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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Schliemaims Ausgrabinigeu und Ägypten

worde"? Sind diese Einflüsse mit der großen Inschrift in Medinet'Hab"
gleichzeitig?

Besonders an drei Orten hat Schliemamis Spaten mit Erfolg eingesetzt,
in Mykeim, Tiryns und Troja (Hisfarlik). Diesen Herrschersitzen und den
gleichalten Köuigsburgeu auf der Akropolis vou Athen und dein Jnselchen
Gulas im Kopaissee ist zunächst die geographische Lage gemeinsam. Sie liegen
nicht unmittelbar am Gestade, sondern etwas landeinwärts, da, wo die letzten
Hügel sich zur Strnndebene senken; doch liegen sie auch nicht zu weit vom
Meere entfernt, als daß nicht im Fall eines Angriffs von der Seeseite her
die streitbare Mannschaft am Hafen hätte sein können, noch ehe die in Sicht
gekommenen feindlichen Schiffe diesen erreicht hatten. Auch die Sage vom
trojanischen Kriege verlegt die erste Schlacht und den Fall des Protesilaos
nicht unter die Mauern der bedrohten Stadt, sondern ans Gestade. Gemeinsam
ist diesen Königsburgeu ferner die feste llmwallnng aus unbehauenen, ge¬
waltigen Steinblöcken. Nur Troja bildet hiervon eine Ausnahme; seine Mauern
sind durch kleinere Steine weniger kunstvoll aufgeführt. Die übrigen Funde
lehren uns, daß die sagenberühmte Stadt des Priamos überhaupt nur bis zu
einem gewissen Zeitpunkt mit den Herrschersitzen Griechenlands gleichen Schritt
gehalten hat. Die Anlage des Palastes, die frühesten Schmucksachen, die
ältesten Nasenscherben sind zwar dieselben hier wie dort; aber in Mykenä,
Tiryns und Orchomenos sind außerdem noch zahlreiche Reste einer vor¬
geschrittenen Bildung erhalten, die in Troja völlig fehlen, vor allein die be-
wuuderrswerteu Knppelgräber sdie sogenannten Schatzhäuser des Atreus und
Minyas), goldne Schmucksachen von eigentümlicher Schönheit und Gegenstände,
die aus einen lebhaften Handel mit dem Osten und Ägypten hinweisen. Die
Aschen- und Schneemassen in den Trümmern von Hisfarlik lasten auch gar
keinen Zweifel darüber, wodurch die Entwicklung der Stadt jäh unterbrochen
worden ist: die Königsburg von Troja ist dnrch Jener zerstört worden.

Mykenä dagegen, die feste Burg des Atridengeschlechts, muß noch lange
Zeit nach Trojas Fall geblüht haben, reich dnrch die Macht seiner Herrscher
und dnrch Handel mit den Inseln des Archipels und fernern Ländern. Nicht
uur die Berzieruug der goldnen Schmucksachen mit Darstellungen von Muscheln
lind Seetieren weist daraufhin, wie vertraut den Bewohnern von Mykenä das
Meer war; auch die weite Verbreitung der mytenäische" Gefäße zeugt dafür,
daß zu jeuer Zeit im Ostbecken des Mittelmeeres ein lebhafter Handelsverkehr
bestand. Die in ihren schönsten und häufigsten Beispielen in Mykenä ge-
fundene Baseugattung ist außer dem Festlande von Griechenland auch auf den
Insel" des Archipels, in Kleinasien und bei neuern Ausgrabungen sogar in
Ägypten im Fayum zu Tage gekommen. Und wie wir hier in Ägypten
Mylenäisches anzuerkennen haben, so finden nur anderseits unter den Trümmer"
von Mykenä zahlreiche Gegenstände, die aus Ägypten eingeführt morde" sei"


Schliemaims Ausgrabinigeu und Ägypten

worde»? Sind diese Einflüsse mit der großen Inschrift in Medinet'Hab»
gleichzeitig?

Besonders an drei Orten hat Schliemamis Spaten mit Erfolg eingesetzt,
in Mykeim, Tiryns und Troja (Hisfarlik). Diesen Herrschersitzen und den
gleichalten Köuigsburgeu auf der Akropolis vou Athen und dein Jnselchen
Gulas im Kopaissee ist zunächst die geographische Lage gemeinsam. Sie liegen
nicht unmittelbar am Gestade, sondern etwas landeinwärts, da, wo die letzten
Hügel sich zur Strnndebene senken; doch liegen sie auch nicht zu weit vom
Meere entfernt, als daß nicht im Fall eines Angriffs von der Seeseite her
die streitbare Mannschaft am Hafen hätte sein können, noch ehe die in Sicht
gekommenen feindlichen Schiffe diesen erreicht hatten. Auch die Sage vom
trojanischen Kriege verlegt die erste Schlacht und den Fall des Protesilaos
nicht unter die Mauern der bedrohten Stadt, sondern ans Gestade. Gemeinsam
ist diesen Königsburgeu ferner die feste llmwallnng aus unbehauenen, ge¬
waltigen Steinblöcken. Nur Troja bildet hiervon eine Ausnahme; seine Mauern
sind durch kleinere Steine weniger kunstvoll aufgeführt. Die übrigen Funde
lehren uns, daß die sagenberühmte Stadt des Priamos überhaupt nur bis zu
einem gewissen Zeitpunkt mit den Herrschersitzen Griechenlands gleichen Schritt
gehalten hat. Die Anlage des Palastes, die frühesten Schmucksachen, die
ältesten Nasenscherben sind zwar dieselben hier wie dort; aber in Mykenä,
Tiryns und Orchomenos sind außerdem noch zahlreiche Reste einer vor¬
geschrittenen Bildung erhalten, die in Troja völlig fehlen, vor allein die be-
wuuderrswerteu Knppelgräber sdie sogenannten Schatzhäuser des Atreus und
Minyas), goldne Schmucksachen von eigentümlicher Schönheit und Gegenstände,
die aus einen lebhaften Handel mit dem Osten und Ägypten hinweisen. Die
Aschen- und Schneemassen in den Trümmern von Hisfarlik lasten auch gar
keinen Zweifel darüber, wodurch die Entwicklung der Stadt jäh unterbrochen
worden ist: die Königsburg von Troja ist dnrch Jener zerstört worden.

Mykenä dagegen, die feste Burg des Atridengeschlechts, muß noch lange
Zeit nach Trojas Fall geblüht haben, reich dnrch die Macht seiner Herrscher
und dnrch Handel mit den Inseln des Archipels und fernern Ländern. Nicht
uur die Berzieruug der goldnen Schmucksachen mit Darstellungen von Muscheln
lind Seetieren weist daraufhin, wie vertraut den Bewohnern von Mykenä das
Meer war; auch die weite Verbreitung der mytenäische» Gefäße zeugt dafür,
daß zu jeuer Zeit im Ostbecken des Mittelmeeres ein lebhafter Handelsverkehr
bestand. Die in ihren schönsten und häufigsten Beispielen in Mykenä ge-
fundene Baseugattung ist außer dem Festlande von Griechenland auch auf den
Insel» des Archipels, in Kleinasien und bei neuern Ausgrabungen sogar in
Ägypten im Fayum zu Tage gekommen. Und wie wir hier in Ägypten
Mylenäisches anzuerkennen haben, so finden nur anderseits unter den Trümmer»
von Mykenä zahlreiche Gegenstände, die aus Ägypten eingeführt morde» sei»


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[0464] Schliemaims Ausgrabinigeu und Ägypten worde»? Sind diese Einflüsse mit der großen Inschrift in Medinet'Hab» gleichzeitig? Besonders an drei Orten hat Schliemamis Spaten mit Erfolg eingesetzt, in Mykeim, Tiryns und Troja (Hisfarlik). Diesen Herrschersitzen und den gleichalten Köuigsburgeu auf der Akropolis vou Athen und dein Jnselchen Gulas im Kopaissee ist zunächst die geographische Lage gemeinsam. Sie liegen nicht unmittelbar am Gestade, sondern etwas landeinwärts, da, wo die letzten Hügel sich zur Strnndebene senken; doch liegen sie auch nicht zu weit vom Meere entfernt, als daß nicht im Fall eines Angriffs von der Seeseite her die streitbare Mannschaft am Hafen hätte sein können, noch ehe die in Sicht gekommenen feindlichen Schiffe diesen erreicht hatten. Auch die Sage vom trojanischen Kriege verlegt die erste Schlacht und den Fall des Protesilaos nicht unter die Mauern der bedrohten Stadt, sondern ans Gestade. Gemeinsam ist diesen Königsburgeu ferner die feste llmwallnng aus unbehauenen, ge¬ waltigen Steinblöcken. Nur Troja bildet hiervon eine Ausnahme; seine Mauern sind durch kleinere Steine weniger kunstvoll aufgeführt. Die übrigen Funde lehren uns, daß die sagenberühmte Stadt des Priamos überhaupt nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt mit den Herrschersitzen Griechenlands gleichen Schritt gehalten hat. Die Anlage des Palastes, die frühesten Schmucksachen, die ältesten Nasenscherben sind zwar dieselben hier wie dort; aber in Mykenä, Tiryns und Orchomenos sind außerdem noch zahlreiche Reste einer vor¬ geschrittenen Bildung erhalten, die in Troja völlig fehlen, vor allein die be- wuuderrswerteu Knppelgräber sdie sogenannten Schatzhäuser des Atreus und Minyas), goldne Schmucksachen von eigentümlicher Schönheit und Gegenstände, die aus einen lebhaften Handel mit dem Osten und Ägypten hinweisen. Die Aschen- und Schneemassen in den Trümmern von Hisfarlik lasten auch gar keinen Zweifel darüber, wodurch die Entwicklung der Stadt jäh unterbrochen worden ist: die Königsburg von Troja ist dnrch Jener zerstört worden. Mykenä dagegen, die feste Burg des Atridengeschlechts, muß noch lange Zeit nach Trojas Fall geblüht haben, reich dnrch die Macht seiner Herrscher und dnrch Handel mit den Inseln des Archipels und fernern Ländern. Nicht uur die Berzieruug der goldnen Schmucksachen mit Darstellungen von Muscheln lind Seetieren weist daraufhin, wie vertraut den Bewohnern von Mykenä das Meer war; auch die weite Verbreitung der mytenäische» Gefäße zeugt dafür, daß zu jeuer Zeit im Ostbecken des Mittelmeeres ein lebhafter Handelsverkehr bestand. Die in ihren schönsten und häufigsten Beispielen in Mykenä ge- fundene Baseugattung ist außer dem Festlande von Griechenland auch auf den Insel» des Archipels, in Kleinasien und bei neuern Ausgrabungen sogar in Ägypten im Fayum zu Tage gekommen. Und wie wir hier in Ägypten Mylenäisches anzuerkennen haben, so finden nur anderseits unter den Trümmer» von Mykenä zahlreiche Gegenstände, die aus Ägypten eingeführt morde» sei»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/464>, abgerufen am 23.07.2024.