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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Beoliachtuiigen und Urteile eines sächsischen Diplomaten

aufgegangen, welche thatkräftige Regenten ausgestreut hatten. Ein eigen¬
artiger, zäher Partikularismus war unter der militärischen eisernen Zucht er¬
starkt. Nächst diesen ans der Hand liegenden Gründen würde jedoch Carlhle
noch einen betont haben, jWarum nur Carlyle, nicht auch Graf Bitzthum,
der es hier doch mittelbar anerkennt?! Der schottische Seher und Hohepriester
des Heroenkultus würde den Hauptgrund, warum Preußen den Sieg davon¬
trug, in dein Umstände gesucht haben, daß der einzige Staatsmann, den unsere
Zeit geboren, in Preußen und nicht in Österreich das Licht der Welt erblickt
hat." Als Nechberg sich 180/! entschloß, den von andrer Seite angeregten
Gedanken eines Fürstentages zur Reform des dentschen Bundes seinem Kaiser
zur Ausführung zu empfehlen, war es erstens zu spät; denn Bismarck hatte
jetzt "mit kräftiger Hand die Leitung des preußischen Staates übernommen
und vereitelte die Bestrebungen des kaiserlichen Kabinets." Dann aber "gab man
sich in Wien mit seinem Nefvrmprojette "och immer den Jllnsivne" hin, die
dein Bundesvertrage von zu Grunde gelegen hatten. Ein sechsköpfiges
Direktorium, el" künstlicher, den wirklichen Acachtverhältnissen nicht entsprechender
Abstimmnngsmodns und die beschränkte Beteiligung einer ans allen Kammern
der einzelnen Staaten hervorgegangenen Delegirtenversammlung, das war
in der Hauptsache alles, was Rechberg der Nation zur Befriedigung ihrer
Wünsche zu bieten hatte. Es war der Bundestag röckivivu", nnr verwickelter,
schwerfälliger gestaltet. Hätte er die Sache ernstlich erwogen und, zum
Handeln entschlossen, gewagt, den Kaiser auszuspielen und sofort zu erklären,
Österreich werde ein Fürsten- und Volkshans nach Frankfurt berufen, um
mit dem deutschen Kaiser die Reichsverfassung zu beraten, vielleicht würde er
mit einiger Energie und Konsequenz den Ausschluß Österreichs aus Deutsch¬
land noch verhindert haben. Jedenfalls würden die deutschen Fürsten und
Völker gewußt haben, woran sie waren. Was konnte es helfen, daß vierund-
zwauzig deutsche Regierungen diese", lahme" Reformprvjekte ihre Zllstimmuug
gaben?" König Wilhelm hatte es auf Bismarcks eruste, dringende Warnung
nicht mit beraten "ut sagte dann nein dazu, und damit fiel die Sache zu
Boden. "Das Resultat aber dieses vergeblichen Versuchs ........ fährt der Ver¬
sasser fort -- war ein beklagenswertes. Österreich selbst hatte den Bund in
seiner damaligen Gestalt für hinfällig und unhaltbar erklärt, also die alte
Maschine zerbrochen, ehe eine neue hergestellt war, und es hatte amtlich die
llnversöhulichkeit des Gegensatzes konstatirt, welcher die beide" Großmächte
trennte." Bald darauf wurde die dänische Frage brennend. Bismarck ver¬
folgte dabei von Anfang an klare Zwecke und hatte von seinem Standpunkte
vollkommen recht, sie nicht als rein deutsche, sondern als europäische z" be¬
handeln; Rechberg dagegen handelte im Interesse Österreichs unklug, wenn er
den Bundestag, "ein österreichisches Institut," preisgab und unt Preuße" gi"g.
"Als jedoch Österreich und Preußen, nachdem sie die Angelegenheit als errp-


Beoliachtuiigen und Urteile eines sächsischen Diplomaten

aufgegangen, welche thatkräftige Regenten ausgestreut hatten. Ein eigen¬
artiger, zäher Partikularismus war unter der militärischen eisernen Zucht er¬
starkt. Nächst diesen ans der Hand liegenden Gründen würde jedoch Carlhle
noch einen betont haben, jWarum nur Carlyle, nicht auch Graf Bitzthum,
der es hier doch mittelbar anerkennt?! Der schottische Seher und Hohepriester
des Heroenkultus würde den Hauptgrund, warum Preußen den Sieg davon¬
trug, in dein Umstände gesucht haben, daß der einzige Staatsmann, den unsere
Zeit geboren, in Preußen und nicht in Österreich das Licht der Welt erblickt
hat." Als Nechberg sich 180/! entschloß, den von andrer Seite angeregten
Gedanken eines Fürstentages zur Reform des dentschen Bundes seinem Kaiser
zur Ausführung zu empfehlen, war es erstens zu spät; denn Bismarck hatte
jetzt „mit kräftiger Hand die Leitung des preußischen Staates übernommen
und vereitelte die Bestrebungen des kaiserlichen Kabinets." Dann aber „gab man
sich in Wien mit seinem Nefvrmprojette »och immer den Jllnsivne» hin, die
dein Bundesvertrage von zu Grunde gelegen hatten. Ein sechsköpfiges
Direktorium, el» künstlicher, den wirklichen Acachtverhältnissen nicht entsprechender
Abstimmnngsmodns und die beschränkte Beteiligung einer ans allen Kammern
der einzelnen Staaten hervorgegangenen Delegirtenversammlung, das war
in der Hauptsache alles, was Rechberg der Nation zur Befriedigung ihrer
Wünsche zu bieten hatte. Es war der Bundestag röckivivu», nnr verwickelter,
schwerfälliger gestaltet. Hätte er die Sache ernstlich erwogen und, zum
Handeln entschlossen, gewagt, den Kaiser auszuspielen und sofort zu erklären,
Österreich werde ein Fürsten- und Volkshans nach Frankfurt berufen, um
mit dem deutschen Kaiser die Reichsverfassung zu beraten, vielleicht würde er
mit einiger Energie und Konsequenz den Ausschluß Österreichs aus Deutsch¬
land noch verhindert haben. Jedenfalls würden die deutschen Fürsten und
Völker gewußt haben, woran sie waren. Was konnte es helfen, daß vierund-
zwauzig deutsche Regierungen diese», lahme» Reformprvjekte ihre Zllstimmuug
gaben?" König Wilhelm hatte es auf Bismarcks eruste, dringende Warnung
nicht mit beraten »ut sagte dann nein dazu, und damit fiel die Sache zu
Boden. „Das Resultat aber dieses vergeblichen Versuchs ........ fährt der Ver¬
sasser fort — war ein beklagenswertes. Österreich selbst hatte den Bund in
seiner damaligen Gestalt für hinfällig und unhaltbar erklärt, also die alte
Maschine zerbrochen, ehe eine neue hergestellt war, und es hatte amtlich die
llnversöhulichkeit des Gegensatzes konstatirt, welcher die beide» Großmächte
trennte." Bald darauf wurde die dänische Frage brennend. Bismarck ver¬
folgte dabei von Anfang an klare Zwecke und hatte von seinem Standpunkte
vollkommen recht, sie nicht als rein deutsche, sondern als europäische z» be¬
handeln; Rechberg dagegen handelte im Interesse Österreichs unklug, wenn er
den Bundestag, „ein österreichisches Institut," preisgab und unt Preuße» gi»g.
„Als jedoch Österreich und Preußen, nachdem sie die Angelegenheit als errp-


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[0091] Beoliachtuiigen und Urteile eines sächsischen Diplomaten aufgegangen, welche thatkräftige Regenten ausgestreut hatten. Ein eigen¬ artiger, zäher Partikularismus war unter der militärischen eisernen Zucht er¬ starkt. Nächst diesen ans der Hand liegenden Gründen würde jedoch Carlhle noch einen betont haben, jWarum nur Carlyle, nicht auch Graf Bitzthum, der es hier doch mittelbar anerkennt?! Der schottische Seher und Hohepriester des Heroenkultus würde den Hauptgrund, warum Preußen den Sieg davon¬ trug, in dein Umstände gesucht haben, daß der einzige Staatsmann, den unsere Zeit geboren, in Preußen und nicht in Österreich das Licht der Welt erblickt hat." Als Nechberg sich 180/! entschloß, den von andrer Seite angeregten Gedanken eines Fürstentages zur Reform des dentschen Bundes seinem Kaiser zur Ausführung zu empfehlen, war es erstens zu spät; denn Bismarck hatte jetzt „mit kräftiger Hand die Leitung des preußischen Staates übernommen und vereitelte die Bestrebungen des kaiserlichen Kabinets." Dann aber „gab man sich in Wien mit seinem Nefvrmprojette »och immer den Jllnsivne» hin, die dein Bundesvertrage von zu Grunde gelegen hatten. Ein sechsköpfiges Direktorium, el» künstlicher, den wirklichen Acachtverhältnissen nicht entsprechender Abstimmnngsmodns und die beschränkte Beteiligung einer ans allen Kammern der einzelnen Staaten hervorgegangenen Delegirtenversammlung, das war in der Hauptsache alles, was Rechberg der Nation zur Befriedigung ihrer Wünsche zu bieten hatte. Es war der Bundestag röckivivu», nnr verwickelter, schwerfälliger gestaltet. Hätte er die Sache ernstlich erwogen und, zum Handeln entschlossen, gewagt, den Kaiser auszuspielen und sofort zu erklären, Österreich werde ein Fürsten- und Volkshans nach Frankfurt berufen, um mit dem deutschen Kaiser die Reichsverfassung zu beraten, vielleicht würde er mit einiger Energie und Konsequenz den Ausschluß Österreichs aus Deutsch¬ land noch verhindert haben. Jedenfalls würden die deutschen Fürsten und Völker gewußt haben, woran sie waren. Was konnte es helfen, daß vierund- zwauzig deutsche Regierungen diese», lahme» Reformprvjekte ihre Zllstimmuug gaben?" König Wilhelm hatte es auf Bismarcks eruste, dringende Warnung nicht mit beraten »ut sagte dann nein dazu, und damit fiel die Sache zu Boden. „Das Resultat aber dieses vergeblichen Versuchs ........ fährt der Ver¬ sasser fort — war ein beklagenswertes. Österreich selbst hatte den Bund in seiner damaligen Gestalt für hinfällig und unhaltbar erklärt, also die alte Maschine zerbrochen, ehe eine neue hergestellt war, und es hatte amtlich die llnversöhulichkeit des Gegensatzes konstatirt, welcher die beide» Großmächte trennte." Bald darauf wurde die dänische Frage brennend. Bismarck ver¬ folgte dabei von Anfang an klare Zwecke und hatte von seinem Standpunkte vollkommen recht, sie nicht als rein deutsche, sondern als europäische z» be¬ handeln; Rechberg dagegen handelte im Interesse Österreichs unklug, wenn er den Bundestag, „ein österreichisches Institut," preisgab und unt Preuße» gi»g. „Als jedoch Österreich und Preußen, nachdem sie die Angelegenheit als errp-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/91>, abgerufen am 23.07.2024.