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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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neben unserm Fürsten Primas seiner -- der Ehren Platz zur Lincken ist noch
nicht besetzt, es soll von Rechts wegen ein Franckfurther seyn ja tönt eine
weile warten." Von der Gnade und Güte der Königin Luise von Preußen,
die bei ihrer Anwesenheit in Frankfurt sie zu sich kommen ließ, und von
andrer Fürsten Aufmerksamkeiten berichtet sie mit stolzer Freude dein Sohn
ausführlich, aber stets ist sie sich dessen bewußt, daß die "leisten dieser Ehren¬
bezeugungen der Mutter des großen Sohnes galten. So schreibt sie im Ok¬
tober 1807: "Diese Meße war reich an - Profeßsorenü! Da nun ein
großer theil deines Ruhmes und Rufens auf mich zurück fält, und die
Menschen sich einbilden ich Hütte was zu dem großen Talente beygetragen;
so kommen sie denn um mich zu beschauen -- da stelle ich denn mein Licht
nicht unter den Scheffel sondern auf den Leuchter versichere aber die Menschen
daß ich zu denn was dich zum großen Mann und Dichter gemacht hat nicht
das aller mindeste beygetragen Hütte."

Die Frau, die in ihrem Sohne völlig aufging, war natürlich die eifrigste
Leserin seiner Werke und die ruhmredigste Verkünderin seiner Größe. Wer
wollte es auch der Mutter nicht verzeihen, daß sie nicht immer zwischen
dem Besten und dem Guten unterscheidet, daß ihr alles, was der Sohn
geschrieben hat, meisterhaft erscheint? "Reinecke Fuchs, der ertz Schelm soll
mir aufs neue eine köstliche Weide seyn." Hermann und Dorothea, "das
Werk worinnen eine Frau Aja vorkommt," trügt sie mit sich herum "wie die
Katze ihre Jungen, denu es ist ein Meisterstück ohne gleichen!" Ebenso
freudig begrüßt sie "das neue Meisterwerk die natürliche Tochter." Die
größten Freuden aber bereitet ihr der Anfang des Wilhelm Meister: "Das
war einmahl wieder vor mich ein Gaudium! Ich fühlte mich 30 Jahre
jünger -- sahe dich und die anderen Knaben 3 Treppen hoch die preparation
zum Puppenspiel machen -- sahe wie die Elise Bethmann brügel vom ältesten
Mors kriegte und dergleichen mehr." Die "Bekenntnisse einer schonen Seele"
sieht sie als eine ihr von? Sohne geschenkte herrliche Gabe an: "Du mein
Lieber Sohn! warst von der Norsehnng bestund --- zur Erhaltung und Ver¬
breitung dieser unverwelcklichen Blatter -- Gottes Seegen und Tausend Dank
davor!" Durch alle Briefe zieht sich die sehnsüchtige Frage nach der Fortsetzung
des Romans und der Bericht über den Beifall, den er gefunden hat, nicht
ohne den kleinen Seufzer: "Jetzt fange ich an es vom Anfang zu behertzigen
den den Faden kan man ohnmöglich im Gedüchnüß behalten." Über die
Gesamtausgabe der Werke schreibt sie: "Die Schriefen werden mit Jubel
wipfangen werden -- den Iren Band kriege ich um einmahl nicht satt! die 3 Reuter
die unter dem Bett hervorkommen die sehe ich leibhaftig -- die Braut vou Corindt,
die Bajadere -- Tagelang -- Nächte lang stand mein Schief befrachtet der
Zauberlehrling -- der Rattenfänger und alle andre das macht mich unaus¬
sprechlich glücklich --"


neben unserm Fürsten Primas seiner — der Ehren Platz zur Lincken ist noch
nicht besetzt, es soll von Rechts wegen ein Franckfurther seyn ja tönt eine
weile warten." Von der Gnade und Güte der Königin Luise von Preußen,
die bei ihrer Anwesenheit in Frankfurt sie zu sich kommen ließ, und von
andrer Fürsten Aufmerksamkeiten berichtet sie mit stolzer Freude dein Sohn
ausführlich, aber stets ist sie sich dessen bewußt, daß die »leisten dieser Ehren¬
bezeugungen der Mutter des großen Sohnes galten. So schreibt sie im Ok¬
tober 1807: „Diese Meße war reich an - Profeßsorenü! Da nun ein
großer theil deines Ruhmes und Rufens auf mich zurück fält, und die
Menschen sich einbilden ich Hütte was zu dem großen Talente beygetragen;
so kommen sie denn um mich zu beschauen — da stelle ich denn mein Licht
nicht unter den Scheffel sondern auf den Leuchter versichere aber die Menschen
daß ich zu denn was dich zum großen Mann und Dichter gemacht hat nicht
das aller mindeste beygetragen Hütte."

Die Frau, die in ihrem Sohne völlig aufging, war natürlich die eifrigste
Leserin seiner Werke und die ruhmredigste Verkünderin seiner Größe. Wer
wollte es auch der Mutter nicht verzeihen, daß sie nicht immer zwischen
dem Besten und dem Guten unterscheidet, daß ihr alles, was der Sohn
geschrieben hat, meisterhaft erscheint? „Reinecke Fuchs, der ertz Schelm soll
mir aufs neue eine köstliche Weide seyn." Hermann und Dorothea, „das
Werk worinnen eine Frau Aja vorkommt," trügt sie mit sich herum „wie die
Katze ihre Jungen, denu es ist ein Meisterstück ohne gleichen!" Ebenso
freudig begrüßt sie „das neue Meisterwerk die natürliche Tochter." Die
größten Freuden aber bereitet ihr der Anfang des Wilhelm Meister: „Das
war einmahl wieder vor mich ein Gaudium! Ich fühlte mich 30 Jahre
jünger — sahe dich und die anderen Knaben 3 Treppen hoch die preparation
zum Puppenspiel machen — sahe wie die Elise Bethmann brügel vom ältesten
Mors kriegte und dergleichen mehr." Die „Bekenntnisse einer schonen Seele"
sieht sie als eine ihr von? Sohne geschenkte herrliche Gabe an: „Du mein
Lieber Sohn! warst von der Norsehnng bestund —- zur Erhaltung und Ver¬
breitung dieser unverwelcklichen Blatter — Gottes Seegen und Tausend Dank
davor!" Durch alle Briefe zieht sich die sehnsüchtige Frage nach der Fortsetzung
des Romans und der Bericht über den Beifall, den er gefunden hat, nicht
ohne den kleinen Seufzer: „Jetzt fange ich an es vom Anfang zu behertzigen
den den Faden kan man ohnmöglich im Gedüchnüß behalten." Über die
Gesamtausgabe der Werke schreibt sie: „Die Schriefen werden mit Jubel
wipfangen werden — den Iren Band kriege ich um einmahl nicht satt! die 3 Reuter
die unter dem Bett hervorkommen die sehe ich leibhaftig — die Braut vou Corindt,
die Bajadere — Tagelang — Nächte lang stand mein Schief befrachtet der
Zauberlehrling — der Rattenfänger und alle andre das macht mich unaus¬
sprechlich glücklich —"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/43>, abgerufen am 22.07.2024.