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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Min Katholizismus wie umgekehrt, waren an der Tagesordnung und
dienten nicht selten dazu, den betreffenden Personen den Weg zu eiuer ihren
Neigungen oder Wünschen entsprechenden Lebensstellung zu ebnen. Ich erinnere
"ur an den Karthäuser Johann Georg Stumpf, der im Jahre 1781 aus seinem
Kloster in Erfurt entwich, wo ihn ein Jahr vorher Leisewitz, der Dichter des
"Julius von Tarent," besucht hatte, sich eine Zeit lang unter Basedows
Schutz in Dessau aufhielt und später Professor der Staatswissenschaften, um-
^ngs in Jena und dann in Greifswald, wurde. Vor ihm schon hatte der
Pater Franz Ignaz Rothfifcher, von den Jesuiten erzogen und dann im Kloster
Noth am Jnn Benediktinermvnch, durch das Studium der Wolfischen Philosophie
"er katholischen Kirche entfremdet, seinen Austritt aus ihr bewirkt. Im Sommer
^51 l^s. ^- sich, von dem bekannten Hallischen Theologen Seinler vorbereitet,
Leipzig in die Gemeinschaft der evangelischen Kirche aufnehmen, erhielt 1753
^"e" Ruf an die Universität zu Helmstedt, starb aber bereits zwei Jahre
darauf.

Derselbe Zug der Zeit -- wir kennen wenigstens keine andern Gründe --
lnhalt auch den Mann, über den hier berichtet werden soll, zu seinem Religions-
^esset bewogen und dann weiter zu dem Versuche veranlaßt zu haben, an derselben
^elle ein Unterkommen zu suchen, wo bereits Rothfifcher ein solches gefunden
^tre. Karl Johann Anton von Cichin war wie dieser und wie Stumpf
^'n Geburt ein Baier: er stammte aus München, wo er im Jahre 1723 ge-
'oren war. Mit Nothfischer war er persönlich bekannt, und sein Beispiel wie
Einfluß haben ihn, wie er selbst bekennt, zu seinem Austritt aus der alten
'Arche bestimmt und ihm den Gedanken eingegeben, gleich jenem bei dein wohl¬
wollenden und gutmütigen Herzog Karl von Vraunschweig Schutz und wo¬
möglich eine Versorgung zu suchen. "Die väterliche Vorsorg -- schreibt er an
^" Herzog -- als das Zeugniß eiuer wahren Menschenliebe, so Ew. Durch-
"^de mi meinem seeligen Vorgänger, dein Professor Rothfifcher bewiesen,
Machet, daß auch ich mit höchstem Vertrauen und Zuversicht in demüthigster
.^^chänigkeit vor Dero Gnadenthron mich wcrsfe, und als ein von seinen
nicht uur verlassener, sondern der heiligen evangelischen Religion wegen
' chdri'Messe verfolgter ?ro"0l/w8 um Gnade und Barmherzigkeit Ew. Durch¬
fuhr fußfällig auflese."

liber das frühere Leben Cladius ist wenig Zuverlässiges bekannt geworden.
^ ^' '"üssen uns im wesentlichen mit dem begnügen, was er selbst darüber
^^'h turn mau sich eiues gewissen Mißtrauens gegen diese Angaben
mit^ ^'^dren. Er liebte es, über seine Herkunft und sein früheres Leben
^ geheimnisvolle, auf die Leichtgläubigkeit der Leute berechnete Andeutungen
^^"chen, die einigermaßen geeignet sind, den Verdacht der Schwindelei zu
su/^' ^ ^ ^'"^ ^ geäußert, daß kaiserliches Blut in seinen Adern
^' und angedeutet, daß kein Geringerer sein Vater sei als der Kurfürst


^"zbotm II 1890 20

Min Katholizismus wie umgekehrt, waren an der Tagesordnung und
dienten nicht selten dazu, den betreffenden Personen den Weg zu eiuer ihren
Neigungen oder Wünschen entsprechenden Lebensstellung zu ebnen. Ich erinnere
"ur an den Karthäuser Johann Georg Stumpf, der im Jahre 1781 aus seinem
Kloster in Erfurt entwich, wo ihn ein Jahr vorher Leisewitz, der Dichter des
"Julius von Tarent," besucht hatte, sich eine Zeit lang unter Basedows
Schutz in Dessau aufhielt und später Professor der Staatswissenschaften, um-
^ngs in Jena und dann in Greifswald, wurde. Vor ihm schon hatte der
Pater Franz Ignaz Rothfifcher, von den Jesuiten erzogen und dann im Kloster
Noth am Jnn Benediktinermvnch, durch das Studium der Wolfischen Philosophie
"er katholischen Kirche entfremdet, seinen Austritt aus ihr bewirkt. Im Sommer
^51 l^s. ^- sich, von dem bekannten Hallischen Theologen Seinler vorbereitet,
Leipzig in die Gemeinschaft der evangelischen Kirche aufnehmen, erhielt 1753
^»e» Ruf an die Universität zu Helmstedt, starb aber bereits zwei Jahre
darauf.

Derselbe Zug der Zeit — wir kennen wenigstens keine andern Gründe —
lnhalt auch den Mann, über den hier berichtet werden soll, zu seinem Religions-
^esset bewogen und dann weiter zu dem Versuche veranlaßt zu haben, an derselben
^elle ein Unterkommen zu suchen, wo bereits Rothfifcher ein solches gefunden
^tre. Karl Johann Anton von Cichin war wie dieser und wie Stumpf
^'n Geburt ein Baier: er stammte aus München, wo er im Jahre 1723 ge-
'oren war. Mit Nothfischer war er persönlich bekannt, und sein Beispiel wie
Einfluß haben ihn, wie er selbst bekennt, zu seinem Austritt aus der alten
'Arche bestimmt und ihm den Gedanken eingegeben, gleich jenem bei dein wohl¬
wollenden und gutmütigen Herzog Karl von Vraunschweig Schutz und wo¬
möglich eine Versorgung zu suchen. „Die väterliche Vorsorg — schreibt er an
^" Herzog — als das Zeugniß eiuer wahren Menschenliebe, so Ew. Durch-
"^de mi meinem seeligen Vorgänger, dein Professor Rothfifcher bewiesen,
Machet, daß auch ich mit höchstem Vertrauen und Zuversicht in demüthigster
.^^chänigkeit vor Dero Gnadenthron mich wcrsfe, und als ein von seinen
nicht uur verlassener, sondern der heiligen evangelischen Religion wegen
' chdri'Messe verfolgter ?ro»0l/w8 um Gnade und Barmherzigkeit Ew. Durch¬
fuhr fußfällig auflese."

liber das frühere Leben Cladius ist wenig Zuverlässiges bekannt geworden.
^ ^' '»üssen uns im wesentlichen mit dem begnügen, was er selbst darüber
^^'h turn mau sich eiues gewissen Mißtrauens gegen diese Angaben
mit^ ^'^dren. Er liebte es, über seine Herkunft und sein früheres Leben
^ geheimnisvolle, auf die Leichtgläubigkeit der Leute berechnete Andeutungen
^^"chen, die einigermaßen geeignet sind, den Verdacht der Schwindelei zu
su/^' ^ ^ ^'"^ ^ geäußert, daß kaiserliches Blut in seinen Adern
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[0161] Min Katholizismus wie umgekehrt, waren an der Tagesordnung und dienten nicht selten dazu, den betreffenden Personen den Weg zu eiuer ihren Neigungen oder Wünschen entsprechenden Lebensstellung zu ebnen. Ich erinnere "ur an den Karthäuser Johann Georg Stumpf, der im Jahre 1781 aus seinem Kloster in Erfurt entwich, wo ihn ein Jahr vorher Leisewitz, der Dichter des "Julius von Tarent," besucht hatte, sich eine Zeit lang unter Basedows Schutz in Dessau aufhielt und später Professor der Staatswissenschaften, um- ^ngs in Jena und dann in Greifswald, wurde. Vor ihm schon hatte der Pater Franz Ignaz Rothfifcher, von den Jesuiten erzogen und dann im Kloster Noth am Jnn Benediktinermvnch, durch das Studium der Wolfischen Philosophie "er katholischen Kirche entfremdet, seinen Austritt aus ihr bewirkt. Im Sommer ^51 l^s. ^- sich, von dem bekannten Hallischen Theologen Seinler vorbereitet, Leipzig in die Gemeinschaft der evangelischen Kirche aufnehmen, erhielt 1753 ^»e» Ruf an die Universität zu Helmstedt, starb aber bereits zwei Jahre darauf. Derselbe Zug der Zeit — wir kennen wenigstens keine andern Gründe — lnhalt auch den Mann, über den hier berichtet werden soll, zu seinem Religions- ^esset bewogen und dann weiter zu dem Versuche veranlaßt zu haben, an derselben ^elle ein Unterkommen zu suchen, wo bereits Rothfifcher ein solches gefunden ^tre. Karl Johann Anton von Cichin war wie dieser und wie Stumpf ^'n Geburt ein Baier: er stammte aus München, wo er im Jahre 1723 ge- 'oren war. Mit Nothfischer war er persönlich bekannt, und sein Beispiel wie Einfluß haben ihn, wie er selbst bekennt, zu seinem Austritt aus der alten 'Arche bestimmt und ihm den Gedanken eingegeben, gleich jenem bei dein wohl¬ wollenden und gutmütigen Herzog Karl von Vraunschweig Schutz und wo¬ möglich eine Versorgung zu suchen. „Die väterliche Vorsorg — schreibt er an ^" Herzog — als das Zeugniß eiuer wahren Menschenliebe, so Ew. Durch- "^de mi meinem seeligen Vorgänger, dein Professor Rothfifcher bewiesen, Machet, daß auch ich mit höchstem Vertrauen und Zuversicht in demüthigster .^^chänigkeit vor Dero Gnadenthron mich wcrsfe, und als ein von seinen nicht uur verlassener, sondern der heiligen evangelischen Religion wegen ' chdri'Messe verfolgter ?ro»0l/w8 um Gnade und Barmherzigkeit Ew. Durch¬ fuhr fußfällig auflese." liber das frühere Leben Cladius ist wenig Zuverlässiges bekannt geworden. ^ ^' '»üssen uns im wesentlichen mit dem begnügen, was er selbst darüber ^^'h turn mau sich eiues gewissen Mißtrauens gegen diese Angaben mit^ ^'^dren. Er liebte es, über seine Herkunft und sein früheres Leben ^ geheimnisvolle, auf die Leichtgläubigkeit der Leute berechnete Andeutungen ^^"chen, die einigermaßen geeignet sind, den Verdacht der Schwindelei zu su/^' ^ ^ ^'"^ ^ geäußert, daß kaiserliches Blut in seinen Adern ^' und angedeutet, daß kein Geringerer sein Vater sei als der Kurfürst ^"zbotm II 1890 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/161>, abgerufen am 27.12.2024.