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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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werden." In einer spätern Bekanntmachung (vom 8. August 1814) macht er
auf das unschickliche Betragen aufmerksam, das darin liege, "wenn 6, 8 bis
10 Personen auf Straßen und öffentlichen Spaziergängen Arm in Arm zu¬
sammen gehen," und in der Michaelismesse 1814 warnt er wieder vor dein
leichtsinnigen Gebahren mit Feuer und Licht, vor Dieben, Betrügern und
schlechtem Gesindel -- "für diese nachtheilige Classe kann man nie genug Sorge
tragen" ^, vor schnellem Fahren, aber auch vor dem Stehenlassen leerer
Wagen auf den Straßen und vor der Erledigung von Meßgeschäften mitten
auf der Straße, "wo der Tiefsinn der Contrahenten denen Fußgängern wie
denen Fahrenden hinderlich ist, und ihnen selbst die Stöhrung auch nicht an¬
genehm sein muß." Am Schlüsse heißt es: "Bei vorkommenden Excessen sind
die eingebrachten Thäter immer gleich zu mir zu bringen, um selbe jener Be¬
hörde, welche zu richten hat, zustellen zu lassen, überhaupt kann sich jeder
Hilfsbedürftige bei Tag und Nacht an mich verwenden, denn gute Bürger und
Fremde müssen unterstützt, Diebe und Exeessenmacher aber ans das strengste
verfolgt werden."

Beim Herannahe" des Frühlings nimmt er sich der Promenaden an.
"Leipzigs Promenaden vor denen Stadtthoren waren sonst in dein blühendsten
Zustande und gewährten den Einheimischen sowie dem Fremden manchen
trefflichen Genuß in der freien Natur! Da uun diese schönen, unter wahre
Seltenheiten zu rechnenden Anlagen durch die unvermeidlichen übeln Folgen
des Kriegs ungemein verwüstet worden sind, sich aber eben jetzt die Zeit
nähert, wo hin und wieder, so weit es die jetzigen Zeitverhältnisse gestatten,
etwas wieder hergestellt oder wenigstens eine noch größere Verwüstung ver¬
mieden werden kann, so wird hierdurch von mir aufs strengste untersagt" --
und nun folgt eine Anzahl von Vorschriften zum Schutze der Promenaden.

Im April 1814 fand eine Bilderausstellung in Leipzig statt. Sofort ist
er wieder mit einer Reihe von Anstandsvorschriften bei der Hand. "1. Manns¬
personen legen ihre Hüte, Stöcke, Regenschirme, Mäntel mit großen Krage"
und alles, wodurch sie den Gemälden zu nahe kommen könnten, vor den Ge-
mnldezimmern in der dazu bestimmten Garderobe ab. Derselbe Fall ist bei deu
Damen mit Spur- und Regenschirmen. Die Herrn Officiers werden aus
Achtung für die Künste auch ihre Degen so lange auf die Seite stellen, als
sie in den Geinäldezimmern sich umsehen. 2. Sämmtliche Damen und Herren
werdeu vorher so viel als möglich die Füße auf den bereit stehenden Fu߬
bürsten reinigen. 3. Hunde dürfen durchaus nicht mitgebracht werdeu. 4. Ebenso
wenig kann das Rauchen von Cignrros oder wohl gar von Tabakspfeifen statt¬
finden. 5. Die von grünem Bande gezogenen Linien bezeichnen, wie weit es
erlnnbt ist, sich den Gemälden zu nähern. 6. Gemälde abnehmen zu wollen,
dieselben anzugreifen oder wohl gar mit feuchten Fingern darauf zu wische",
ist durchaus verboten."


werden." In einer spätern Bekanntmachung (vom 8. August 1814) macht er
auf das unschickliche Betragen aufmerksam, das darin liege, „wenn 6, 8 bis
10 Personen auf Straßen und öffentlichen Spaziergängen Arm in Arm zu¬
sammen gehen," und in der Michaelismesse 1814 warnt er wieder vor dein
leichtsinnigen Gebahren mit Feuer und Licht, vor Dieben, Betrügern und
schlechtem Gesindel — „für diese nachtheilige Classe kann man nie genug Sorge
tragen" ^, vor schnellem Fahren, aber auch vor dem Stehenlassen leerer
Wagen auf den Straßen und vor der Erledigung von Meßgeschäften mitten
auf der Straße, „wo der Tiefsinn der Contrahenten denen Fußgängern wie
denen Fahrenden hinderlich ist, und ihnen selbst die Stöhrung auch nicht an¬
genehm sein muß." Am Schlüsse heißt es: „Bei vorkommenden Excessen sind
die eingebrachten Thäter immer gleich zu mir zu bringen, um selbe jener Be¬
hörde, welche zu richten hat, zustellen zu lassen, überhaupt kann sich jeder
Hilfsbedürftige bei Tag und Nacht an mich verwenden, denn gute Bürger und
Fremde müssen unterstützt, Diebe und Exeessenmacher aber ans das strengste
verfolgt werden."

Beim Herannahe» des Frühlings nimmt er sich der Promenaden an.
„Leipzigs Promenaden vor denen Stadtthoren waren sonst in dein blühendsten
Zustande und gewährten den Einheimischen sowie dem Fremden manchen
trefflichen Genuß in der freien Natur! Da uun diese schönen, unter wahre
Seltenheiten zu rechnenden Anlagen durch die unvermeidlichen übeln Folgen
des Kriegs ungemein verwüstet worden sind, sich aber eben jetzt die Zeit
nähert, wo hin und wieder, so weit es die jetzigen Zeitverhältnisse gestatten,
etwas wieder hergestellt oder wenigstens eine noch größere Verwüstung ver¬
mieden werden kann, so wird hierdurch von mir aufs strengste untersagt" —
und nun folgt eine Anzahl von Vorschriften zum Schutze der Promenaden.

Im April 1814 fand eine Bilderausstellung in Leipzig statt. Sofort ist
er wieder mit einer Reihe von Anstandsvorschriften bei der Hand. „1. Manns¬
personen legen ihre Hüte, Stöcke, Regenschirme, Mäntel mit großen Krage»
und alles, wodurch sie den Gemälden zu nahe kommen könnten, vor den Ge-
mnldezimmern in der dazu bestimmten Garderobe ab. Derselbe Fall ist bei deu
Damen mit Spur- und Regenschirmen. Die Herrn Officiers werden aus
Achtung für die Künste auch ihre Degen so lange auf die Seite stellen, als
sie in den Geinäldezimmern sich umsehen. 2. Sämmtliche Damen und Herren
werdeu vorher so viel als möglich die Füße auf den bereit stehenden Fu߬
bürsten reinigen. 3. Hunde dürfen durchaus nicht mitgebracht werdeu. 4. Ebenso
wenig kann das Rauchen von Cignrros oder wohl gar von Tabakspfeifen statt¬
finden. 5. Die von grünem Bande gezogenen Linien bezeichnen, wie weit es
erlnnbt ist, sich den Gemälden zu nähern. 6. Gemälde abnehmen zu wollen,
dieselben anzugreifen oder wohl gar mit feuchten Fingern darauf zu wische»,
ist durchaus verboten."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/511>, abgerufen am 23.07.2024.