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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die Abkürzung der lNilitärdienstzcit

nicht zu spüren ist, versagt auch die Begeisterung, Es bleibt nur die Gewohn-
heitsdisziplin, die Pflichttreue, Aus alledem geht hervor, daß unsre braven
Reitersleute künftig geradezu Universalgenies werden müssen, und solche sind in
drei Jahren kaum, in weniger als drei Jahren ganz gewiß nicht heranzuziehen.

Auf die Meldungen der .Kavallerie herbeigeholt, nähert sich nun unsre
erste Batterie der feindlichen Stellung. Um auffahren zu können, muß sie
über die tiefen Gräben der Chaussee gehen, jenseits den steilen Hang des Berges
erklimmen. Wie Schlangen winden sich die einzelnen Geschütze den Abhang
entlang, damit nichts dem Feinde die Batterie verrate. Aber alle Vorsicht
kann nicht verhindern, daß er sie doch erkennt, und schon bei der Entwick¬
lung verliert das zweite Geschütz den Zugführer, den Geschützführer und zwei
Bedienungsleute. Die übrig gebliebenen drei Leute müssen abprotzen, selb¬
ständig richten, die nach der Eigenart des Geschützes und des Bodens, auf
dem es steht, nötigen Verbesserungen an der kommandirten Visirstellung vor¬
nehmen. Das alles im heftigsten feindlichen Feuer, in dem die Fahrer die
Protze zurückbringen und, wenn es Not thut, ebenso unerschrocken wieder heran¬
führen sollen. Dabei müssen im Zeitalter der Nauchfreiheit und der Brisanz¬
granaten alle Bewegungen dreimal so schnell ausgeführt werden als bisher,
komm man überhaupt noch daran denken will, zum Feuern zu kommen- Drei¬
mal so schwer als früher wird es fein, das Ziel im wechselnden Gelände zu
erfassen, dessen Standpunkt keine Rauchwolke verrät. Wir wollen hier nicht
wieder anführen, was der einzelne Artillerist alles im Frieden erlernt haben
',"uß, an seinen Posten im Kriege auszufüllen- Daß Übung, langdauernde
iibung, Erfahrung, gründliche dreijährige Erfahrung allein ihm die notwendige
Sicherheit verleihen können, ist sicher. Nicht Dilettanten dürfen unsre Kavalleristen
"ut Artilleristen in ihrem Beruf sein, sondern Künstler; jeder gemeine Soldat
"Alß in den Grenzen seiner Stellung gerade so sicher sein, wie der Künstler
^ seinem Fach. Um alles in der Welt keine Pfuscharbeit in der Armee.
Gründlichkeit der Arbeit ist hier das erste Erfordernis. Es ist ihr Untergang,
^eim wir an ihren Grundprinzipien rütteln, und zu denen gehört die drei¬
jährige Dienstzeit bei der Kavallerie und der Artillerie.

Ein wenig anders liegt die Sache bei der Infanterie. Ihre einzige Waffe
^t das Gewehr. Gewiß ist es keine leichte Aufgabe, den Mannschaften die
^'förderliche Schießfertigkeit beizubringen, zu der eine Menge von Dingen zählt,
bon veren der Laie sich nichts träumen läßt. Wir nennen nur das Ent-
seriuingsschätzen, das Feuern in allen möglichen und unmöglichen Körperlagen,
^"es soll nicht bestritten werden, daß ein Teil, vielleicht sogar der größere
Unsers Ersatzes, schon in weniger als drei Jahren mit der Feuerwaffe ausge-
s/,. und daß ihm ebenso die erforderliche Disziplin in derselben Zeit einge-
werden kann. Dies erkennt auch die Heeresverwaltung ein;, sie entläßt
°in entsprechend zwei Dritteile aller Jnfanteristen, die den Anforderungen ge-


Die Abkürzung der lNilitärdienstzcit

nicht zu spüren ist, versagt auch die Begeisterung, Es bleibt nur die Gewohn-
heitsdisziplin, die Pflichttreue, Aus alledem geht hervor, daß unsre braven
Reitersleute künftig geradezu Universalgenies werden müssen, und solche sind in
drei Jahren kaum, in weniger als drei Jahren ganz gewiß nicht heranzuziehen.

Auf die Meldungen der .Kavallerie herbeigeholt, nähert sich nun unsre
erste Batterie der feindlichen Stellung. Um auffahren zu können, muß sie
über die tiefen Gräben der Chaussee gehen, jenseits den steilen Hang des Berges
erklimmen. Wie Schlangen winden sich die einzelnen Geschütze den Abhang
entlang, damit nichts dem Feinde die Batterie verrate. Aber alle Vorsicht
kann nicht verhindern, daß er sie doch erkennt, und schon bei der Entwick¬
lung verliert das zweite Geschütz den Zugführer, den Geschützführer und zwei
Bedienungsleute. Die übrig gebliebenen drei Leute müssen abprotzen, selb¬
ständig richten, die nach der Eigenart des Geschützes und des Bodens, auf
dem es steht, nötigen Verbesserungen an der kommandirten Visirstellung vor¬
nehmen. Das alles im heftigsten feindlichen Feuer, in dem die Fahrer die
Protze zurückbringen und, wenn es Not thut, ebenso unerschrocken wieder heran¬
führen sollen. Dabei müssen im Zeitalter der Nauchfreiheit und der Brisanz¬
granaten alle Bewegungen dreimal so schnell ausgeführt werden als bisher,
komm man überhaupt noch daran denken will, zum Feuern zu kommen- Drei¬
mal so schwer als früher wird es fein, das Ziel im wechselnden Gelände zu
erfassen, dessen Standpunkt keine Rauchwolke verrät. Wir wollen hier nicht
wieder anführen, was der einzelne Artillerist alles im Frieden erlernt haben
',"uß, an seinen Posten im Kriege auszufüllen- Daß Übung, langdauernde
iibung, Erfahrung, gründliche dreijährige Erfahrung allein ihm die notwendige
Sicherheit verleihen können, ist sicher. Nicht Dilettanten dürfen unsre Kavalleristen
»ut Artilleristen in ihrem Beruf sein, sondern Künstler; jeder gemeine Soldat
"Alß in den Grenzen seiner Stellung gerade so sicher sein, wie der Künstler
^ seinem Fach. Um alles in der Welt keine Pfuscharbeit in der Armee.
Gründlichkeit der Arbeit ist hier das erste Erfordernis. Es ist ihr Untergang,
^eim wir an ihren Grundprinzipien rütteln, und zu denen gehört die drei¬
jährige Dienstzeit bei der Kavallerie und der Artillerie.

Ein wenig anders liegt die Sache bei der Infanterie. Ihre einzige Waffe
^t das Gewehr. Gewiß ist es keine leichte Aufgabe, den Mannschaften die
^'förderliche Schießfertigkeit beizubringen, zu der eine Menge von Dingen zählt,
bon veren der Laie sich nichts träumen läßt. Wir nennen nur das Ent-
seriuingsschätzen, das Feuern in allen möglichen und unmöglichen Körperlagen,
^"es soll nicht bestritten werden, daß ein Teil, vielleicht sogar der größere
Unsers Ersatzes, schon in weniger als drei Jahren mit der Feuerwaffe ausge-
s/,. und daß ihm ebenso die erforderliche Disziplin in derselben Zeit einge-
werden kann. Dies erkennt auch die Heeresverwaltung ein;, sie entläßt
°in entsprechend zwei Dritteile aller Jnfanteristen, die den Anforderungen ge-


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[0119] Die Abkürzung der lNilitärdienstzcit nicht zu spüren ist, versagt auch die Begeisterung, Es bleibt nur die Gewohn- heitsdisziplin, die Pflichttreue, Aus alledem geht hervor, daß unsre braven Reitersleute künftig geradezu Universalgenies werden müssen, und solche sind in drei Jahren kaum, in weniger als drei Jahren ganz gewiß nicht heranzuziehen. Auf die Meldungen der .Kavallerie herbeigeholt, nähert sich nun unsre erste Batterie der feindlichen Stellung. Um auffahren zu können, muß sie über die tiefen Gräben der Chaussee gehen, jenseits den steilen Hang des Berges erklimmen. Wie Schlangen winden sich die einzelnen Geschütze den Abhang entlang, damit nichts dem Feinde die Batterie verrate. Aber alle Vorsicht kann nicht verhindern, daß er sie doch erkennt, und schon bei der Entwick¬ lung verliert das zweite Geschütz den Zugführer, den Geschützführer und zwei Bedienungsleute. Die übrig gebliebenen drei Leute müssen abprotzen, selb¬ ständig richten, die nach der Eigenart des Geschützes und des Bodens, auf dem es steht, nötigen Verbesserungen an der kommandirten Visirstellung vor¬ nehmen. Das alles im heftigsten feindlichen Feuer, in dem die Fahrer die Protze zurückbringen und, wenn es Not thut, ebenso unerschrocken wieder heran¬ führen sollen. Dabei müssen im Zeitalter der Nauchfreiheit und der Brisanz¬ granaten alle Bewegungen dreimal so schnell ausgeführt werden als bisher, komm man überhaupt noch daran denken will, zum Feuern zu kommen- Drei¬ mal so schwer als früher wird es fein, das Ziel im wechselnden Gelände zu erfassen, dessen Standpunkt keine Rauchwolke verrät. Wir wollen hier nicht wieder anführen, was der einzelne Artillerist alles im Frieden erlernt haben ',"uß, an seinen Posten im Kriege auszufüllen- Daß Übung, langdauernde iibung, Erfahrung, gründliche dreijährige Erfahrung allein ihm die notwendige Sicherheit verleihen können, ist sicher. Nicht Dilettanten dürfen unsre Kavalleristen »ut Artilleristen in ihrem Beruf sein, sondern Künstler; jeder gemeine Soldat "Alß in den Grenzen seiner Stellung gerade so sicher sein, wie der Künstler ^ seinem Fach. Um alles in der Welt keine Pfuscharbeit in der Armee. Gründlichkeit der Arbeit ist hier das erste Erfordernis. Es ist ihr Untergang, ^eim wir an ihren Grundprinzipien rütteln, und zu denen gehört die drei¬ jährige Dienstzeit bei der Kavallerie und der Artillerie. Ein wenig anders liegt die Sache bei der Infanterie. Ihre einzige Waffe ^t das Gewehr. Gewiß ist es keine leichte Aufgabe, den Mannschaften die ^'förderliche Schießfertigkeit beizubringen, zu der eine Menge von Dingen zählt, bon veren der Laie sich nichts träumen läßt. Wir nennen nur das Ent- seriuingsschätzen, das Feuern in allen möglichen und unmöglichen Körperlagen, ^"es soll nicht bestritten werden, daß ein Teil, vielleicht sogar der größere Unsers Ersatzes, schon in weniger als drei Jahren mit der Feuerwaffe ausge- s/,. und daß ihm ebenso die erforderliche Disziplin in derselben Zeit einge- werden kann. Dies erkennt auch die Heeresverwaltung ein;, sie entläßt °in entsprechend zwei Dritteile aller Jnfanteristen, die den Anforderungen ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/119>, abgerufen am 04.07.2024.