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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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kommt wird aus gebreitet und uuter Danck Gott vorgelegt/' Als die Ver¬
handlungen über den Hansverkauf sich in die Länge ziehen, ist sie doch ohne
Sorge. Sie weiß es gewiß: "der Gott, der mir von Jugend an soviel Gnade
erwißen hat -- der wird schon ein Plätzgen aussuchen, wo ich meine alten
Tage ruhig und zufrieden beschließen kan." Bei jeder großen Freude und
bei jedem großen Glück, bei Errettung aus Krankheit oder Gefahr, ihr erster
Gedanke ist der Dank an Gott. "Vergiß es nie"; schreibt sie an den Sohn
nach den Schreckenstagen in Weimar 1806, "sowie ich es auch nie vergeße.
Er der große Helfer in allen Nöthen, wird ferner sorgen, ich bin ruhig wie
ein Kind an der Mutter Brust, den ich habe Glauben -- Vertrauen -- und
feste Zuversicht auf Ihn." Als Frankfurt plötzlich aus großer Kriegsgefahr
errettet worden war, ruft sie aus: "solle mein Glaube an die Ewige Vor¬
sehung wieder einmahl schwach werden -- so will ich mir zurufen: teilete an
den 22. April!"

Darum ist ihr auch die Bibel das liebste Buch, ihre Briefe sind voll von
Anspielungen und Zitaten aus ihr. Biblische Kernsprüche sind ihr Freude
und Trost im Unglück. Als im Februar 1801 die Nachricht von der Ge¬
nesung Goethes nach schwerer Erkrankung nach Frankfurt kam, war es ihr ein
"Vels und Danckfest": ,,Was ich gethan habe weiß niemand als ^ Gott!
Vermuthlich ist dir aus dem Sinne gekommen was du bey deiner Ankunft in
Straßburg -- da deine Gesundheit noch schwanckend war in dem Büchlein
das dir der Rath Moritz als Audencken mitgab, deu ersten Tag deines dvrt-
sehn drinnen aufschlugs --duschriebstmirs und dn warst wundersam bewegt -- ich
weiß es noch wie heute! Mache den Raum deiner Hütten weit, und breite aus die
Teppige deiner Wohnung, spahre sein nicht -- debile deine Seile lang und
stecke deine Nägel fest. Gelobet sey Gott!!! der die Nägel den 12. Jenner
1801 wieder fest gesteckt -- und die Seile aufs neue weit gedehnt hat." Und
ni dem Brief vom 3. Juni 1808 kurz vor ihrem Tode: "Ja, ja, man pflantzt
noch Weinberge an den Bergen Samarie -- man pflantzt und pfeift! So
"^te ich was guts von dir höre werden alle in meinem Hertzen bewahrte
Verheißungen lebendig -- Er! hält Glauben ewiglich Hallelujaü!"

Daß der Sohn im Mittelpunkte ihres ganzen Lebens, Denkens, Empfin¬
dens und Hoffens stand, davon hat uns schon Bettina prächtige Proben ge¬
geben, die oft angeführt worden sind. Unsre Briefe sind fast auf jeder Seite
laut redende Zeugen dessen, was Frau Rat im Innersten bewegte. Das
Mütterliche, das rein Menschliche ist es auch in diesen Briefen, was uns so
Mächtig anzieht. Die Tage, wo er bei ihr weilt, sind Jubel- und Dankfeste,
übrige Zeit lebt sie in der Hoffnung, ihn wieder bei sich zu haben. Bei
allem, was sie erlebt, malt sie sich aus, was er dazu sagen wird, jede Freude
^'ueßt sie in Gedanken mit ihm, und seine Gegenwart ersetzen die lieben
"6mese aus Weimar, "ihre Lebeustrvpfen, die sie um zehn Jahre jünger machen."


kommt wird aus gebreitet und uuter Danck Gott vorgelegt/' Als die Ver¬
handlungen über den Hansverkauf sich in die Länge ziehen, ist sie doch ohne
Sorge. Sie weiß es gewiß: „der Gott, der mir von Jugend an soviel Gnade
erwißen hat — der wird schon ein Plätzgen aussuchen, wo ich meine alten
Tage ruhig und zufrieden beschließen kan." Bei jeder großen Freude und
bei jedem großen Glück, bei Errettung aus Krankheit oder Gefahr, ihr erster
Gedanke ist der Dank an Gott. „Vergiß es nie"; schreibt sie an den Sohn
nach den Schreckenstagen in Weimar 1806, „sowie ich es auch nie vergeße.
Er der große Helfer in allen Nöthen, wird ferner sorgen, ich bin ruhig wie
ein Kind an der Mutter Brust, den ich habe Glauben — Vertrauen — und
feste Zuversicht auf Ihn." Als Frankfurt plötzlich aus großer Kriegsgefahr
errettet worden war, ruft sie aus: „solle mein Glaube an die Ewige Vor¬
sehung wieder einmahl schwach werden — so will ich mir zurufen: teilete an
den 22. April!"

Darum ist ihr auch die Bibel das liebste Buch, ihre Briefe sind voll von
Anspielungen und Zitaten aus ihr. Biblische Kernsprüche sind ihr Freude
und Trost im Unglück. Als im Februar 1801 die Nachricht von der Ge¬
nesung Goethes nach schwerer Erkrankung nach Frankfurt kam, war es ihr ein
„Vels und Danckfest": ,,Was ich gethan habe weiß niemand als ^ Gott!
Vermuthlich ist dir aus dem Sinne gekommen was du bey deiner Ankunft in
Straßburg — da deine Gesundheit noch schwanckend war in dem Büchlein
das dir der Rath Moritz als Audencken mitgab, deu ersten Tag deines dvrt-
sehn drinnen aufschlugs —duschriebstmirs und dn warst wundersam bewegt — ich
weiß es noch wie heute! Mache den Raum deiner Hütten weit, und breite aus die
Teppige deiner Wohnung, spahre sein nicht — debile deine Seile lang und
stecke deine Nägel fest. Gelobet sey Gott!!! der die Nägel den 12. Jenner
1801 wieder fest gesteckt — und die Seile aufs neue weit gedehnt hat." Und
ni dem Brief vom 3. Juni 1808 kurz vor ihrem Tode: „Ja, ja, man pflantzt
noch Weinberge an den Bergen Samarie — man pflantzt und pfeift! So
"^te ich was guts von dir höre werden alle in meinem Hertzen bewahrte
Verheißungen lebendig — Er! hält Glauben ewiglich Hallelujaü!"

Daß der Sohn im Mittelpunkte ihres ganzen Lebens, Denkens, Empfin¬
dens und Hoffens stand, davon hat uns schon Bettina prächtige Proben ge¬
geben, die oft angeführt worden sind. Unsre Briefe sind fast auf jeder Seite
laut redende Zeugen dessen, was Frau Rat im Innersten bewegte. Das
Mütterliche, das rein Menschliche ist es auch in diesen Briefen, was uns so
Mächtig anzieht. Die Tage, wo er bei ihr weilt, sind Jubel- und Dankfeste,
übrige Zeit lebt sie in der Hoffnung, ihn wieder bei sich zu haben. Bei
allem, was sie erlebt, malt sie sich aus, was er dazu sagen wird, jede Freude
^'ueßt sie in Gedanken mit ihm, und seine Gegenwart ersetzen die lieben
"6mese aus Weimar, „ihre Lebeustrvpfen, die sie um zehn Jahre jünger machen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/39>, abgerufen am 26.06.2024.