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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Lin Grigmal ans den Befreiungskriegen

Bescheidenheit, Höflichkeit, Artigkeit, Gefälligkeit zu betragen, "vorzüglich wen"
Mangel an Sprachkenntniß eintritt, wodurch -- er meint die Artigkeit --
allen Mißverständnissen vorgebeugt werden kann." Im.Sommer 1814, wo
tagelang große Massen aus Frankreich zurückkehrender russischer Truppen
durchzogen, faßt er alles schon in frühern Bekanntmachungen gesagte nochmals
in beweglichen Worten zusammen und sucht die Bürgerschaft für die bevor¬
stehenden schwerem Tage in die rechte Stimmung zu bringen. "Leipziger!
heute und fünf folgende Tage werdet ihr starke Einquartierung erhalten. Ich
erinnere euch, es sind jene braven Russen, welche eure alte Freiheit und wieder¬
gekehrte Ruhe erfochten haben. Bedenkt, welchen Gefahren sie ausgesetzt waren,
welche Fatiguen sie ausstehen mußten! Nehmt sie als eure wahren Freunde,
welche sie wirklich sind, gut auf, beweist, daß ihr, jeder nach Möglichkeit,
seinen Dank beweisen wollt. Der das Armeecorps commandirende Herr
General Graf Orurgk ist euch wegen seiner erwiesenen Tapferkeit bekannt, er
wird euch auch beweisen, daß er von seineu Untergebenen geliebt wird, und
ans diesen Grund die friedlichen, braven Krieger in der vollkommensten Ord¬
nung durch alle Länder führt. Leipziger! eure Gesinnungen, eure Beweise
waren bis nun zu meiner Zufriedenheit, ich hoffe daher, diese auch für die
Zukunft zu erwarten!"

Außer solchen rein militärischen Angelegenheiten sind es aber nun zahl¬
reiche andre Dinge, denen er seine Fürsorge zuwendet. Vor allem liegt ihm
der Gesundheitszustand der Stadt am Herzen. Am 29. Oktober macht er
bekannt: "Was das Schicksal für Leipzig und vor dessen Thoren herbeigeführt
hat, muß man denken, daß das Vergangene für die erste Zukunft unschädlich
und nach Möglichkeit vergessend gemacht werde. Dies bezieht sich hauptsächlich
dahin, daß durch Eingrabung aller .Körpers, welche unumgänglich ansteckende
Krankheit herbeiführen müssen, Bedacht genommen werde. Daher fordere ich
die Bewohner Leipzigs dringend auf, an die Sache ernstliche Hand anzulegen,
damit sowohl todte Menschen als crepirte Pferde schleunigst unter die Erde
gebracht werden, und mich nicht zu zwingen, jene strengen Maßregeln zu er¬
greifen, welche mir von höheren Orten eingeräumt sind. Bei dieser Gelegenheit
werden mir die Bewohner Leipzigs Beweise von dem guten Willen geben, daß
sie für ihre eigene Gesundheitserhaltnng besorgt sind." Um den Gesundheits¬
zustand der Stadt nicht zu gefährden, ist er namentlich bemüht, die Reinlichkeit
wieder herzustellen, die in den Tagen der Schlacht und unmittelbar darauf
stark gelitten hatte. Ebenfalls am 29. Oktober schreibt er: "Die Unreinlichkeit
in denen Straßen und auf denen Plätzen will noch nicht abnehmen. Die
Misthaufen liegen aller Orten herum. Ich frage nicht um die Ursache,
sondern, vor welchem Hause sich nach 24 Stunden eine Unreinlichkeit finden
wird, bezahlt der Hauseigenthümer in die Spitalscasse 10 Thaler Conranr, und
der Herr Polizeipräsident bleibt für die Ausführung verantwortlich." Zugleich


Lin Grigmal ans den Befreiungskriegen

Bescheidenheit, Höflichkeit, Artigkeit, Gefälligkeit zu betragen, „vorzüglich wen»
Mangel an Sprachkenntniß eintritt, wodurch — er meint die Artigkeit —
allen Mißverständnissen vorgebeugt werden kann." Im.Sommer 1814, wo
tagelang große Massen aus Frankreich zurückkehrender russischer Truppen
durchzogen, faßt er alles schon in frühern Bekanntmachungen gesagte nochmals
in beweglichen Worten zusammen und sucht die Bürgerschaft für die bevor¬
stehenden schwerem Tage in die rechte Stimmung zu bringen. „Leipziger!
heute und fünf folgende Tage werdet ihr starke Einquartierung erhalten. Ich
erinnere euch, es sind jene braven Russen, welche eure alte Freiheit und wieder¬
gekehrte Ruhe erfochten haben. Bedenkt, welchen Gefahren sie ausgesetzt waren,
welche Fatiguen sie ausstehen mußten! Nehmt sie als eure wahren Freunde,
welche sie wirklich sind, gut auf, beweist, daß ihr, jeder nach Möglichkeit,
seinen Dank beweisen wollt. Der das Armeecorps commandirende Herr
General Graf Orurgk ist euch wegen seiner erwiesenen Tapferkeit bekannt, er
wird euch auch beweisen, daß er von seineu Untergebenen geliebt wird, und
ans diesen Grund die friedlichen, braven Krieger in der vollkommensten Ord¬
nung durch alle Länder führt. Leipziger! eure Gesinnungen, eure Beweise
waren bis nun zu meiner Zufriedenheit, ich hoffe daher, diese auch für die
Zukunft zu erwarten!"

Außer solchen rein militärischen Angelegenheiten sind es aber nun zahl¬
reiche andre Dinge, denen er seine Fürsorge zuwendet. Vor allem liegt ihm
der Gesundheitszustand der Stadt am Herzen. Am 29. Oktober macht er
bekannt: „Was das Schicksal für Leipzig und vor dessen Thoren herbeigeführt
hat, muß man denken, daß das Vergangene für die erste Zukunft unschädlich
und nach Möglichkeit vergessend gemacht werde. Dies bezieht sich hauptsächlich
dahin, daß durch Eingrabung aller .Körpers, welche unumgänglich ansteckende
Krankheit herbeiführen müssen, Bedacht genommen werde. Daher fordere ich
die Bewohner Leipzigs dringend auf, an die Sache ernstliche Hand anzulegen,
damit sowohl todte Menschen als crepirte Pferde schleunigst unter die Erde
gebracht werden, und mich nicht zu zwingen, jene strengen Maßregeln zu er¬
greifen, welche mir von höheren Orten eingeräumt sind. Bei dieser Gelegenheit
werden mir die Bewohner Leipzigs Beweise von dem guten Willen geben, daß
sie für ihre eigene Gesundheitserhaltnng besorgt sind." Um den Gesundheits¬
zustand der Stadt nicht zu gefährden, ist er namentlich bemüht, die Reinlichkeit
wieder herzustellen, die in den Tagen der Schlacht und unmittelbar darauf
stark gelitten hatte. Ebenfalls am 29. Oktober schreibt er: „Die Unreinlichkeit
in denen Straßen und auf denen Plätzen will noch nicht abnehmen. Die
Misthaufen liegen aller Orten herum. Ich frage nicht um die Ursache,
sondern, vor welchem Hause sich nach 24 Stunden eine Unreinlichkeit finden
wird, bezahlt der Hauseigenthümer in die Spitalscasse 10 Thaler Conranr, und
der Herr Polizeipräsident bleibt für die Ausführung verantwortlich." Zugleich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/507>, abgerufen am 23.07.2024.