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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die Abkürzung de>v Militärdienstzeit

ungen, schon nach zweijährigem Dienst. Wer das nicht glauben will, wer den
entgegengesetzten Behauptungen Böswilliger folgt, dein raten wir, ganz einfach
einmal Jnfanterieofsiziere seiner Bekanntschaft zu fragen, wie lange sie ihre
Burschen behalten haben. Von zehn werden ihm acht antworten: Leider nur
ein Jahr, mein Bursche hat überhaupt uur zwei Jahre zu dienen.

Weiter können wir aber selbst bei der Infanterie nicht gehen. Wir dürfen
keine Soldaten zweiter Klasse haben. Denn es ist der alte Fluch aller aus
ungleichartigen Bestandteilen zusammengesetzten Formationen, daß schließlich
doch der weniger leistungsfähige Teil den bessern auf seine Stufe herunter¬
zieht, niemals zu ihm aufsteigt. Wir würden durch die ausnahmslos zwei¬
jährige Dienstzeit der Infanterie ein Heer zweiter Güte bekommen, das bei der
gegenwärtigen Weltlage wohl selbst die Feinde des Militarismus für uns nicht
haben wollen. Daher ist es nötig, daß die Heeresleitung die diskretionäre
Befugnis hat, über die Dauer des Dienstes der Infanterie zu bestimmen.

Es ist aber ebenso nötig, daß die dreijährige Dienstzeit nicht etwa nur als
Ausnahme für den einzelnen Mann, sondern als Regel für die gesamte Infanterie
ausgesprochen bleibt wegen der grundsätzlichen Gleichheit aller vor dem Gesetze.
Wenn sich doch die, die für eine zweijährige Dienstzeit bei der Infanterie, eine
dreijährige bei den andern Waffen eintreten, klar machen wollten, welch unge¬
heuerlicher Gedanke es ist, einem Volksteil von Anfang an nur zwei, dein
andern drei Jahre Dienstverpflichtung auferlegen zu wollen! Das wäre ein
vorzügliches Mittel, die Nation von Grund aus zu demvralisiren, an der Ge¬
rechtigkeit der Negierung zweifeln zu machen. Das Beispiel Frankreichs, seine
trüben Erfahrungen in dieser Beziehung sollten vor dergleichen Versuchen
warnen. Nirgends ist das Vertrauen des Volkes zur Regierung so erschüttert
wie dort, und zwar wesentlich infolge der Ungleichheit der Bürger hinsichtlich
der militärischen Dienstzeit, die bisher dort für einen Teil fünf, für einen
andern nicht ganz ein Jahr dauerte, für einen dritten gar nicht bestand. Es
ist in sittlicher Beziehung ein großer Unterschied, ob man sagt, alle in das
Heer eingestellten dienen aktiv drei Jahre, die vorzüglich Ausgebildeten bei
der Infanterie dürfen schon nach zwei Jahren entlassen werden, stehen aber
als Dispositionsurlauber während des dritten Jahres jederzeit unbedingt zur
Verfügung der Militärbehörde, oder die aktive Dienstzeit der Infanterie beträgt
zwei, die der andern Waffen drei Jahre. Allerdings haben wir den schlüpfrigen
Weg der Ungleichheit mit Einführung der Ersatzreserve ebenfalls betreten.
Bei ihr bleibt aber -- als Vorwand wenigstens -- die Erklärung, daß sie
nur solche Mannschaften ausbildet, die uach ihrer Körperbeschaffenheit nicht in
die Linie gehören und im Kriege uur an zweiter Stelle verwendet werden
können.

Hiermit glauben wir die Notwendigkeit der dreijährigen Dienstzeit für die
drei Hauptwaffen an der Hand ihrer Eigentümlichkeiten nachgewiesen zu haben-


Die Abkürzung de>v Militärdienstzeit

ungen, schon nach zweijährigem Dienst. Wer das nicht glauben will, wer den
entgegengesetzten Behauptungen Böswilliger folgt, dein raten wir, ganz einfach
einmal Jnfanterieofsiziere seiner Bekanntschaft zu fragen, wie lange sie ihre
Burschen behalten haben. Von zehn werden ihm acht antworten: Leider nur
ein Jahr, mein Bursche hat überhaupt uur zwei Jahre zu dienen.

Weiter können wir aber selbst bei der Infanterie nicht gehen. Wir dürfen
keine Soldaten zweiter Klasse haben. Denn es ist der alte Fluch aller aus
ungleichartigen Bestandteilen zusammengesetzten Formationen, daß schließlich
doch der weniger leistungsfähige Teil den bessern auf seine Stufe herunter¬
zieht, niemals zu ihm aufsteigt. Wir würden durch die ausnahmslos zwei¬
jährige Dienstzeit der Infanterie ein Heer zweiter Güte bekommen, das bei der
gegenwärtigen Weltlage wohl selbst die Feinde des Militarismus für uns nicht
haben wollen. Daher ist es nötig, daß die Heeresleitung die diskretionäre
Befugnis hat, über die Dauer des Dienstes der Infanterie zu bestimmen.

Es ist aber ebenso nötig, daß die dreijährige Dienstzeit nicht etwa nur als
Ausnahme für den einzelnen Mann, sondern als Regel für die gesamte Infanterie
ausgesprochen bleibt wegen der grundsätzlichen Gleichheit aller vor dem Gesetze.
Wenn sich doch die, die für eine zweijährige Dienstzeit bei der Infanterie, eine
dreijährige bei den andern Waffen eintreten, klar machen wollten, welch unge¬
heuerlicher Gedanke es ist, einem Volksteil von Anfang an nur zwei, dein
andern drei Jahre Dienstverpflichtung auferlegen zu wollen! Das wäre ein
vorzügliches Mittel, die Nation von Grund aus zu demvralisiren, an der Ge¬
rechtigkeit der Negierung zweifeln zu machen. Das Beispiel Frankreichs, seine
trüben Erfahrungen in dieser Beziehung sollten vor dergleichen Versuchen
warnen. Nirgends ist das Vertrauen des Volkes zur Regierung so erschüttert
wie dort, und zwar wesentlich infolge der Ungleichheit der Bürger hinsichtlich
der militärischen Dienstzeit, die bisher dort für einen Teil fünf, für einen
andern nicht ganz ein Jahr dauerte, für einen dritten gar nicht bestand. Es
ist in sittlicher Beziehung ein großer Unterschied, ob man sagt, alle in das
Heer eingestellten dienen aktiv drei Jahre, die vorzüglich Ausgebildeten bei
der Infanterie dürfen schon nach zwei Jahren entlassen werden, stehen aber
als Dispositionsurlauber während des dritten Jahres jederzeit unbedingt zur
Verfügung der Militärbehörde, oder die aktive Dienstzeit der Infanterie beträgt
zwei, die der andern Waffen drei Jahre. Allerdings haben wir den schlüpfrigen
Weg der Ungleichheit mit Einführung der Ersatzreserve ebenfalls betreten.
Bei ihr bleibt aber — als Vorwand wenigstens — die Erklärung, daß sie
nur solche Mannschaften ausbildet, die uach ihrer Körperbeschaffenheit nicht in
die Linie gehören und im Kriege uur an zweiter Stelle verwendet werden
können.

Hiermit glauben wir die Notwendigkeit der dreijährigen Dienstzeit für die
drei Hauptwaffen an der Hand ihrer Eigentümlichkeiten nachgewiesen zu haben-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/120>, abgerufen am 27.12.2024.