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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Beobachtungen und Urteile eines sächsischen Diplomaten

Frankreichs und Rußlands versicherte. Mit solchen Hintergedanken war die
spezifisch Preußische soir sagen lieber- scheinbar preußische, im letzten Grunde
wahrhaft deutsches Politik, die er empfahl, verständlich und logisch. Wer je
verständlicher und logischer für Preußen, desto unverständlicher und unlogischer
war diese Politik für die deutschen Mittelstaaten, Das Schreckbild des allge-
weinen Krieges, wie dein Bismarck sie einschüchterte und seinen Zwecken dienstbar
machte, verschwand, wenn der Kriwkrieg unmöglich gewacht wurde. Sie wollten
die Erhaltung des Bundes und das Verbleiben Österreichs in demselben, weil
sie darin wie Recht die Bürgschaft für ihre eigne Souveränität und Existenz
erblickten. Preußen konnte nur gewinnen, wenn die Elemente in Fluß kamen,
England, Frankreich und Rußland sich in einem unsinnigen Kriege abschwächten,
vor allem aber Osterreich in Verlegenheit geriet, durch die seine Macht und
ein Ansehen die schwersten Einbußen erleide" mußten. Es gelang Bismarck,
die Mittelstaaten in dieser Frage von Österreich zu trennen, und das war der
Anfang vom Ende des deutschen Bundes und der vollen Souveränität, ans
welche Baiern, Sachsen, Hannover und Württemberg so großen Wert legten."

Es folgte nnn der italienische Krieg. Er hatte für Österreich eine Nieder-
lage und Verluste zur Folge, aber trotzdem war dessen Ansehen in Deutschland
klein) keineswegs schon gebrochen, ja von den beiden Parteien, die sich seit 1^4^
gebildet hatten, der großdeutschen, welche die österreichische, und der kleindentschen,
welche die preußische Hegemonie verlangte und Österreich aus dem Verbände
mit Deutschland entfernt sehen wollte, während jene es mit seinen sämtlichen
Provinzen herein zu haben wünschte, war erstere die stärkere, "Im Jahre klein)
leiteten Politiker zweiten und dritten Ranges die Geschäfte, und in Berlin waren
Ideen ebenso wenig zu finden als in Wien, Die sensationelle Depesche, in der
Graf Bernstorff im Dezember ILtN den Beruf Preußens zur Lösung des
deutschen Problems besprach, scheiterte an deu identische" Noten, mit denen
Osterreich und die Mittelstaate" diese" Anspruch zurückwiesen. Ebenso er¬
folglos blieb ein späterer Versuch Beusts, mit einem Vorschlag zur Reform
des Bundes das deutsche Sphiuxrätsel zu lösen." Die Triasidee nennt
Graf Vitzthum "eine totgeborue Chimäre," aber auch das großdentsche Pro-
graun", das er damals, wie wir sehen, durchaus auf Österreichs Seite stehend,
als Privatarbeit entwarf, hatte wie alles ähnliche wenig Aussicht auf Ver¬
wirklichung. Fragen wir warum, so antwortet der Verfasser: "In Österreich
Ware" die Grundfeste" der habsburgisch-lothringischen Hausmacht erschüttert,
die stolze Überlieferung von der genialen Maria Theresia verloren, tvllgewvrdne
Nationalitäten hatten in der babylonischen Sprachverwirrung jener Tage ver¬
gessen, daß sie sämtlich den Bildungsgrad, den sie erreicht, der deutschen Gesittung
und Sprache sonne dem deutschen Herrscherhause verdankte", welches das einzige
Einheitsbaud bildete und noch bildet. In Preuße" war anderseits nach der
Katastrophe von Jena während der oentschen Befreiungskriege die Zuknuftssaat


Beobachtungen und Urteile eines sächsischen Diplomaten

Frankreichs und Rußlands versicherte. Mit solchen Hintergedanken war die
spezifisch Preußische soir sagen lieber- scheinbar preußische, im letzten Grunde
wahrhaft deutsches Politik, die er empfahl, verständlich und logisch. Wer je
verständlicher und logischer für Preußen, desto unverständlicher und unlogischer
war diese Politik für die deutschen Mittelstaaten, Das Schreckbild des allge-
weinen Krieges, wie dein Bismarck sie einschüchterte und seinen Zwecken dienstbar
machte, verschwand, wenn der Kriwkrieg unmöglich gewacht wurde. Sie wollten
die Erhaltung des Bundes und das Verbleiben Österreichs in demselben, weil
sie darin wie Recht die Bürgschaft für ihre eigne Souveränität und Existenz
erblickten. Preußen konnte nur gewinnen, wenn die Elemente in Fluß kamen,
England, Frankreich und Rußland sich in einem unsinnigen Kriege abschwächten,
vor allem aber Osterreich in Verlegenheit geriet, durch die seine Macht und
ein Ansehen die schwersten Einbußen erleide» mußten. Es gelang Bismarck,
die Mittelstaaten in dieser Frage von Österreich zu trennen, und das war der
Anfang vom Ende des deutschen Bundes und der vollen Souveränität, ans
welche Baiern, Sachsen, Hannover und Württemberg so großen Wert legten."

Es folgte nnn der italienische Krieg. Er hatte für Österreich eine Nieder-
lage und Verluste zur Folge, aber trotzdem war dessen Ansehen in Deutschland
klein) keineswegs schon gebrochen, ja von den beiden Parteien, die sich seit 1^4^
gebildet hatten, der großdeutschen, welche die österreichische, und der kleindentschen,
welche die preußische Hegemonie verlangte und Österreich aus dem Verbände
mit Deutschland entfernt sehen wollte, während jene es mit seinen sämtlichen
Provinzen herein zu haben wünschte, war erstere die stärkere, „Im Jahre klein)
leiteten Politiker zweiten und dritten Ranges die Geschäfte, und in Berlin waren
Ideen ebenso wenig zu finden als in Wien, Die sensationelle Depesche, in der
Graf Bernstorff im Dezember ILtN den Beruf Preußens zur Lösung des
deutschen Problems besprach, scheiterte an deu identische» Noten, mit denen
Osterreich und die Mittelstaate» diese» Anspruch zurückwiesen. Ebenso er¬
folglos blieb ein späterer Versuch Beusts, mit einem Vorschlag zur Reform
des Bundes das deutsche Sphiuxrätsel zu lösen." Die Triasidee nennt
Graf Vitzthum „eine totgeborue Chimäre," aber auch das großdentsche Pro-
graun», das er damals, wie wir sehen, durchaus auf Österreichs Seite stehend,
als Privatarbeit entwarf, hatte wie alles ähnliche wenig Aussicht auf Ver¬
wirklichung. Fragen wir warum, so antwortet der Verfasser: „In Österreich
Ware» die Grundfeste» der habsburgisch-lothringischen Hausmacht erschüttert,
die stolze Überlieferung von der genialen Maria Theresia verloren, tvllgewvrdne
Nationalitäten hatten in der babylonischen Sprachverwirrung jener Tage ver¬
gessen, daß sie sämtlich den Bildungsgrad, den sie erreicht, der deutschen Gesittung
und Sprache sonne dem deutschen Herrscherhause verdankte», welches das einzige
Einheitsbaud bildete und noch bildet. In Preuße» war anderseits nach der
Katastrophe von Jena während der oentschen Befreiungskriege die Zuknuftssaat


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/90>, abgerufen am 25.08.2024.