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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Gin Original aus den Befreiungskriegen

20. Dezember veröffentlicht er sogar einen Theaterukas: "Ich ersuche jedermann
ohne Ausnahme nach Stand und Gebühr, sich im Theater alles Lärmens und
Pvchens zu enthalten, das gesellschaftliche Vergnügen nicht zu stören, beim
Applaudiren sich nicht zu übernehmen, auch dürfen keine kleine Kinder in diese
Gesellschaft gebracht werden." Ein paar Monate später, am Z.März, hat er
nochmals wegen des Theaters Wünsche, die er in eine "Theatererinnerung"
von vier Abschnitten zusammenfaßt: "1. Sobald die Gardine aufgezogen wird,
hat die äußerste Ruhe zu herrschen. Niemand männlichen Geschlechts darf
Mütze oder Huth auf den Kopf behalten. 2. Auf die Bühne, in die Garderobe,
hinter den Coulissen darf niemand kommen, welchem von dem Entrepreneur
nicht das Recht dazu eingeräumt ist. Während dem Act, wenn jemand ans
dem Parterre oder aus der Loge gehen will, so hat selbiges mit aller Be¬
scheidenheit zu geschehen, das rasche Zuschlagen der Thüren, der Logen, das
unbescheidene Auftreten wird der Bescheidene für sich unterlassen. 4. Überhaupt
empfehle ich jedermann jene Theatergesetze, welche in allen Theatern von Europa
die nämlichen siud."

Eine fürchterliche Drohung läßt er am 22. Dezember gegen Diebstahls¬
hehler ergehen: "Es ist erwiesen, daß, wenn Diebe für die gestohlnen Sachen
keine Abnehmer finden, daß Diebstähle viel seltner würden. Unter jenen Ab¬
nehmern verstehe ich auch die hier sogenannten Trödlers, bei denen schon
mancher Dieb seinen Absatz gefunden hat. Sollten alle vorhergegangene Er¬
innerungen noch immerhin fruchtlos sein, so nehme jeder Trödler, welcher sich
im Ankauf gestohlener Sachen für schuldig betreten läßt, die Versicherung, daß
selber in seine Trödlerhütte gesteckt und sammt seinen Effecten verbraunt
werden wird."

In der Neujahrsmesse trifft er die Verfügung, daß Sountngs von
10 Uhr an alle Kaufleute ihre Gewölbe und Buden sollen offen halten dürfen,
"da nicht jedermann übrige Zeit hat, seine Bedürfnisse an Tagen der Woche,
welche meistens dem allerhöchstem Herrndienste gewidmet werden müssen, ein¬
zukaufen" -- eine Anspielung auf das Sprichwort: Herrendienst geht vor
Gottesdienst.

Wiederholt ist er dafür besorgt, Verkehrshemmuisfe aus dein Wege zu
räumen. Am 6. Februar schreibt er: "Weit entfernt, jemand in seinen Ge¬
schäften zu stöhren, sondern nur jeden sein Recht zu unterstützen, erinnere ich
ohne allen Nachdruck, daß in allen Straßen der Stadt stets so viel Raum
frei bleiben muß, damit jedermann ungehindert gehen, reiten und fahren
kann; werden dieser meiner Anordnung zuwider Wagens quer in denen Straßen
betroffen und mir angezeigt, so werden selbe confiscire, und ohne Rücksicht
wird der Kaufmann oder Gastwirth, bei dem selbe abladen sollen oder Einkehr
haben, in die Armencasse jene Summe bezahlen, welche ich bestimmen werde.
Allgemeine Ordnung kann am füglichsten durch allgemeine Mitwirkung erhalten


Gin Original aus den Befreiungskriegen

20. Dezember veröffentlicht er sogar einen Theaterukas: „Ich ersuche jedermann
ohne Ausnahme nach Stand und Gebühr, sich im Theater alles Lärmens und
Pvchens zu enthalten, das gesellschaftliche Vergnügen nicht zu stören, beim
Applaudiren sich nicht zu übernehmen, auch dürfen keine kleine Kinder in diese
Gesellschaft gebracht werden." Ein paar Monate später, am Z.März, hat er
nochmals wegen des Theaters Wünsche, die er in eine „Theatererinnerung"
von vier Abschnitten zusammenfaßt: „1. Sobald die Gardine aufgezogen wird,
hat die äußerste Ruhe zu herrschen. Niemand männlichen Geschlechts darf
Mütze oder Huth auf den Kopf behalten. 2. Auf die Bühne, in die Garderobe,
hinter den Coulissen darf niemand kommen, welchem von dem Entrepreneur
nicht das Recht dazu eingeräumt ist. Während dem Act, wenn jemand ans
dem Parterre oder aus der Loge gehen will, so hat selbiges mit aller Be¬
scheidenheit zu geschehen, das rasche Zuschlagen der Thüren, der Logen, das
unbescheidene Auftreten wird der Bescheidene für sich unterlassen. 4. Überhaupt
empfehle ich jedermann jene Theatergesetze, welche in allen Theatern von Europa
die nämlichen siud."

Eine fürchterliche Drohung läßt er am 22. Dezember gegen Diebstahls¬
hehler ergehen: „Es ist erwiesen, daß, wenn Diebe für die gestohlnen Sachen
keine Abnehmer finden, daß Diebstähle viel seltner würden. Unter jenen Ab¬
nehmern verstehe ich auch die hier sogenannten Trödlers, bei denen schon
mancher Dieb seinen Absatz gefunden hat. Sollten alle vorhergegangene Er¬
innerungen noch immerhin fruchtlos sein, so nehme jeder Trödler, welcher sich
im Ankauf gestohlener Sachen für schuldig betreten läßt, die Versicherung, daß
selber in seine Trödlerhütte gesteckt und sammt seinen Effecten verbraunt
werden wird."

In der Neujahrsmesse trifft er die Verfügung, daß Sountngs von
10 Uhr an alle Kaufleute ihre Gewölbe und Buden sollen offen halten dürfen,
„da nicht jedermann übrige Zeit hat, seine Bedürfnisse an Tagen der Woche,
welche meistens dem allerhöchstem Herrndienste gewidmet werden müssen, ein¬
zukaufen" — eine Anspielung auf das Sprichwort: Herrendienst geht vor
Gottesdienst.

Wiederholt ist er dafür besorgt, Verkehrshemmuisfe aus dein Wege zu
räumen. Am 6. Februar schreibt er: „Weit entfernt, jemand in seinen Ge¬
schäften zu stöhren, sondern nur jeden sein Recht zu unterstützen, erinnere ich
ohne allen Nachdruck, daß in allen Straßen der Stadt stets so viel Raum
frei bleiben muß, damit jedermann ungehindert gehen, reiten und fahren
kann; werden dieser meiner Anordnung zuwider Wagens quer in denen Straßen
betroffen und mir angezeigt, so werden selbe confiscire, und ohne Rücksicht
wird der Kaufmann oder Gastwirth, bei dem selbe abladen sollen oder Einkehr
haben, in die Armencasse jene Summe bezahlen, welche ich bestimmen werde.
Allgemeine Ordnung kann am füglichsten durch allgemeine Mitwirkung erhalten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/510>, abgerufen am 23.07.2024.