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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Ein Griginal aus den Befreiungskriegen

An die Spitze der sächsischen Verwaltung trat nach der Schlacht bei Leipzig
als Generalgouvemeur der russische Fürst Repnin, der seinen Sitz in Leipzig
nahm. Zum Stadtkommandanten wurde um 19. Oktober, nach dem Einzuge
der Verbündeten, zunächst der russische Generalmajor von Sanders ernannt.
Aber schon nach zwei Tagen trat Prendel an seine Stelle und blieb nun Kom¬
mandant über ein Jahr, bis zum 10. November 1814, wo auf Befehl des
Königs von Preußen der preußische Generalmajor von Bismarck sein Nach¬
folger wurde, der dann bis zum 5. Juni 1815, bis zur Rückkehr des sächsischen
Königs aus der preußischen Gefangenschaft, das Kommando inne hatte. Prendel
blieb aber in Leipzig und übernahm nach Bismarcks Weggange, Mitte Juni,
nochmals den Befehl über die kaiserlich russischen Angelegenheiten, den er bis
zum November 1815 beibehielt. Erst da nahm er von Leipzig Abschied.

Der größere Teil seiner Bekanntmachungen bezieht sich natürlich auf
militärische Angelegenheiten: Gefangnen- und Lazarethwesen, Verkauf vou
Proviant und Militäreffekten, Truppendurchzüge und Einqucirtieruug. Gleich
die erste vom 26. Oktober fordert die Hausbesitzer auf, ihm binnen vierund¬
zwanzig Stunden schriftlich anzuzeigen, "welche Generals, Stabs- andre
Oberoffieiers oder sonstige lÄnxla.yW, es sei von welcher Nation es wolle,
und es mögen dieselben krank oder gesund sein, sich bei ihnen im Quartiere
befinden." Am 28. mahnt er zur Geduld wegen der großen Einquartierungs¬
last. "Da ich von verschiedenen Einwohnern wegen unbedeutender Abänderung
der Einquartiernngsbillets zu sehr überlaufen werde, so ersuche ich sämmtliche
Quartierträger, nur noch einige Tage Gedult zu haben und die Versicherung
anzunehmen, daß ich stets bereit bin, um jede Bedrückung zu vermindern, und
vielleicht mir schmeicheln darf, in kurzen eine gute Ordnung hergestellt zu
wissen, welche der Umstände wegen bis jetzt unmöglich war. Dies Ersuchen
bezieht sich auch auf andere Gegenstände, dessen Auseinandersetzung bloß der
gute Wille und etwas Gedult der Einwohner erleichtern kann. Dagegen
werde auch ich mit Strenge darauf halten, daß kein Einwohner in feinen Ge¬
schäften oder häuslichen Verhältnissen beunruhigt werde." Ähnlich wieder am
31. Oktober: "Schlußlied ersuche ich die guten Bewohner Leipzigs nochmalen
dringend, mich mit geringen Umständen der Einquartierung nicht so sehr zu
überlaufen, es muß sich doch täglich jeder überzeugen, daß ich denen Befehlen
Sr. Durchlaucht des Herrn Generalgouverneurs gemäß alles anwende, um
Erleichterung zu verschaffen, folglich ein wenig Gedult kann ihrerseits auch
nöthig sein." Mit Strenge geht er gegen die Hausbesitzer vor, die die bei
ihnen im Quartier liegenden Offiziere nicht gehörig an- oder ähnelten; sie
sollen zehn Thaler Strafe in die Armenkasse zahlen. Am 14. Januar erhöht
er diese Strafe auf dreißig Thaler, "indem die Strafe von 10 Thlr., welche
schon mancher bezahlt, nicht gefruchtet hat," im März auf 40 Thaler. Wieder¬
holt ermahnt er dabei die Quarticrtrciger, sich gegen ihre Einquartierung mit


Ein Griginal aus den Befreiungskriegen

An die Spitze der sächsischen Verwaltung trat nach der Schlacht bei Leipzig
als Generalgouvemeur der russische Fürst Repnin, der seinen Sitz in Leipzig
nahm. Zum Stadtkommandanten wurde um 19. Oktober, nach dem Einzuge
der Verbündeten, zunächst der russische Generalmajor von Sanders ernannt.
Aber schon nach zwei Tagen trat Prendel an seine Stelle und blieb nun Kom¬
mandant über ein Jahr, bis zum 10. November 1814, wo auf Befehl des
Königs von Preußen der preußische Generalmajor von Bismarck sein Nach¬
folger wurde, der dann bis zum 5. Juni 1815, bis zur Rückkehr des sächsischen
Königs aus der preußischen Gefangenschaft, das Kommando inne hatte. Prendel
blieb aber in Leipzig und übernahm nach Bismarcks Weggange, Mitte Juni,
nochmals den Befehl über die kaiserlich russischen Angelegenheiten, den er bis
zum November 1815 beibehielt. Erst da nahm er von Leipzig Abschied.

Der größere Teil seiner Bekanntmachungen bezieht sich natürlich auf
militärische Angelegenheiten: Gefangnen- und Lazarethwesen, Verkauf vou
Proviant und Militäreffekten, Truppendurchzüge und Einqucirtieruug. Gleich
die erste vom 26. Oktober fordert die Hausbesitzer auf, ihm binnen vierund¬
zwanzig Stunden schriftlich anzuzeigen, „welche Generals, Stabs- andre
Oberoffieiers oder sonstige lÄnxla.yW, es sei von welcher Nation es wolle,
und es mögen dieselben krank oder gesund sein, sich bei ihnen im Quartiere
befinden." Am 28. mahnt er zur Geduld wegen der großen Einquartierungs¬
last. „Da ich von verschiedenen Einwohnern wegen unbedeutender Abänderung
der Einquartiernngsbillets zu sehr überlaufen werde, so ersuche ich sämmtliche
Quartierträger, nur noch einige Tage Gedult zu haben und die Versicherung
anzunehmen, daß ich stets bereit bin, um jede Bedrückung zu vermindern, und
vielleicht mir schmeicheln darf, in kurzen eine gute Ordnung hergestellt zu
wissen, welche der Umstände wegen bis jetzt unmöglich war. Dies Ersuchen
bezieht sich auch auf andere Gegenstände, dessen Auseinandersetzung bloß der
gute Wille und etwas Gedult der Einwohner erleichtern kann. Dagegen
werde auch ich mit Strenge darauf halten, daß kein Einwohner in feinen Ge¬
schäften oder häuslichen Verhältnissen beunruhigt werde." Ähnlich wieder am
31. Oktober: „Schlußlied ersuche ich die guten Bewohner Leipzigs nochmalen
dringend, mich mit geringen Umständen der Einquartierung nicht so sehr zu
überlaufen, es muß sich doch täglich jeder überzeugen, daß ich denen Befehlen
Sr. Durchlaucht des Herrn Generalgouverneurs gemäß alles anwende, um
Erleichterung zu verschaffen, folglich ein wenig Gedult kann ihrerseits auch
nöthig sein." Mit Strenge geht er gegen die Hausbesitzer vor, die die bei
ihnen im Quartier liegenden Offiziere nicht gehörig an- oder ähnelten; sie
sollen zehn Thaler Strafe in die Armenkasse zahlen. Am 14. Januar erhöht
er diese Strafe auf dreißig Thaler, „indem die Strafe von 10 Thlr., welche
schon mancher bezahlt, nicht gefruchtet hat," im März auf 40 Thaler. Wieder¬
holt ermahnt er dabei die Quarticrtrciger, sich gegen ihre Einquartierung mit


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[0506] Ein Griginal aus den Befreiungskriegen An die Spitze der sächsischen Verwaltung trat nach der Schlacht bei Leipzig als Generalgouvemeur der russische Fürst Repnin, der seinen Sitz in Leipzig nahm. Zum Stadtkommandanten wurde um 19. Oktober, nach dem Einzuge der Verbündeten, zunächst der russische Generalmajor von Sanders ernannt. Aber schon nach zwei Tagen trat Prendel an seine Stelle und blieb nun Kom¬ mandant über ein Jahr, bis zum 10. November 1814, wo auf Befehl des Königs von Preußen der preußische Generalmajor von Bismarck sein Nach¬ folger wurde, der dann bis zum 5. Juni 1815, bis zur Rückkehr des sächsischen Königs aus der preußischen Gefangenschaft, das Kommando inne hatte. Prendel blieb aber in Leipzig und übernahm nach Bismarcks Weggange, Mitte Juni, nochmals den Befehl über die kaiserlich russischen Angelegenheiten, den er bis zum November 1815 beibehielt. Erst da nahm er von Leipzig Abschied. Der größere Teil seiner Bekanntmachungen bezieht sich natürlich auf militärische Angelegenheiten: Gefangnen- und Lazarethwesen, Verkauf vou Proviant und Militäreffekten, Truppendurchzüge und Einqucirtieruug. Gleich die erste vom 26. Oktober fordert die Hausbesitzer auf, ihm binnen vierund¬ zwanzig Stunden schriftlich anzuzeigen, „welche Generals, Stabs- andre Oberoffieiers oder sonstige lÄnxla.yW, es sei von welcher Nation es wolle, und es mögen dieselben krank oder gesund sein, sich bei ihnen im Quartiere befinden." Am 28. mahnt er zur Geduld wegen der großen Einquartierungs¬ last. „Da ich von verschiedenen Einwohnern wegen unbedeutender Abänderung der Einquartiernngsbillets zu sehr überlaufen werde, so ersuche ich sämmtliche Quartierträger, nur noch einige Tage Gedult zu haben und die Versicherung anzunehmen, daß ich stets bereit bin, um jede Bedrückung zu vermindern, und vielleicht mir schmeicheln darf, in kurzen eine gute Ordnung hergestellt zu wissen, welche der Umstände wegen bis jetzt unmöglich war. Dies Ersuchen bezieht sich auch auf andere Gegenstände, dessen Auseinandersetzung bloß der gute Wille und etwas Gedult der Einwohner erleichtern kann. Dagegen werde auch ich mit Strenge darauf halten, daß kein Einwohner in feinen Ge¬ schäften oder häuslichen Verhältnissen beunruhigt werde." Ähnlich wieder am 31. Oktober: „Schlußlied ersuche ich die guten Bewohner Leipzigs nochmalen dringend, mich mit geringen Umständen der Einquartierung nicht so sehr zu überlaufen, es muß sich doch täglich jeder überzeugen, daß ich denen Befehlen Sr. Durchlaucht des Herrn Generalgouverneurs gemäß alles anwende, um Erleichterung zu verschaffen, folglich ein wenig Gedult kann ihrerseits auch nöthig sein." Mit Strenge geht er gegen die Hausbesitzer vor, die die bei ihnen im Quartier liegenden Offiziere nicht gehörig an- oder ähnelten; sie sollen zehn Thaler Strafe in die Armenkasse zahlen. Am 14. Januar erhöht er diese Strafe auf dreißig Thaler, „indem die Strafe von 10 Thlr., welche schon mancher bezahlt, nicht gefruchtet hat," im März auf 40 Thaler. Wieder¬ holt ermahnt er dabei die Quarticrtrciger, sich gegen ihre Einquartierung mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/506>, abgerufen am 23.07.2024.