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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Gin Griginal ans den Befreiungskriegen

"Mit wahrem Mißfallen bringe ich in Erfahrung, daß man meine Anordnung,
in Betreff, daß sich Abends nach 10 Uhr niemand unnöthiger Weise auf denen
Straßen betreffen lassen soll, ganz irrig auseinander setzt. Meine Verfügung
gehet nicht dahin, das gesellschaftliche Leben zu stören, Geschäfte zu hindern,
Wohl aber die unnöthigen Herumläufer nicht nnr in Schranken zu halten, sondern
selbe habhaft zu werdeu. Ich werde meine vorangegangene Anordnung mit
Strenge verfolgen, hingegen auch die Verfügung treffen, daß jedermann, welcher
Ruhe und Ordnung liebt, zu jeder Zeit sicher und ungehindert zu jeder Stunde
alle Straßen Passiren kann."

Aber anch noch in unteren Sinne ist er für Aufrechterhaltung der Ruhe
besorgt. "Ich habe bemerkt -- schreibt er am 10. November --, daß bei der
geringsten Gelegenheit eines Wortwechsels ans den Straßen das Volk in Haufen
znsninmenströmt, dies ist gegen jeden Anstand, gegen jede Ordnung, ich er¬
wähne also, wenn bei dergleichen Fällen jemanden eine Unannehmlichkeit
widerfährt, so wird sich jeder es selbst zuzuschreiben haben." Am 19. No¬
vember: "Ich habe gestern in denen Gemüthern der Bewohner Leipzigs eine
Unrnhe bemerkt, welche mir nicht lieb war. Es ist ein Beweis, wie wenig
Zutrauen man in mich setzt, und wie wenig man bedenkt, daß so viele schwer
blessirte Officiers und andre Kranke hier liegen, ans dessen Nerven, bei der
größten Geistesstärke, ein unnöthiger, unüberlegter Allarm Einfluß haben kann.
Ich erinnere daher, daß sich jedermann bei jeder Gelegenheit enthalten soll,
falsche Gerüchte zu verbreiten, indem der hierin betreten werdende exemplarisch
bestraft und als ein Ruhestörer bekannt gemacht werden wird."

Allmählich erstreckt sich seine Fürsorge aber immer weiter. Am l>. De¬
zember macht er bekannt, daß "den Verfügungen eiues hohen Generalgouverne¬
ments zufolge alle Gesetze hiesiger Lande, welche nicht aufgehoben oder abge¬
ändert sind, ohne Ausnahme in ihrer vollen Kraft fortbestehen sollen." Die
nächste Anwendung davon macht er auf das Hazardspiel, das er streug ver¬
bietet. Wenige Tage später (den 1!!. Dezember) warnt er vor leichtsinnigem
Gebühren mit -- dem Lichte! "Aus Unvorsichtigkeit sind schon öfters die
größten Feuerschaden entstanden; in einem Hanse, welches ich für diesmal nicht
nennen will, habe ich mich überzeugt, daß man mit dem Lichte ohne Laterne
in Stallung und Scheune herumgehet. Ich warne daher alle Bewohner
Leipzigs vor Schaden und Verantwortung, da niemand mit dem Lichte ohne
Laterne leichtsinnig umgehen soll. Ueber einen, der dadurch Unglück und
Schaden veranlaßt, kann ohnehin nur das gerechte und strenge Gericht ent¬
scheiden." An demselben Tage erläßt er noch zwei Belauutmachungen, worin
er, "um das gesellschaftliche Leben nach Möglichkeit nicht zu stören," an die
"immer bestandene Ordnung" erinnert, "daß die rings um die Stadt führenden
Alleen bloß für die Fußgänger, die Straße selbst aber zum reiten und fahren
bestimmt sein," und alles schnelle Reiten in den Straßen verbietet. Am


Gin Griginal ans den Befreiungskriegen

„Mit wahrem Mißfallen bringe ich in Erfahrung, daß man meine Anordnung,
in Betreff, daß sich Abends nach 10 Uhr niemand unnöthiger Weise auf denen
Straßen betreffen lassen soll, ganz irrig auseinander setzt. Meine Verfügung
gehet nicht dahin, das gesellschaftliche Leben zu stören, Geschäfte zu hindern,
Wohl aber die unnöthigen Herumläufer nicht nnr in Schranken zu halten, sondern
selbe habhaft zu werdeu. Ich werde meine vorangegangene Anordnung mit
Strenge verfolgen, hingegen auch die Verfügung treffen, daß jedermann, welcher
Ruhe und Ordnung liebt, zu jeder Zeit sicher und ungehindert zu jeder Stunde
alle Straßen Passiren kann."

Aber anch noch in unteren Sinne ist er für Aufrechterhaltung der Ruhe
besorgt. „Ich habe bemerkt — schreibt er am 10. November —, daß bei der
geringsten Gelegenheit eines Wortwechsels ans den Straßen das Volk in Haufen
znsninmenströmt, dies ist gegen jeden Anstand, gegen jede Ordnung, ich er¬
wähne also, wenn bei dergleichen Fällen jemanden eine Unannehmlichkeit
widerfährt, so wird sich jeder es selbst zuzuschreiben haben." Am 19. No¬
vember: „Ich habe gestern in denen Gemüthern der Bewohner Leipzigs eine
Unrnhe bemerkt, welche mir nicht lieb war. Es ist ein Beweis, wie wenig
Zutrauen man in mich setzt, und wie wenig man bedenkt, daß so viele schwer
blessirte Officiers und andre Kranke hier liegen, ans dessen Nerven, bei der
größten Geistesstärke, ein unnöthiger, unüberlegter Allarm Einfluß haben kann.
Ich erinnere daher, daß sich jedermann bei jeder Gelegenheit enthalten soll,
falsche Gerüchte zu verbreiten, indem der hierin betreten werdende exemplarisch
bestraft und als ein Ruhestörer bekannt gemacht werden wird."

Allmählich erstreckt sich seine Fürsorge aber immer weiter. Am l>. De¬
zember macht er bekannt, daß „den Verfügungen eiues hohen Generalgouverne¬
ments zufolge alle Gesetze hiesiger Lande, welche nicht aufgehoben oder abge¬
ändert sind, ohne Ausnahme in ihrer vollen Kraft fortbestehen sollen." Die
nächste Anwendung davon macht er auf das Hazardspiel, das er streug ver¬
bietet. Wenige Tage später (den 1!!. Dezember) warnt er vor leichtsinnigem
Gebühren mit — dem Lichte! „Aus Unvorsichtigkeit sind schon öfters die
größten Feuerschaden entstanden; in einem Hanse, welches ich für diesmal nicht
nennen will, habe ich mich überzeugt, daß man mit dem Lichte ohne Laterne
in Stallung und Scheune herumgehet. Ich warne daher alle Bewohner
Leipzigs vor Schaden und Verantwortung, da niemand mit dem Lichte ohne
Laterne leichtsinnig umgehen soll. Ueber einen, der dadurch Unglück und
Schaden veranlaßt, kann ohnehin nur das gerechte und strenge Gericht ent¬
scheiden." An demselben Tage erläßt er noch zwei Belauutmachungen, worin
er, „um das gesellschaftliche Leben nach Möglichkeit nicht zu stören," an die
„immer bestandene Ordnung" erinnert, „daß die rings um die Stadt führenden
Alleen bloß für die Fußgänger, die Straße selbst aber zum reiten und fahren
bestimmt sein," und alles schnelle Reiten in den Straßen verbietet. Am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/509>, abgerufen am 23.07.2024.