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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Das Wetterrätsel

Lichtstrahlen, die durch Eiskörperchen gebrochen und abgelenkt worden sind,
aber diese Eiskörperchen befinden sich nicht in unsrer Atmosphäre, sondern in
den mehrerwähnten Ringen, Ebenso erlangen die Sternschnuppen ihre Sicht¬
barkeit beim Durchgang durch diese.

Welchen Einfluß üben nun diese Ringe auf unsre Atmosphäre und damit
auf das Wetter aus. Um dies zu zeigen, muß Herr Guido Lamprecht die
Theorie des Lichts, der Wärme und der Elektrizität umgestalten und annehmen,
daß das Licht sowohl Längs- wie Querschwingungen mache, daß die Elektrizität
in der Trennung dieser Schwingungen in Längs- und Qnerschwingungen be¬
stehe und daß die Wärme wiederum eine Folge der Elektrizität sei, daß also die
in den Ringen entstehenden elektrischen Spannungen auf die Atmosphäre wirken und
dort Wärmeunterschiede und damit Wind und Niederschläge hervorrufen. Die
Erdenringe bestehen aus verschieden dichten Wolken von Eiskrhstallen, von denen
jeder ein aktinisches elektrisches Element darstellt. Es bilden nun die verschiednen
Ringe zusammen eine die Erde umgebende Influenzmaschine. Die elektromo¬
torische Kraft des Eises und der Sonnenstrahlung bleibt stets dieselbe, die
Elektrizitätsscheidung hängt von dem Übereinanderfnllen der Ringkerne ab. Die
Luft auf der Erde ist in steter Bewegung vom Äquator nach den Polen, vom
Festlande nach dem Wasser und umgekehrt; hierbei wird sie gezwungen, die
Kraftflächen der Luftelektrizität zu durchschneiden, und hierdurch wird sie im eignen
elektrischen Zustande und demzufolge auch in der Temperatur geändert. Es ist
"tho nicht so, wie man bisher annahm, daß starke Gegensätze von Wärme und
Sättigungsgrad der Luft die elektrischen Erscheinungen hervorrufen, sondern
umgekehrt. '

Man muß sagen, der Verfasser ist in der Aufstellung von Hypothesen nicht
schüchtern. Man muß anerkennen, daß er mit Scharfsinn und Kenntnissen aus¬
gerüstet ist und daß er -- in wissenschaftlichem Sinne -- Phantasie besitzt.
Aber die besaß Jules Verne auch. Wir wollen ihm aus seiner Kühnheit keinen
Vorwurf machen; sie könnte Genialität heißen, wenn sie das Richtige träfe.
Und wenn der Gedankenbau des Verfnsfers die sonst üblichen Bauwerke um so
viel überragte, wie der Eiffelturm die andern Türme, warum sollte er nicht stehen
können? -- vorausgesetzt, daß er eben so breit und richtig gegründet wäre wie
jener. Der Verfasser gestaltet die metreologische Physik von Grund aus um, fängt
Zodiakallicht, Corona und Sternschnuppen ein, macht die Erde zu einem zweiten
Saturn und gründet dies alles aus -- eine neunjährige Beobachtung der Nieder¬
schläge im Königreich Sachsen. Da baut er in der That eine Art Eiffelturm,
aber einen, der die Spitze unten hat. Es ist doch klar, daß der Witterungs-
^erlauf ein andrer in Sachsen ist, als in Preußen, England oder in Frankreich.
Wäre nun der französische, preußische oder englische Stoff zu Grunde gelegt
worden, so wären andre Perioden zu Tage gekommen. Und noch anders wären

Ergebnisse gewesen, wenn man alle diese Länder zusammengefaßt hätte.


Grenzboten I 1890 4g
Das Wetterrätsel

Lichtstrahlen, die durch Eiskörperchen gebrochen und abgelenkt worden sind,
aber diese Eiskörperchen befinden sich nicht in unsrer Atmosphäre, sondern in
den mehrerwähnten Ringen, Ebenso erlangen die Sternschnuppen ihre Sicht¬
barkeit beim Durchgang durch diese.

Welchen Einfluß üben nun diese Ringe auf unsre Atmosphäre und damit
auf das Wetter aus. Um dies zu zeigen, muß Herr Guido Lamprecht die
Theorie des Lichts, der Wärme und der Elektrizität umgestalten und annehmen,
daß das Licht sowohl Längs- wie Querschwingungen mache, daß die Elektrizität
in der Trennung dieser Schwingungen in Längs- und Qnerschwingungen be¬
stehe und daß die Wärme wiederum eine Folge der Elektrizität sei, daß also die
in den Ringen entstehenden elektrischen Spannungen auf die Atmosphäre wirken und
dort Wärmeunterschiede und damit Wind und Niederschläge hervorrufen. Die
Erdenringe bestehen aus verschieden dichten Wolken von Eiskrhstallen, von denen
jeder ein aktinisches elektrisches Element darstellt. Es bilden nun die verschiednen
Ringe zusammen eine die Erde umgebende Influenzmaschine. Die elektromo¬
torische Kraft des Eises und der Sonnenstrahlung bleibt stets dieselbe, die
Elektrizitätsscheidung hängt von dem Übereinanderfnllen der Ringkerne ab. Die
Luft auf der Erde ist in steter Bewegung vom Äquator nach den Polen, vom
Festlande nach dem Wasser und umgekehrt; hierbei wird sie gezwungen, die
Kraftflächen der Luftelektrizität zu durchschneiden, und hierdurch wird sie im eignen
elektrischen Zustande und demzufolge auch in der Temperatur geändert. Es ist
"tho nicht so, wie man bisher annahm, daß starke Gegensätze von Wärme und
Sättigungsgrad der Luft die elektrischen Erscheinungen hervorrufen, sondern
umgekehrt. '

Man muß sagen, der Verfasser ist in der Aufstellung von Hypothesen nicht
schüchtern. Man muß anerkennen, daß er mit Scharfsinn und Kenntnissen aus¬
gerüstet ist und daß er — in wissenschaftlichem Sinne — Phantasie besitzt.
Aber die besaß Jules Verne auch. Wir wollen ihm aus seiner Kühnheit keinen
Vorwurf machen; sie könnte Genialität heißen, wenn sie das Richtige träfe.
Und wenn der Gedankenbau des Verfnsfers die sonst üblichen Bauwerke um so
viel überragte, wie der Eiffelturm die andern Türme, warum sollte er nicht stehen
können? — vorausgesetzt, daß er eben so breit und richtig gegründet wäre wie
jener. Der Verfasser gestaltet die metreologische Physik von Grund aus um, fängt
Zodiakallicht, Corona und Sternschnuppen ein, macht die Erde zu einem zweiten
Saturn und gründet dies alles aus — eine neunjährige Beobachtung der Nieder¬
schläge im Königreich Sachsen. Da baut er in der That eine Art Eiffelturm,
aber einen, der die Spitze unten hat. Es ist doch klar, daß der Witterungs-
^erlauf ein andrer in Sachsen ist, als in Preußen, England oder in Frankreich.
Wäre nun der französische, preußische oder englische Stoff zu Grunde gelegt
worden, so wären andre Perioden zu Tage gekommen. Und noch anders wären

Ergebnisse gewesen, wenn man alle diese Länder zusammengefaßt hätte.


Grenzboten I 1890 4g
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[0385] Das Wetterrätsel Lichtstrahlen, die durch Eiskörperchen gebrochen und abgelenkt worden sind, aber diese Eiskörperchen befinden sich nicht in unsrer Atmosphäre, sondern in den mehrerwähnten Ringen, Ebenso erlangen die Sternschnuppen ihre Sicht¬ barkeit beim Durchgang durch diese. Welchen Einfluß üben nun diese Ringe auf unsre Atmosphäre und damit auf das Wetter aus. Um dies zu zeigen, muß Herr Guido Lamprecht die Theorie des Lichts, der Wärme und der Elektrizität umgestalten und annehmen, daß das Licht sowohl Längs- wie Querschwingungen mache, daß die Elektrizität in der Trennung dieser Schwingungen in Längs- und Qnerschwingungen be¬ stehe und daß die Wärme wiederum eine Folge der Elektrizität sei, daß also die in den Ringen entstehenden elektrischen Spannungen auf die Atmosphäre wirken und dort Wärmeunterschiede und damit Wind und Niederschläge hervorrufen. Die Erdenringe bestehen aus verschieden dichten Wolken von Eiskrhstallen, von denen jeder ein aktinisches elektrisches Element darstellt. Es bilden nun die verschiednen Ringe zusammen eine die Erde umgebende Influenzmaschine. Die elektromo¬ torische Kraft des Eises und der Sonnenstrahlung bleibt stets dieselbe, die Elektrizitätsscheidung hängt von dem Übereinanderfnllen der Ringkerne ab. Die Luft auf der Erde ist in steter Bewegung vom Äquator nach den Polen, vom Festlande nach dem Wasser und umgekehrt; hierbei wird sie gezwungen, die Kraftflächen der Luftelektrizität zu durchschneiden, und hierdurch wird sie im eignen elektrischen Zustande und demzufolge auch in der Temperatur geändert. Es ist "tho nicht so, wie man bisher annahm, daß starke Gegensätze von Wärme und Sättigungsgrad der Luft die elektrischen Erscheinungen hervorrufen, sondern umgekehrt. ' Man muß sagen, der Verfasser ist in der Aufstellung von Hypothesen nicht schüchtern. Man muß anerkennen, daß er mit Scharfsinn und Kenntnissen aus¬ gerüstet ist und daß er — in wissenschaftlichem Sinne — Phantasie besitzt. Aber die besaß Jules Verne auch. Wir wollen ihm aus seiner Kühnheit keinen Vorwurf machen; sie könnte Genialität heißen, wenn sie das Richtige träfe. Und wenn der Gedankenbau des Verfnsfers die sonst üblichen Bauwerke um so viel überragte, wie der Eiffelturm die andern Türme, warum sollte er nicht stehen können? — vorausgesetzt, daß er eben so breit und richtig gegründet wäre wie jener. Der Verfasser gestaltet die metreologische Physik von Grund aus um, fängt Zodiakallicht, Corona und Sternschnuppen ein, macht die Erde zu einem zweiten Saturn und gründet dies alles aus — eine neunjährige Beobachtung der Nieder¬ schläge im Königreich Sachsen. Da baut er in der That eine Art Eiffelturm, aber einen, der die Spitze unten hat. Es ist doch klar, daß der Witterungs- ^erlauf ein andrer in Sachsen ist, als in Preußen, England oder in Frankreich. Wäre nun der französische, preußische oder englische Stoff zu Grunde gelegt worden, so wären andre Perioden zu Tage gekommen. Und noch anders wären Ergebnisse gewesen, wenn man alle diese Länder zusammengefaßt hätte. Grenzboten I 1890 4g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/385>, abgerufen am 23.07.2024.