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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die Abkürzung der Militärdienstzeit

die Waffen zu führen, zum militärischen Dienst heranzieht und daher ebenfalls
mehr Soldaten zur Verfügung hat als wir. Wir müssen uns darauf beschränken,
unter Festhaltung der durch unsre im Vergleich zu Frankreich ärmlichen Ver¬
hältnisse erlaubten höchsten Gesamtstärke das Heer in seiner innern Beschaffen¬
heit zu verbessern.

Nun meinen freilich die Herren Neuerer, auf die Güte der Truppe komme
es heute in der Zeit der Masfenheere, der weittragenden Feuerwaffen, die
einen Kampf Mann gegen Mann so ziemlich ausschließen, nicht sehr an. Über¬
dies brächten schon jetzt die Rekruten zum Dienst eine Vorbildung mit, die ihre
militärische Anlernung erleichtere; sie seien klüger geworden.

Aber was ist dann eigentlich der Schlüssel zu künftigen kriegerischen Er¬
folgen? dürfen wir dagegen wohl fragen. Die Überlegenheit in der Gesamt¬
zahl der Streitkräfte ist nicht zu erreichen, das steht unerschütterlich sest. Die
Überlegenheit in der Güte der Truppen soll den Ausschlag nicht mehr geben
können. Also bleibt nur das Genie der Führung übrig. Dies ist aber eine
Gottesgabe, die nnr mehr oder weniger Anfällig in einer Armee vertreten ist.
Sie kann durch treue Friedensnrbeit des Offizierkorps da, wo sie als Keim in
der Seele des Einzelnen schon vorhanden ist, zur Entfaltung gebracht, ihre
Entwicklung befördert werden, neu zu schaffen ist sie durch menschliche Thätig¬
keit niemals. Und, selbst vorausgesetzt, das Genie wäre da, kann der be¬
gabteste, größte Künstler ans einem verstimmten Instrumente spielen, mit
borstigem Pinsel oder schlechten Farben malen? Gewiß "licht. Einem ver¬
stimmten Instrumente, gleicht aber eine in sittlicher Beziehung nicht ganz takt¬
feste Armee. Es ist unsre einzige Hoffnung, daß wir unsre Gegner in dieser
Beziehung übertreffen werden; gelingt das nicht, so können wir von vornherein
auf die Herbeiführung der Waffenentfcheidung verzichten, sie würde sicher zu
unsern Ungunsten ausfallen. Deshalb ist es unmöglich, die Anforderungen
an die Güte unsrer Truppen auch nur um den kleinsten Teil zu ermäßigen,
jn wir haben sogar alle Veranlassung, auch die innere Beschaffenheit des
Heeres zu bessern, die Besserung wenigstens ernsthaft anzustreben.

Je größer die Massen der Heere sind, desto schwieriger sind sie zu ver¬
pflegen, zu bewegen, zum Gefecht zusammenzuziehen und zu entwickeln, darüber
ist kein Zweifel möglich, desto wichtiger ist die pünktliche Ausführung aller
Anordnungen, die pflichtgemäße Selbstthätigkeit des Einzelnen bei völliger
Unterordnung unter die allgemeinen, leitenden Gesichtspunkte. Dies bezieht
sich nicht nur auf den Offizier, sondern ebenso auf den gemeinen Soldaten.
Denn uur die gleichmäßige Thätigkeit aller Glieder ohne Ausnahme bringt
den erforderlichen Rhythmus in der Bewegung des Ganzen hervor. Jede kleinste
Störung, die irgendwo durch das Verschulden eines Einzelnen erregt wird, pflanzt
sich lawinenartig anwachsend durch die Allgemeinheit fort. Hieraus ergiebt sich
logischerweise, daß das Auftreten von Massenheeren keineswegs eine Verringe-


Die Abkürzung der Militärdienstzeit

die Waffen zu führen, zum militärischen Dienst heranzieht und daher ebenfalls
mehr Soldaten zur Verfügung hat als wir. Wir müssen uns darauf beschränken,
unter Festhaltung der durch unsre im Vergleich zu Frankreich ärmlichen Ver¬
hältnisse erlaubten höchsten Gesamtstärke das Heer in seiner innern Beschaffen¬
heit zu verbessern.

Nun meinen freilich die Herren Neuerer, auf die Güte der Truppe komme
es heute in der Zeit der Masfenheere, der weittragenden Feuerwaffen, die
einen Kampf Mann gegen Mann so ziemlich ausschließen, nicht sehr an. Über¬
dies brächten schon jetzt die Rekruten zum Dienst eine Vorbildung mit, die ihre
militärische Anlernung erleichtere; sie seien klüger geworden.

Aber was ist dann eigentlich der Schlüssel zu künftigen kriegerischen Er¬
folgen? dürfen wir dagegen wohl fragen. Die Überlegenheit in der Gesamt¬
zahl der Streitkräfte ist nicht zu erreichen, das steht unerschütterlich sest. Die
Überlegenheit in der Güte der Truppen soll den Ausschlag nicht mehr geben
können. Also bleibt nur das Genie der Führung übrig. Dies ist aber eine
Gottesgabe, die nnr mehr oder weniger Anfällig in einer Armee vertreten ist.
Sie kann durch treue Friedensnrbeit des Offizierkorps da, wo sie als Keim in
der Seele des Einzelnen schon vorhanden ist, zur Entfaltung gebracht, ihre
Entwicklung befördert werden, neu zu schaffen ist sie durch menschliche Thätig¬
keit niemals. Und, selbst vorausgesetzt, das Genie wäre da, kann der be¬
gabteste, größte Künstler ans einem verstimmten Instrumente spielen, mit
borstigem Pinsel oder schlechten Farben malen? Gewiß »licht. Einem ver¬
stimmten Instrumente, gleicht aber eine in sittlicher Beziehung nicht ganz takt¬
feste Armee. Es ist unsre einzige Hoffnung, daß wir unsre Gegner in dieser
Beziehung übertreffen werden; gelingt das nicht, so können wir von vornherein
auf die Herbeiführung der Waffenentfcheidung verzichten, sie würde sicher zu
unsern Ungunsten ausfallen. Deshalb ist es unmöglich, die Anforderungen
an die Güte unsrer Truppen auch nur um den kleinsten Teil zu ermäßigen,
jn wir haben sogar alle Veranlassung, auch die innere Beschaffenheit des
Heeres zu bessern, die Besserung wenigstens ernsthaft anzustreben.

Je größer die Massen der Heere sind, desto schwieriger sind sie zu ver¬
pflegen, zu bewegen, zum Gefecht zusammenzuziehen und zu entwickeln, darüber
ist kein Zweifel möglich, desto wichtiger ist die pünktliche Ausführung aller
Anordnungen, die pflichtgemäße Selbstthätigkeit des Einzelnen bei völliger
Unterordnung unter die allgemeinen, leitenden Gesichtspunkte. Dies bezieht
sich nicht nur auf den Offizier, sondern ebenso auf den gemeinen Soldaten.
Denn uur die gleichmäßige Thätigkeit aller Glieder ohne Ausnahme bringt
den erforderlichen Rhythmus in der Bewegung des Ganzen hervor. Jede kleinste
Störung, die irgendwo durch das Verschulden eines Einzelnen erregt wird, pflanzt
sich lawinenartig anwachsend durch die Allgemeinheit fort. Hieraus ergiebt sich
logischerweise, daß das Auftreten von Massenheeren keineswegs eine Verringe-


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[0116] Die Abkürzung der Militärdienstzeit die Waffen zu führen, zum militärischen Dienst heranzieht und daher ebenfalls mehr Soldaten zur Verfügung hat als wir. Wir müssen uns darauf beschränken, unter Festhaltung der durch unsre im Vergleich zu Frankreich ärmlichen Ver¬ hältnisse erlaubten höchsten Gesamtstärke das Heer in seiner innern Beschaffen¬ heit zu verbessern. Nun meinen freilich die Herren Neuerer, auf die Güte der Truppe komme es heute in der Zeit der Masfenheere, der weittragenden Feuerwaffen, die einen Kampf Mann gegen Mann so ziemlich ausschließen, nicht sehr an. Über¬ dies brächten schon jetzt die Rekruten zum Dienst eine Vorbildung mit, die ihre militärische Anlernung erleichtere; sie seien klüger geworden. Aber was ist dann eigentlich der Schlüssel zu künftigen kriegerischen Er¬ folgen? dürfen wir dagegen wohl fragen. Die Überlegenheit in der Gesamt¬ zahl der Streitkräfte ist nicht zu erreichen, das steht unerschütterlich sest. Die Überlegenheit in der Güte der Truppen soll den Ausschlag nicht mehr geben können. Also bleibt nur das Genie der Führung übrig. Dies ist aber eine Gottesgabe, die nnr mehr oder weniger Anfällig in einer Armee vertreten ist. Sie kann durch treue Friedensnrbeit des Offizierkorps da, wo sie als Keim in der Seele des Einzelnen schon vorhanden ist, zur Entfaltung gebracht, ihre Entwicklung befördert werden, neu zu schaffen ist sie durch menschliche Thätig¬ keit niemals. Und, selbst vorausgesetzt, das Genie wäre da, kann der be¬ gabteste, größte Künstler ans einem verstimmten Instrumente spielen, mit borstigem Pinsel oder schlechten Farben malen? Gewiß »licht. Einem ver¬ stimmten Instrumente, gleicht aber eine in sittlicher Beziehung nicht ganz takt¬ feste Armee. Es ist unsre einzige Hoffnung, daß wir unsre Gegner in dieser Beziehung übertreffen werden; gelingt das nicht, so können wir von vornherein auf die Herbeiführung der Waffenentfcheidung verzichten, sie würde sicher zu unsern Ungunsten ausfallen. Deshalb ist es unmöglich, die Anforderungen an die Güte unsrer Truppen auch nur um den kleinsten Teil zu ermäßigen, jn wir haben sogar alle Veranlassung, auch die innere Beschaffenheit des Heeres zu bessern, die Besserung wenigstens ernsthaft anzustreben. Je größer die Massen der Heere sind, desto schwieriger sind sie zu ver¬ pflegen, zu bewegen, zum Gefecht zusammenzuziehen und zu entwickeln, darüber ist kein Zweifel möglich, desto wichtiger ist die pünktliche Ausführung aller Anordnungen, die pflichtgemäße Selbstthätigkeit des Einzelnen bei völliger Unterordnung unter die allgemeinen, leitenden Gesichtspunkte. Dies bezieht sich nicht nur auf den Offizier, sondern ebenso auf den gemeinen Soldaten. Denn uur die gleichmäßige Thätigkeit aller Glieder ohne Ausnahme bringt den erforderlichen Rhythmus in der Bewegung des Ganzen hervor. Jede kleinste Störung, die irgendwo durch das Verschulden eines Einzelnen erregt wird, pflanzt sich lawinenartig anwachsend durch die Allgemeinheit fort. Hieraus ergiebt sich logischerweise, daß das Auftreten von Massenheeren keineswegs eine Verringe-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/116>, abgerufen am 27.06.2024.