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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Neue Briefe von Goethes Mutter

wo ihm nicht nach vorheriger sorgfältiger Erkundigung die liebsten Wünsche
erfüllt würden. Im Jahre 17l)7 konnte die Großmutter den siebenjährigen Knaben
zum erstenmale in ihre Arme schließen. Als er großer geworden ist, schreibt
er selbst an sie, ja er wird der eigentliche Korrespondent aus Weimar, der in
"dicken Büchern" der neugierigen Großmutter alles haarklein wiedererzählt,
was er gesehen und gehört hat. Köstlich ist es, wie sie sich für seinen Unterricht
bedankt, menschlich schön, wie sie ihn zur Elternliebe und Dankbarkeit erzieht:
"Wenn ich so gerne schriebe wie du; so tönte ich dir erzählen, wie elend
die Kinder zu der Zeit meiner Jugend erzogen wurden -- nun ist es aber
auch deine Pflicht -- deinen Lieben Eltern recht gehorsam zu seyn -- und
Ihnen vor die viele Mühe die Sie sich geben, deinen Verstand zu bilden -
recht viele viele Freude zu machen. Ja Lieber Angst! Ich weiß aus Erfahrung
was das heißt Freude an seinem Kinde erleben -- Dein Lieber Vater hat
nur nie nie Kummer oder Verdruß verursacht -- drum hat Ihn auch der
Liebe Gott gesegnet daß Er über viele viele empor gekommen ist -- und hat
Ihm einen großen und ausgebreitnen Ruhm gemacht -- und Er wird von
allen Rechtschaffene" Leuten hoch geschätzt -- da uim ein Exempel und Muster
dran denn so einen Vater haben und nicht alles anwenden auch brav zu
werden -- das läßt sich von so einem Lieben Sohn nicht bemalen wie mein
Angst ist." Welche Freude, als der sechzehnjährige die Großmutter in Frank¬
furt überraschte: "Ich erlaubte Ihn nicht Er ist sehr groß und sehr hübsch
geworden -- gantz erstaun stand ich da als Er nur den so lieben Nahmen
raubte." -- "Alle, die Ihn sehen lieben Ihn -- Willmar erlaubte Ihn an den
Augen." Bei der Rückreise stellte ihm die Großmutter das Zeugnis aus,
"daß es das Ansehn hat, als habe Er den Ring im Mährgen (Nuthen des
Weisen) durch Erbschaft an sich gebracht."

Aber der Zug, der das innerste Wesen Frau Ajas bildet, ist doch ihr
Stolz, Goethes Mutter zu sein. "Keiner deiner Freunde hat so Riesenschritte
gemacht wie du (wir waren aber auch immer die Lakqeien sagte einmahl der
verstorbene Max Mohrs)" -- so steht in dem ersten Briefe nach Rom. "Die
jungen Studenten in Jena schreiben fleistg und wenig Briefe sind, wo deiner
nicht mit der größten Veueratiou gedacht wird -- das macht mich denn allezeit
sehr glücklich," meldet sie, als der Sohn selbst mit seiner Antwort lässig
gewesen war. Über die Krankheit Goethes am Beginne des neuen Jahrhunderts
war sie sehr bekümmert. "Unsere gantze Stadt war über deine Kranckheit in
alarm -- so wie deine Beßerung in den Zeitungen verkündigt wurde -- regnete
es Zeitungen in meine Stube -- jedes Nullte der erste sein, mir die frohe
Nachricht zu hinterbringen." "Deine Büste -- schreibt sie ein andermal --
ist im Lese kabinet aufgestellt -- zu beyden Seiten Wieland und Herder --
drey Nahmen die Tcnschland immer mit Erfurcht nennen wird"; und an
August: "Wir haben anch jetzt ein Museum ----- da steht deines Vaters Büste


Neue Briefe von Goethes Mutter

wo ihm nicht nach vorheriger sorgfältiger Erkundigung die liebsten Wünsche
erfüllt würden. Im Jahre 17l)7 konnte die Großmutter den siebenjährigen Knaben
zum erstenmale in ihre Arme schließen. Als er großer geworden ist, schreibt
er selbst an sie, ja er wird der eigentliche Korrespondent aus Weimar, der in
„dicken Büchern" der neugierigen Großmutter alles haarklein wiedererzählt,
was er gesehen und gehört hat. Köstlich ist es, wie sie sich für seinen Unterricht
bedankt, menschlich schön, wie sie ihn zur Elternliebe und Dankbarkeit erzieht:
„Wenn ich so gerne schriebe wie du; so tönte ich dir erzählen, wie elend
die Kinder zu der Zeit meiner Jugend erzogen wurden — nun ist es aber
auch deine Pflicht — deinen Lieben Eltern recht gehorsam zu seyn — und
Ihnen vor die viele Mühe die Sie sich geben, deinen Verstand zu bilden -
recht viele viele Freude zu machen. Ja Lieber Angst! Ich weiß aus Erfahrung
was das heißt Freude an seinem Kinde erleben — Dein Lieber Vater hat
nur nie nie Kummer oder Verdruß verursacht — drum hat Ihn auch der
Liebe Gott gesegnet daß Er über viele viele empor gekommen ist — und hat
Ihm einen großen und ausgebreitnen Ruhm gemacht — und Er wird von
allen Rechtschaffene« Leuten hoch geschätzt — da uim ein Exempel und Muster
dran denn so einen Vater haben und nicht alles anwenden auch brav zu
werden — das läßt sich von so einem Lieben Sohn nicht bemalen wie mein
Angst ist." Welche Freude, als der sechzehnjährige die Großmutter in Frank¬
furt überraschte: „Ich erlaubte Ihn nicht Er ist sehr groß und sehr hübsch
geworden — gantz erstaun stand ich da als Er nur den so lieben Nahmen
raubte." — „Alle, die Ihn sehen lieben Ihn — Willmar erlaubte Ihn an den
Augen." Bei der Rückreise stellte ihm die Großmutter das Zeugnis aus,
„daß es das Ansehn hat, als habe Er den Ring im Mährgen (Nuthen des
Weisen) durch Erbschaft an sich gebracht."

Aber der Zug, der das innerste Wesen Frau Ajas bildet, ist doch ihr
Stolz, Goethes Mutter zu sein. „Keiner deiner Freunde hat so Riesenschritte
gemacht wie du (wir waren aber auch immer die Lakqeien sagte einmahl der
verstorbene Max Mohrs)" — so steht in dem ersten Briefe nach Rom. „Die
jungen Studenten in Jena schreiben fleistg und wenig Briefe sind, wo deiner
nicht mit der größten Veueratiou gedacht wird — das macht mich denn allezeit
sehr glücklich," meldet sie, als der Sohn selbst mit seiner Antwort lässig
gewesen war. Über die Krankheit Goethes am Beginne des neuen Jahrhunderts
war sie sehr bekümmert. „Unsere gantze Stadt war über deine Kranckheit in
alarm — so wie deine Beßerung in den Zeitungen verkündigt wurde — regnete
es Zeitungen in meine Stube — jedes Nullte der erste sein, mir die frohe
Nachricht zu hinterbringen." „Deine Büste — schreibt sie ein andermal —
ist im Lese kabinet aufgestellt — zu beyden Seiten Wieland und Herder —
drey Nahmen die Tcnschland immer mit Erfurcht nennen wird"; und an
August: „Wir haben anch jetzt ein Museum ----- da steht deines Vaters Büste


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[0042] Neue Briefe von Goethes Mutter wo ihm nicht nach vorheriger sorgfältiger Erkundigung die liebsten Wünsche erfüllt würden. Im Jahre 17l)7 konnte die Großmutter den siebenjährigen Knaben zum erstenmale in ihre Arme schließen. Als er großer geworden ist, schreibt er selbst an sie, ja er wird der eigentliche Korrespondent aus Weimar, der in „dicken Büchern" der neugierigen Großmutter alles haarklein wiedererzählt, was er gesehen und gehört hat. Köstlich ist es, wie sie sich für seinen Unterricht bedankt, menschlich schön, wie sie ihn zur Elternliebe und Dankbarkeit erzieht: „Wenn ich so gerne schriebe wie du; so tönte ich dir erzählen, wie elend die Kinder zu der Zeit meiner Jugend erzogen wurden — nun ist es aber auch deine Pflicht — deinen Lieben Eltern recht gehorsam zu seyn — und Ihnen vor die viele Mühe die Sie sich geben, deinen Verstand zu bilden - recht viele viele Freude zu machen. Ja Lieber Angst! Ich weiß aus Erfahrung was das heißt Freude an seinem Kinde erleben — Dein Lieber Vater hat nur nie nie Kummer oder Verdruß verursacht — drum hat Ihn auch der Liebe Gott gesegnet daß Er über viele viele empor gekommen ist — und hat Ihm einen großen und ausgebreitnen Ruhm gemacht — und Er wird von allen Rechtschaffene« Leuten hoch geschätzt — da uim ein Exempel und Muster dran denn so einen Vater haben und nicht alles anwenden auch brav zu werden — das läßt sich von so einem Lieben Sohn nicht bemalen wie mein Angst ist." Welche Freude, als der sechzehnjährige die Großmutter in Frank¬ furt überraschte: „Ich erlaubte Ihn nicht Er ist sehr groß und sehr hübsch geworden — gantz erstaun stand ich da als Er nur den so lieben Nahmen raubte." — „Alle, die Ihn sehen lieben Ihn — Willmar erlaubte Ihn an den Augen." Bei der Rückreise stellte ihm die Großmutter das Zeugnis aus, „daß es das Ansehn hat, als habe Er den Ring im Mährgen (Nuthen des Weisen) durch Erbschaft an sich gebracht." Aber der Zug, der das innerste Wesen Frau Ajas bildet, ist doch ihr Stolz, Goethes Mutter zu sein. „Keiner deiner Freunde hat so Riesenschritte gemacht wie du (wir waren aber auch immer die Lakqeien sagte einmahl der verstorbene Max Mohrs)" — so steht in dem ersten Briefe nach Rom. „Die jungen Studenten in Jena schreiben fleistg und wenig Briefe sind, wo deiner nicht mit der größten Veueratiou gedacht wird — das macht mich denn allezeit sehr glücklich," meldet sie, als der Sohn selbst mit seiner Antwort lässig gewesen war. Über die Krankheit Goethes am Beginne des neuen Jahrhunderts war sie sehr bekümmert. „Unsere gantze Stadt war über deine Kranckheit in alarm — so wie deine Beßerung in den Zeitungen verkündigt wurde — regnete es Zeitungen in meine Stube — jedes Nullte der erste sein, mir die frohe Nachricht zu hinterbringen." „Deine Büste — schreibt sie ein andermal — ist im Lese kabinet aufgestellt — zu beyden Seiten Wieland und Herder — drey Nahmen die Tcnschland immer mit Erfurcht nennen wird"; und an August: „Wir haben anch jetzt ein Museum ----- da steht deines Vaters Büste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/42>, abgerufen am 03.07.2024.