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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Welches sind nun die Anforderungen, die an einen solchen Prüfung ge¬
stellt werden? Ist die Prüfung vor der Kommission schwerer oder ist sie
leichter? Mancher, der die Berichte in den Zeitungen über den Ausfall der
Prüfungen verfolgt, wird zu der Ansicht gelangen, sie müsse sehr schwer sein,
weil ein so außerordentlich hoher Prozentsatz die Prüfung nicht besteht. Dem
ist aber keineswegs so. Die Anforderungen sind bedentend geringer, als wie
sie an einen Schüler einer höhern Lehranstalt, der nach Oberseknndn versetzt
wird, gestellt werden. Dies geht schon daraus hervor, daß der zu prüfende
sich willkürlich aus der Reihe der fremden Sprachen zwei auswählen darf,
in denen er geprüft werden will, z. B. Französisch und Griechisch. Ans der
höhern Lehranstalt dagegen muß er in drei fremden Sprachen genügende
Kenntnisse ausweisen. Daun sind aber auch die Anforderungen in diesen zwei
Sprachen vor der Kommission uicht so hoch. Es ist allgemeine Ansicht der
prüfenden Lehrer, daß ein mäßig tüchtiger Obertertianer die Prüfung vor der
Kommission gut bestehen würde. Höher sind die Anforderungen nur im
Deutschen, und zwar wird dn vou dem Prüfung eine Litteratnrkenntnis ver¬
langt, wie sie sich ein Schüler erst in den obern Klassen zu erwerben pflegt;
denn auf den preußischen höher" Lehranstalten werden ja die Dramen unsrer
großen Dichter erst in Sekunda und Prima gelesen. In allen andern Fächern
aber sind die Anforderungen geringer. In den Natnrwissenschnften wird nur
unes den Anfangsgründen der Physik gefragt; in der Chemie ist es dem zu
prüfenden freigestellt, sich prüfen zu lassen; Botanik und Zoologie fällt
ganz weg.'

Ausschlaggebend ist für die Prüfung gewissermaßen der deutsche Aufsatz,
und das mit Recht. Wer eine ungenügende deutsche Arbeit liefert, wird gar
nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen, und diesem Schicksal erliegt der bei
weitem größte Teil. Wohl die Hälfte der sich meldenden wird gewöhnlich
schon nach den schriftlichen Arbeiten und zwar hauptsächlich ans Grund der
ungenügenden deutschen Arbeit zurückgewiesen. Nun sind aber anch die An¬
forderungen in Bezug auf den deutschen Anfsntz keineswegs übertrieben. Es
werden jedesmal drei Themata gestellt, unter denen sich der Prüfung das, das
ihm am meisten behagt, auswählen kann. Das eine Thema Pflegt ein Sprich¬
wort zu sein, das andre ist meist der dentschen Geschichte entnommen, das
dritte ist allgemeiner Art und dein Bereiche der gewöhnlichen Erfahrung ent¬
lehnt. Wir sehen also, daß auch hier der Maßstab eiues Tertianers angelegt
ist. Ja der Prüfung vor der Kommission erfreut sich sogar noch des Vor¬
zuges, daß er sich unter den drei Themen das ihm passende auswählen kaum
während der Schüler das ihm gestellte Thema bearbeiten muß; allerdings
erhält er dazu durch den Lehrer Anleitung.

Warum sind nun aber eigentlich die Anforderungen in der Prüfung vor
der Komnüssion geringer? Wird dadurch nicht eine Menge von Schülern


Welches sind nun die Anforderungen, die an einen solchen Prüfung ge¬
stellt werden? Ist die Prüfung vor der Kommission schwerer oder ist sie
leichter? Mancher, der die Berichte in den Zeitungen über den Ausfall der
Prüfungen verfolgt, wird zu der Ansicht gelangen, sie müsse sehr schwer sein,
weil ein so außerordentlich hoher Prozentsatz die Prüfung nicht besteht. Dem
ist aber keineswegs so. Die Anforderungen sind bedentend geringer, als wie
sie an einen Schüler einer höhern Lehranstalt, der nach Oberseknndn versetzt
wird, gestellt werden. Dies geht schon daraus hervor, daß der zu prüfende
sich willkürlich aus der Reihe der fremden Sprachen zwei auswählen darf,
in denen er geprüft werden will, z. B. Französisch und Griechisch. Ans der
höhern Lehranstalt dagegen muß er in drei fremden Sprachen genügende
Kenntnisse ausweisen. Daun sind aber auch die Anforderungen in diesen zwei
Sprachen vor der Kommission uicht so hoch. Es ist allgemeine Ansicht der
prüfenden Lehrer, daß ein mäßig tüchtiger Obertertianer die Prüfung vor der
Kommission gut bestehen würde. Höher sind die Anforderungen nur im
Deutschen, und zwar wird dn vou dem Prüfung eine Litteratnrkenntnis ver¬
langt, wie sie sich ein Schüler erst in den obern Klassen zu erwerben pflegt;
denn auf den preußischen höher» Lehranstalten werden ja die Dramen unsrer
großen Dichter erst in Sekunda und Prima gelesen. In allen andern Fächern
aber sind die Anforderungen geringer. In den Natnrwissenschnften wird nur
unes den Anfangsgründen der Physik gefragt; in der Chemie ist es dem zu
prüfenden freigestellt, sich prüfen zu lassen; Botanik und Zoologie fällt
ganz weg.'

Ausschlaggebend ist für die Prüfung gewissermaßen der deutsche Aufsatz,
und das mit Recht. Wer eine ungenügende deutsche Arbeit liefert, wird gar
nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen, und diesem Schicksal erliegt der bei
weitem größte Teil. Wohl die Hälfte der sich meldenden wird gewöhnlich
schon nach den schriftlichen Arbeiten und zwar hauptsächlich ans Grund der
ungenügenden deutschen Arbeit zurückgewiesen. Nun sind aber anch die An¬
forderungen in Bezug auf den deutschen Anfsntz keineswegs übertrieben. Es
werden jedesmal drei Themata gestellt, unter denen sich der Prüfung das, das
ihm am meisten behagt, auswählen kann. Das eine Thema Pflegt ein Sprich¬
wort zu sein, das andre ist meist der dentschen Geschichte entnommen, das
dritte ist allgemeiner Art und dein Bereiche der gewöhnlichen Erfahrung ent¬
lehnt. Wir sehen also, daß auch hier der Maßstab eiues Tertianers angelegt
ist. Ja der Prüfung vor der Kommission erfreut sich sogar noch des Vor¬
zuges, daß er sich unter den drei Themen das ihm passende auswählen kaum
während der Schüler das ihm gestellte Thema bearbeiten muß; allerdings
erhält er dazu durch den Lehrer Anleitung.

Warum sind nun aber eigentlich die Anforderungen in der Prüfung vor
der Komnüssion geringer? Wird dadurch nicht eine Menge von Schülern


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[0142] Welches sind nun die Anforderungen, die an einen solchen Prüfung ge¬ stellt werden? Ist die Prüfung vor der Kommission schwerer oder ist sie leichter? Mancher, der die Berichte in den Zeitungen über den Ausfall der Prüfungen verfolgt, wird zu der Ansicht gelangen, sie müsse sehr schwer sein, weil ein so außerordentlich hoher Prozentsatz die Prüfung nicht besteht. Dem ist aber keineswegs so. Die Anforderungen sind bedentend geringer, als wie sie an einen Schüler einer höhern Lehranstalt, der nach Oberseknndn versetzt wird, gestellt werden. Dies geht schon daraus hervor, daß der zu prüfende sich willkürlich aus der Reihe der fremden Sprachen zwei auswählen darf, in denen er geprüft werden will, z. B. Französisch und Griechisch. Ans der höhern Lehranstalt dagegen muß er in drei fremden Sprachen genügende Kenntnisse ausweisen. Daun sind aber auch die Anforderungen in diesen zwei Sprachen vor der Kommission uicht so hoch. Es ist allgemeine Ansicht der prüfenden Lehrer, daß ein mäßig tüchtiger Obertertianer die Prüfung vor der Kommission gut bestehen würde. Höher sind die Anforderungen nur im Deutschen, und zwar wird dn vou dem Prüfung eine Litteratnrkenntnis ver¬ langt, wie sie sich ein Schüler erst in den obern Klassen zu erwerben pflegt; denn auf den preußischen höher» Lehranstalten werden ja die Dramen unsrer großen Dichter erst in Sekunda und Prima gelesen. In allen andern Fächern aber sind die Anforderungen geringer. In den Natnrwissenschnften wird nur unes den Anfangsgründen der Physik gefragt; in der Chemie ist es dem zu prüfenden freigestellt, sich prüfen zu lassen; Botanik und Zoologie fällt ganz weg.' Ausschlaggebend ist für die Prüfung gewissermaßen der deutsche Aufsatz, und das mit Recht. Wer eine ungenügende deutsche Arbeit liefert, wird gar nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen, und diesem Schicksal erliegt der bei weitem größte Teil. Wohl die Hälfte der sich meldenden wird gewöhnlich schon nach den schriftlichen Arbeiten und zwar hauptsächlich ans Grund der ungenügenden deutschen Arbeit zurückgewiesen. Nun sind aber anch die An¬ forderungen in Bezug auf den deutschen Anfsntz keineswegs übertrieben. Es werden jedesmal drei Themata gestellt, unter denen sich der Prüfung das, das ihm am meisten behagt, auswählen kann. Das eine Thema Pflegt ein Sprich¬ wort zu sein, das andre ist meist der dentschen Geschichte entnommen, das dritte ist allgemeiner Art und dein Bereiche der gewöhnlichen Erfahrung ent¬ lehnt. Wir sehen also, daß auch hier der Maßstab eiues Tertianers angelegt ist. Ja der Prüfung vor der Kommission erfreut sich sogar noch des Vor¬ zuges, daß er sich unter den drei Themen das ihm passende auswählen kaum während der Schüler das ihm gestellte Thema bearbeiten muß; allerdings erhält er dazu durch den Lehrer Anleitung. Warum sind nun aber eigentlich die Anforderungen in der Prüfung vor der Komnüssion geringer? Wird dadurch nicht eine Menge von Schülern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/142>, abgerufen am 01.07.2024.