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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die Abkürzung der INilitärdienstzeit

rung der Sorge für die innere Verfassung der Truppen zuläßt, vielmehr zum
Gegenteil, zur höhern Anspannung auffordert.

Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse infolge der verbesserten Feuerwaffen.
Welche Änderungen in der Taktik die neuen Erscheinungen hervorbringen
werden, darüber ist man noch nicht einig, wohl aber darüber, daß sie die
Bedeutung des Einzelnen steigern. Dies ist das einfache Ergebnis der Ver¬
besserung des Gerätes; je feiner dieses ist, um so zarter und geschickter
"muß die Hand sein, die es verwenden soll. Wenn es ferner schon früher
schwer war, die Leute zum Verlassen der Deckung zu bewegen, sei es zum
Angriff -- es ist wohl nicht nötig unsern Lesern besonders zu zeigen, daß
wir im Grundsatz nur angriffsweise fechten dürfen --, sei es zur Abgabe des
gezielten Schusses, so wird dies unter dem Geschoßregen der Zukunft ge¬
radezu unmöglich sein, wenn der Geist unsrer Truppen nicht vorzüglich
^se- Überdies legt jede Verbesserung der Feuerwaffe, die allen Heeren gleich¬
mäßig zu gute kommt, auch alleu ohne weiteres die Pflicht ob, ihren An¬
gehörigen im Gebrauch der Waffe möglichste Vollkommenheit zu geben:
Mir dadurch kann man sich gegen die übermäßigen Verluste schützen, die eine
bessere Ausbildung des Feindes unzweifelhaft verursachen würden. Also auch
hier ist Erhöhung der Güte der Truppe nötig.

Was schließlich die Klugheit unsrer jetzigen Rekruten betrifft, so ist es
euie alte Erfahrung, deren Richtigkeit noch nie von Kennern der menschlichen
schwächen bestritten worden ist, daß die Leute, je klüger sie zu sein glaube",
desto weniger fähig sind, die wahre Disziplin in sich aufzunehmen und daß
^hev längere Zeit, nötig ist, um sie unerschütterlich fest in den Rahmen des
Heeres einzufügen. Daß sie die technische" Künste des militärischen Dienstes
schnell erfassen, darauf kommt es durchaus nicht an. Die Kommißgriffe sind
^wu unsern geübten Drillmeistern auch dem blödesten Soldaten in wenigen
- conaten beizubringen, aber nicht so beizubringen, auch dem gebildetsten Hand-
"ugsgehilfen nicht, daß er sie im Augenblick der höchste" Lebensgefahr wie
^ewas ihm Angeborenes ausübt. Dazu gehört jahrelange wiederholte Übung,
M gehv^ vor alle", Gewohnheitsdisziplin. Man verschone uns um des
^"rucks willen mit den landläufigen Redensarten vom Enthusiasmus der
^uppe, ihr Flügel verleihe. Begeisterung ist eine schöne Sache, aber
u ugel einem Heerhaufen mir die Begeisterung der Feigheit, nämlich
wugel zum Ausreißen. Kein Enthusiasmus hält deu unglaublichen Anstren¬
gungen eines Marsches in großer Marschkolonne gegenüber Stand. Wenn
^ er Staub die lechzende Kehle anfüllt, die Sonne unerbittlich auf den Helm
lo°"^' ^ Vordermann aller zeh" Schritte stutzt, der Hintermann rücksichts-
'""ge, dann hält nur eins den Soldaten in Reih und Glied: die
. ^^bnheitsdisziplin. Kein Enthusiasmus giebt dem Schützen im Feuergefecht
' den vernichtende" Entfernungen die Ruhe, die zur Ausnutzung der Waffe


Die Abkürzung der INilitärdienstzeit

rung der Sorge für die innere Verfassung der Truppen zuläßt, vielmehr zum
Gegenteil, zur höhern Anspannung auffordert.

Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse infolge der verbesserten Feuerwaffen.
Welche Änderungen in der Taktik die neuen Erscheinungen hervorbringen
werden, darüber ist man noch nicht einig, wohl aber darüber, daß sie die
Bedeutung des Einzelnen steigern. Dies ist das einfache Ergebnis der Ver¬
besserung des Gerätes; je feiner dieses ist, um so zarter und geschickter
"muß die Hand sein, die es verwenden soll. Wenn es ferner schon früher
schwer war, die Leute zum Verlassen der Deckung zu bewegen, sei es zum
Angriff — es ist wohl nicht nötig unsern Lesern besonders zu zeigen, daß
wir im Grundsatz nur angriffsweise fechten dürfen —, sei es zur Abgabe des
gezielten Schusses, so wird dies unter dem Geschoßregen der Zukunft ge¬
radezu unmöglich sein, wenn der Geist unsrer Truppen nicht vorzüglich
^se- Überdies legt jede Verbesserung der Feuerwaffe, die allen Heeren gleich¬
mäßig zu gute kommt, auch alleu ohne weiteres die Pflicht ob, ihren An¬
gehörigen im Gebrauch der Waffe möglichste Vollkommenheit zu geben:
Mir dadurch kann man sich gegen die übermäßigen Verluste schützen, die eine
bessere Ausbildung des Feindes unzweifelhaft verursachen würden. Also auch
hier ist Erhöhung der Güte der Truppe nötig.

Was schließlich die Klugheit unsrer jetzigen Rekruten betrifft, so ist es
euie alte Erfahrung, deren Richtigkeit noch nie von Kennern der menschlichen
schwächen bestritten worden ist, daß die Leute, je klüger sie zu sein glaube»,
desto weniger fähig sind, die wahre Disziplin in sich aufzunehmen und daß
^hev längere Zeit, nötig ist, um sie unerschütterlich fest in den Rahmen des
Heeres einzufügen. Daß sie die technische» Künste des militärischen Dienstes
schnell erfassen, darauf kommt es durchaus nicht an. Die Kommißgriffe sind
^wu unsern geübten Drillmeistern auch dem blödesten Soldaten in wenigen
- conaten beizubringen, aber nicht so beizubringen, auch dem gebildetsten Hand-
"ugsgehilfen nicht, daß er sie im Augenblick der höchste» Lebensgefahr wie
^ewas ihm Angeborenes ausübt. Dazu gehört jahrelange wiederholte Übung,
M gehv^ vor alle», Gewohnheitsdisziplin. Man verschone uns um des
^"rucks willen mit den landläufigen Redensarten vom Enthusiasmus der
^uppe, ihr Flügel verleihe. Begeisterung ist eine schöne Sache, aber
u ugel einem Heerhaufen mir die Begeisterung der Feigheit, nämlich
wugel zum Ausreißen. Kein Enthusiasmus hält deu unglaublichen Anstren¬
gungen eines Marsches in großer Marschkolonne gegenüber Stand. Wenn
^ er Staub die lechzende Kehle anfüllt, die Sonne unerbittlich auf den Helm
lo°"^' ^ Vordermann aller zeh» Schritte stutzt, der Hintermann rücksichts-
'""ge, dann hält nur eins den Soldaten in Reih und Glied: die
. ^^bnheitsdisziplin. Kein Enthusiasmus giebt dem Schützen im Feuergefecht
' den vernichtende» Entfernungen die Ruhe, die zur Ausnutzung der Waffe


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[0117] Die Abkürzung der INilitärdienstzeit rung der Sorge für die innere Verfassung der Truppen zuläßt, vielmehr zum Gegenteil, zur höhern Anspannung auffordert. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse infolge der verbesserten Feuerwaffen. Welche Änderungen in der Taktik die neuen Erscheinungen hervorbringen werden, darüber ist man noch nicht einig, wohl aber darüber, daß sie die Bedeutung des Einzelnen steigern. Dies ist das einfache Ergebnis der Ver¬ besserung des Gerätes; je feiner dieses ist, um so zarter und geschickter "muß die Hand sein, die es verwenden soll. Wenn es ferner schon früher schwer war, die Leute zum Verlassen der Deckung zu bewegen, sei es zum Angriff — es ist wohl nicht nötig unsern Lesern besonders zu zeigen, daß wir im Grundsatz nur angriffsweise fechten dürfen —, sei es zur Abgabe des gezielten Schusses, so wird dies unter dem Geschoßregen der Zukunft ge¬ radezu unmöglich sein, wenn der Geist unsrer Truppen nicht vorzüglich ^se- Überdies legt jede Verbesserung der Feuerwaffe, die allen Heeren gleich¬ mäßig zu gute kommt, auch alleu ohne weiteres die Pflicht ob, ihren An¬ gehörigen im Gebrauch der Waffe möglichste Vollkommenheit zu geben: Mir dadurch kann man sich gegen die übermäßigen Verluste schützen, die eine bessere Ausbildung des Feindes unzweifelhaft verursachen würden. Also auch hier ist Erhöhung der Güte der Truppe nötig. Was schließlich die Klugheit unsrer jetzigen Rekruten betrifft, so ist es euie alte Erfahrung, deren Richtigkeit noch nie von Kennern der menschlichen schwächen bestritten worden ist, daß die Leute, je klüger sie zu sein glaube», desto weniger fähig sind, die wahre Disziplin in sich aufzunehmen und daß ^hev längere Zeit, nötig ist, um sie unerschütterlich fest in den Rahmen des Heeres einzufügen. Daß sie die technische» Künste des militärischen Dienstes schnell erfassen, darauf kommt es durchaus nicht an. Die Kommißgriffe sind ^wu unsern geübten Drillmeistern auch dem blödesten Soldaten in wenigen - conaten beizubringen, aber nicht so beizubringen, auch dem gebildetsten Hand- "ugsgehilfen nicht, daß er sie im Augenblick der höchste» Lebensgefahr wie ^ewas ihm Angeborenes ausübt. Dazu gehört jahrelange wiederholte Übung, M gehv^ vor alle», Gewohnheitsdisziplin. Man verschone uns um des ^"rucks willen mit den landläufigen Redensarten vom Enthusiasmus der ^uppe, ihr Flügel verleihe. Begeisterung ist eine schöne Sache, aber u ugel einem Heerhaufen mir die Begeisterung der Feigheit, nämlich wugel zum Ausreißen. Kein Enthusiasmus hält deu unglaublichen Anstren¬ gungen eines Marsches in großer Marschkolonne gegenüber Stand. Wenn ^ er Staub die lechzende Kehle anfüllt, die Sonne unerbittlich auf den Helm lo°"^' ^ Vordermann aller zeh» Schritte stutzt, der Hintermann rücksichts- '""ge, dann hält nur eins den Soldaten in Reih und Glied: die . ^^bnheitsdisziplin. Kein Enthusiasmus giebt dem Schützen im Feuergefecht ' den vernichtende» Entfernungen die Ruhe, die zur Ausnutzung der Waffe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/117>, abgerufen am 30.06.2024.