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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Ein Original ans den Befreiungskriegen

In den ersten Monaten nach der Schlacht, so lange Lazarethe in der
Stadt waren, war das Tabak- und Zigarrenrauchen auf den Straßen, das
damals noch allgemein verboten war, geduldet worden, wie Prendel schreibt:
"als ideales Gesundheitsmittel nachsichtlich gestattet, aber nicht erlaubt." Von
Ende April an führt er wieder streug das Verbot durch, da jetzt "keine Nach¬
sicht mehr nöthig" sei und "alles wieder in die alte gute Ordnung" trete.

Beim Herannahen der Jagdzeit, Ende Juli, nimmt er sich wieder der
Landesgesetze an: "Sollte sich der Fall ereignen, daß jemand durch Hinten¬
setzung der Gesetze das unerlaubte Jagen unternimmt, so hat sich jeder die
unangenehmen Folgen, welche daraus entstehen müssen, nur selbst Anzuschreiben,
und wird ihm nirgends Recht zuerkannt werden können, falls seine Hunde
verloren gehen."

Endlich bezieht sich auch eine Reihe seiner Erlasse ans Festlichkeiten in
der Stadt. Ende Januar 1814 kam die russische Kaiserin nach Leipzig. Da macht
er bekannt: "Leipziger! Euer guter Wille bürgt mir dafür, daß am Tage
der Ankunft Ihrer Majestät, als auch während Höchstihres hiesigen Aufent¬
halts jeder Einzelne seine fühlende Ehrfurcht für die große Monarchin, für die
Gemahlin jenes Kaisers, welcher den Grundstein zur Befreiung Europens ge¬
legt hat, nach Möglichkeit an den Tag legen wird. Bewohner der Stadt
Leipzig! Das schönste Fest verliert, wenn der Frohsinn dnrch Unordnung
gestört wird; daher keine Drohung von Strafen, sondern nehmt meine Bitte,
seid froh und lustig, alles in Ordnung sei euch gestattet, nur lasse sich jeder
angelegen sein, was Ruhe stören könnte, zu unterlassen und zu hindern."
Am 3. August 1814 wurde der Geburtstag des preußischen Königs gefeiert
und zugleich der Namenstag der verwitweten russischen Kaiserin und der mit
dem Erbprinzen von Weimar vermählte" russischen Großfürstin Paulowna.
Da ordnet er in Verbindung mit dein Kommandanten der preußischen Ange¬
legenheiten, Major von Stafscld, an, daß am Vorabend des Festtages ebenso
wie am Festtage selbst 101 Kanonenschüsse abgefeuert und alle Glocken gelautet
werdeu sollen, am Vorabend außerdem die Stadt erleuchtet, am Festtage selbst
eine Kirchenparade abgehalten und abends auf der Funkenburg ein glänzendes
Feuerwerk abgebrannt werden soll, ,,wo ein jeder als Eintrittsgeld erlegen kaun,
so viel er will. Der Ertrag ist für die Armen bestimmt, und ich weiß gewiß,
daß diese den Tag tausendfach segnen werden, denn ich kenne die Wohlthätigkeit
der Leipziger." Am Schlüsse schreibt er: "Noch bei keinem öffentlichen Feste
durfte ich Maßregeln zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung ergreifen, nie
durfte ich den freien Willen beschränken, denn er wurde noch nie gemißbraucht.
Leipziger! rechtfertigt auch diesmal mein Vertrauen und zeigt, daß ihr gerne
lustig und froh, aber auch ordnungsliebende Bürger seid." Am 11. September
1814 war der Namenstag des rassischen Kaisers. Da macht er bekannt:
,,Viele Einwohner Leipzigs fragen bei mir an, auf welche Weise ich diesen


Ein Original ans den Befreiungskriegen

In den ersten Monaten nach der Schlacht, so lange Lazarethe in der
Stadt waren, war das Tabak- und Zigarrenrauchen auf den Straßen, das
damals noch allgemein verboten war, geduldet worden, wie Prendel schreibt:
„als ideales Gesundheitsmittel nachsichtlich gestattet, aber nicht erlaubt." Von
Ende April an führt er wieder streug das Verbot durch, da jetzt „keine Nach¬
sicht mehr nöthig" sei und „alles wieder in die alte gute Ordnung" trete.

Beim Herannahen der Jagdzeit, Ende Juli, nimmt er sich wieder der
Landesgesetze an: „Sollte sich der Fall ereignen, daß jemand durch Hinten¬
setzung der Gesetze das unerlaubte Jagen unternimmt, so hat sich jeder die
unangenehmen Folgen, welche daraus entstehen müssen, nur selbst Anzuschreiben,
und wird ihm nirgends Recht zuerkannt werden können, falls seine Hunde
verloren gehen."

Endlich bezieht sich auch eine Reihe seiner Erlasse ans Festlichkeiten in
der Stadt. Ende Januar 1814 kam die russische Kaiserin nach Leipzig. Da macht
er bekannt: „Leipziger! Euer guter Wille bürgt mir dafür, daß am Tage
der Ankunft Ihrer Majestät, als auch während Höchstihres hiesigen Aufent¬
halts jeder Einzelne seine fühlende Ehrfurcht für die große Monarchin, für die
Gemahlin jenes Kaisers, welcher den Grundstein zur Befreiung Europens ge¬
legt hat, nach Möglichkeit an den Tag legen wird. Bewohner der Stadt
Leipzig! Das schönste Fest verliert, wenn der Frohsinn dnrch Unordnung
gestört wird; daher keine Drohung von Strafen, sondern nehmt meine Bitte,
seid froh und lustig, alles in Ordnung sei euch gestattet, nur lasse sich jeder
angelegen sein, was Ruhe stören könnte, zu unterlassen und zu hindern."
Am 3. August 1814 wurde der Geburtstag des preußischen Königs gefeiert
und zugleich der Namenstag der verwitweten russischen Kaiserin und der mit
dem Erbprinzen von Weimar vermählte» russischen Großfürstin Paulowna.
Da ordnet er in Verbindung mit dein Kommandanten der preußischen Ange¬
legenheiten, Major von Stafscld, an, daß am Vorabend des Festtages ebenso
wie am Festtage selbst 101 Kanonenschüsse abgefeuert und alle Glocken gelautet
werdeu sollen, am Vorabend außerdem die Stadt erleuchtet, am Festtage selbst
eine Kirchenparade abgehalten und abends auf der Funkenburg ein glänzendes
Feuerwerk abgebrannt werden soll, ,,wo ein jeder als Eintrittsgeld erlegen kaun,
so viel er will. Der Ertrag ist für die Armen bestimmt, und ich weiß gewiß,
daß diese den Tag tausendfach segnen werden, denn ich kenne die Wohlthätigkeit
der Leipziger." Am Schlüsse schreibt er: „Noch bei keinem öffentlichen Feste
durfte ich Maßregeln zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung ergreifen, nie
durfte ich den freien Willen beschränken, denn er wurde noch nie gemißbraucht.
Leipziger! rechtfertigt auch diesmal mein Vertrauen und zeigt, daß ihr gerne
lustig und froh, aber auch ordnungsliebende Bürger seid." Am 11. September
1814 war der Namenstag des rassischen Kaisers. Da macht er bekannt:
,,Viele Einwohner Leipzigs fragen bei mir an, auf welche Weise ich diesen


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[0512] Ein Original ans den Befreiungskriegen In den ersten Monaten nach der Schlacht, so lange Lazarethe in der Stadt waren, war das Tabak- und Zigarrenrauchen auf den Straßen, das damals noch allgemein verboten war, geduldet worden, wie Prendel schreibt: „als ideales Gesundheitsmittel nachsichtlich gestattet, aber nicht erlaubt." Von Ende April an führt er wieder streug das Verbot durch, da jetzt „keine Nach¬ sicht mehr nöthig" sei und „alles wieder in die alte gute Ordnung" trete. Beim Herannahen der Jagdzeit, Ende Juli, nimmt er sich wieder der Landesgesetze an: „Sollte sich der Fall ereignen, daß jemand durch Hinten¬ setzung der Gesetze das unerlaubte Jagen unternimmt, so hat sich jeder die unangenehmen Folgen, welche daraus entstehen müssen, nur selbst Anzuschreiben, und wird ihm nirgends Recht zuerkannt werden können, falls seine Hunde verloren gehen." Endlich bezieht sich auch eine Reihe seiner Erlasse ans Festlichkeiten in der Stadt. Ende Januar 1814 kam die russische Kaiserin nach Leipzig. Da macht er bekannt: „Leipziger! Euer guter Wille bürgt mir dafür, daß am Tage der Ankunft Ihrer Majestät, als auch während Höchstihres hiesigen Aufent¬ halts jeder Einzelne seine fühlende Ehrfurcht für die große Monarchin, für die Gemahlin jenes Kaisers, welcher den Grundstein zur Befreiung Europens ge¬ legt hat, nach Möglichkeit an den Tag legen wird. Bewohner der Stadt Leipzig! Das schönste Fest verliert, wenn der Frohsinn dnrch Unordnung gestört wird; daher keine Drohung von Strafen, sondern nehmt meine Bitte, seid froh und lustig, alles in Ordnung sei euch gestattet, nur lasse sich jeder angelegen sein, was Ruhe stören könnte, zu unterlassen und zu hindern." Am 3. August 1814 wurde der Geburtstag des preußischen Königs gefeiert und zugleich der Namenstag der verwitweten russischen Kaiserin und der mit dem Erbprinzen von Weimar vermählte» russischen Großfürstin Paulowna. Da ordnet er in Verbindung mit dein Kommandanten der preußischen Ange¬ legenheiten, Major von Stafscld, an, daß am Vorabend des Festtages ebenso wie am Festtage selbst 101 Kanonenschüsse abgefeuert und alle Glocken gelautet werdeu sollen, am Vorabend außerdem die Stadt erleuchtet, am Festtage selbst eine Kirchenparade abgehalten und abends auf der Funkenburg ein glänzendes Feuerwerk abgebrannt werden soll, ,,wo ein jeder als Eintrittsgeld erlegen kaun, so viel er will. Der Ertrag ist für die Armen bestimmt, und ich weiß gewiß, daß diese den Tag tausendfach segnen werden, denn ich kenne die Wohlthätigkeit der Leipziger." Am Schlüsse schreibt er: „Noch bei keinem öffentlichen Feste durfte ich Maßregeln zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung ergreifen, nie durfte ich den freien Willen beschränken, denn er wurde noch nie gemißbraucht. Leipziger! rechtfertigt auch diesmal mein Vertrauen und zeigt, daß ihr gerne lustig und froh, aber auch ordnungsliebende Bürger seid." Am 11. September 1814 war der Namenstag des rassischen Kaisers. Da macht er bekannt: ,,Viele Einwohner Leipzigs fragen bei mir an, auf welche Weise ich diesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/512>, abgerufen am 23.07.2024.