. Praun, eines Mannes von ausgebreiteter Gelehrsamkeit, unermüdlicher Arbeitskraft, großer Berufstreue und fleckenlosen Charakter. Neben ihm war seit 1753 der frühere Sekretär an der königlich - großbritannischen Gesandtschaft in Wien, Brandau Johann Hugo, seit Ende 1752 herzoglicher Rat, mit der besonder» Leitung der Geschäfte der herzoglichen Bibliothek betraut. Es läßt sich an- nehmen, daß diese Männer, von denen der zweite sich mehr zum. praktische» Rechtsgelehrten als zum Bibliothekar ausgebildet hatte und überdies bald als Klosterrat vielfach zu andern, dem gelehrten Bücherwesen ganz fern liegenden Geschäften verwendet wurde, die Eigenschaften Cladius, seine Begabung und sein Wissen, nicht allzu gering angeschlagen haben werden, da ihm sonst schwerlich die bei den obwaltenden Verhältnissen nicht unwichtige Stelle eines dritten oder, wenn man will, zweiten Beamten an der Bibliothek zu teil worden wäre. Doch sind die Zeugnisse, die sich über Cladius amtliche Thätigkeit unter Hugo sowohl wie unter dessen Nachfolgern Lessing und Langer bei den Akte» erhalten haben, sehr spärlich und lückenhaft, sodnß sich kein sicheres und ge¬ treues Bild von dein gewinnen läßt, was er während seiner fünfunddreiß»^ jährigen Amtsthätigkeit für die Bibliothek geleistet hat. Von größern Arbeite» liegt nur ein freilich nicht vollständiger Katalog über die in der Bibliothc vorhandenen Leichenpredigteu vor, den er erst in späterem Lebensalter, r>n'Z vor seinem Tode, hergestellt hat. So sind wir fast allein ans die in se>"^ Briefen und Eingaben an den Herzog oder an die leitenden Staatsmänner ^ Braunschweig hie und da begegnenden Äußerungen hingewiesen, und dick^ tragen selbstverständlich eine ganz subjektive Färbung. Er preist da woh - namentlich in seinen Klage- und Bittschriften an den Herzog, den Segen sei , amtlichen Arbeit, die ihm, wenigstens ans Stunden, über sein häusliches Elen hinweghelfe, und wer eiuen Einblick in diese häuslichen Bedrängnisse gewann^ hat, wird ihm das ohne weiteres glauben. „Hier — sagt er°^) — ist Religi^ Schreiben an den Geh. Rat von schlichtete vom 7. Juli 1768.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/164>, abgerufen am 22.07.2024.