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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Neue Briefe von Goethes Mutter

"Herr Ccmsul Bethmann -- Herr von Schwartzkvpf die haben die herrlichsten
Nachrichten von dir -- deinem schönen Hauß -- deinen übrigen vortrefflichen
Kunstsachen und über alles die gütige Ausnahme die du Ihnen erzeigt hast,
nicht genung rühmen und preißen können -- So was macht mich denn auf lange
Zeit wieder froh und glücklich." "Wenn es keinen Häschelhcmß gäbe -- So
würde ich catholisch und machts wie Mahler Müller," sagt sie gleich in dem
ersten der erhaltenen Briefe. Rührend ist ihre Sorge bei seiner Krankheit.
Innig bewegt dankt sie der lieben Tochter für ihre Pflege, der Herzogin legt
sie "den innigsten Danck vor alle die gnädige Sorgfalt und Liebe zu Füssen"
und auch den braven Diener Geist vergißt sie nicht "und alle, die dich erquickt
und dein Leiden haben tragen helfen." Alles, was der Sohn thut, ist von
vornherein gut und richtig. Auch wenn er auf kleine Wünsche der um Für¬
sprache bei dem großen Dichter gar hänfig gebetenen Frau nicht eingeht, fügt
sie sich willig, weil Wolfgang es so gewollt hat. Als Freund Tesches,
des Rauch- und Schiiupstabakhäudlers, Lustspiel, das sie ihrem Sohne zuletzt
mit den Worten: "Lieber Himmel, es kahlen ja so viele um den Parnaß --
laße Ihn mit trabten -- " zur Begutachtung empfohlen hatte, trotz aller Bitten
nicht gelesen wird, tröstet sie sich mit den Worten: "Er hat wahrscheinlich selber
Verzicht auf Antwort gethann -- den Er fragt kein Wort mehr." Ihre liebende
Vergötterung des Sohnes half ihr auch sich leicht in ein Verhältnis finden,
das gerade ihr nach unserm Gefühl hätte peinlich sein müssen, die Gewissensehe
Goethes mit Christiane Vulpius. Sie hilft sich über das Äußere, über das
"Liebchen" und den "Bettschatz," wie sie selbst sagt, mit dem Gedanken hin¬
weg, daß eine fatale Ehe für den Sohn noch weit schlimmer wäre. Innerlich
hat sie das Verhältnis nie für etwas andres angesehen, als für ein eheliches.

Der erste Brief an Christiane, ohne Anrede (vom 20. Juni 1793), ist
noch etwas steif und kalt gehalten. "Tragen sie die Geschencke als ein kleines
Andencken von der Mutter deßjenigen, den Sie Lieben und hochachten und
der wircklich auch Liebe und Hochachtung verdient." Dazu meldet sie dem Sohne
von diesem "guten Briefelein, das deinem Liebgen vermuthlich Freude macheu
wird." Anders wird das Verhältnis, nachdem beide Frauen sich kennen gelernt
haben (1797). "Liebe Freundin" lautet nun die Anrede, bald wechselnd mit
"liebe Tochter," die Unterschrift "von Dero treuen Freundin und Mutter
Elisabeth Göthe." "Das Vergnügen -- so beginnt der erste Brief nach der Abreise
Christianens -- so ich in Ihrem Lieben treulichen Umgang genoßen macht mich
noch immer froh." Auch kann sie nicht genug die Wirtschaftlichkeit Christianens
loben: "ein wirthschaftliches Weib ist das edelste Geschenck vor einen Bieder¬
mann -- da das Gegentheil alles zerrüttet und Unglück und Jammer über
die gantze Familie verbreitet -- Bleiben Sie bey denen Ihnen beywohnenden
Edlen Grundsätzen." "Ich sehne mich Ihre schöne Häußliche Ordnung und
Wirthschaftlichte Beschäftigungen mit meinen Augen einzusehn -- und Ihnen


Neue Briefe von Goethes Mutter

„Herr Ccmsul Bethmann — Herr von Schwartzkvpf die haben die herrlichsten
Nachrichten von dir — deinem schönen Hauß — deinen übrigen vortrefflichen
Kunstsachen und über alles die gütige Ausnahme die du Ihnen erzeigt hast,
nicht genung rühmen und preißen können — So was macht mich denn auf lange
Zeit wieder froh und glücklich." „Wenn es keinen Häschelhcmß gäbe — So
würde ich catholisch und machts wie Mahler Müller," sagt sie gleich in dem
ersten der erhaltenen Briefe. Rührend ist ihre Sorge bei seiner Krankheit.
Innig bewegt dankt sie der lieben Tochter für ihre Pflege, der Herzogin legt
sie „den innigsten Danck vor alle die gnädige Sorgfalt und Liebe zu Füssen"
und auch den braven Diener Geist vergißt sie nicht „und alle, die dich erquickt
und dein Leiden haben tragen helfen." Alles, was der Sohn thut, ist von
vornherein gut und richtig. Auch wenn er auf kleine Wünsche der um Für¬
sprache bei dem großen Dichter gar hänfig gebetenen Frau nicht eingeht, fügt
sie sich willig, weil Wolfgang es so gewollt hat. Als Freund Tesches,
des Rauch- und Schiiupstabakhäudlers, Lustspiel, das sie ihrem Sohne zuletzt
mit den Worten: „Lieber Himmel, es kahlen ja so viele um den Parnaß —
laße Ihn mit trabten — " zur Begutachtung empfohlen hatte, trotz aller Bitten
nicht gelesen wird, tröstet sie sich mit den Worten: „Er hat wahrscheinlich selber
Verzicht auf Antwort gethann — den Er fragt kein Wort mehr." Ihre liebende
Vergötterung des Sohnes half ihr auch sich leicht in ein Verhältnis finden,
das gerade ihr nach unserm Gefühl hätte peinlich sein müssen, die Gewissensehe
Goethes mit Christiane Vulpius. Sie hilft sich über das Äußere, über das
„Liebchen" und den „Bettschatz," wie sie selbst sagt, mit dem Gedanken hin¬
weg, daß eine fatale Ehe für den Sohn noch weit schlimmer wäre. Innerlich
hat sie das Verhältnis nie für etwas andres angesehen, als für ein eheliches.

Der erste Brief an Christiane, ohne Anrede (vom 20. Juni 1793), ist
noch etwas steif und kalt gehalten. „Tragen sie die Geschencke als ein kleines
Andencken von der Mutter deßjenigen, den Sie Lieben und hochachten und
der wircklich auch Liebe und Hochachtung verdient." Dazu meldet sie dem Sohne
von diesem „guten Briefelein, das deinem Liebgen vermuthlich Freude macheu
wird." Anders wird das Verhältnis, nachdem beide Frauen sich kennen gelernt
haben (1797). „Liebe Freundin" lautet nun die Anrede, bald wechselnd mit
„liebe Tochter," die Unterschrift „von Dero treuen Freundin und Mutter
Elisabeth Göthe." „Das Vergnügen — so beginnt der erste Brief nach der Abreise
Christianens — so ich in Ihrem Lieben treulichen Umgang genoßen macht mich
noch immer froh." Auch kann sie nicht genug die Wirtschaftlichkeit Christianens
loben: „ein wirthschaftliches Weib ist das edelste Geschenck vor einen Bieder¬
mann — da das Gegentheil alles zerrüttet und Unglück und Jammer über
die gantze Familie verbreitet — Bleiben Sie bey denen Ihnen beywohnenden
Edlen Grundsätzen." „Ich sehne mich Ihre schöne Häußliche Ordnung und
Wirthschaftlichte Beschäftigungen mit meinen Augen einzusehn — und Ihnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/40>, abgerufen am 29.06.2024.