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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Und dies wäre immer erst ein Stück von Europa gewesen -- was ist das
aber gegen die Erdoberfläche! Der Verfasser Hütte sich Gewißheit darüber
verschaffen solle", ob seine von einem so kleinen Stückchen der Welt und der
Zeit genommenen Zahlen nicht auf Zufall beruhen. Er hätte sich den Be¬
weis, daß es Witteruugsperioden giebt, nicht so leicht machen sollen. Es ist
zweifellos, daß ihm beim Zusammenfassen größerer Räume seine Perioden
unter der Hand verschwunden wären. Wie, wenn der Wechsel von warmen
und kalten Jahren nur in einer Verschiebung der polaren und äquatorialen
Strömungen bestciude? Das will sagen: es kann immerhin sein, daß während wir
deu ganzen Januar hindurch unter dem Einflüsse einer südwestlichen Strömung
standen, die zugehörige nördliche Strömung über Sibirien oder den großen
Ozean oder Kanada gegangen ist.^) Es kann sein, daß die Ausgleichung zwischen
den beiden Polen und dem Äquator in verschiednen Jahren verschieden verteilt
ist, daß also, während wir milde Jahre haben, auf der Südseite der Erde das
Gegenteil der Fall ist. An eine Wetterbildung "von Fall zu Fall" glaube"
wir nicht, es sind sicherlich ausgleichende Ordnungen vorhanden, es sind sicherlich
Perioden vorhanden. Aber daß diese periodischen Schwankungen die ganze
Erde berühren, das muß nachgewiesen sein, ehe wir annehmen dürfen, daß
außerirdische Ursachen vorhanden seien, die die Witterung in periodischer Weise
beeinflussen.

Der Verfasser liefert schließlich selbst den Beweis, daß der Versuch, mit
mathematischen Mitteln aus den Beobachtnngszahlen Periode" zu bilden, ver¬
geblich ist. Er ist sich darüber klar, daß sich mit seinen Ringen Wetter¬
voraussage" "in so weniger machen lassen, da die Erdvrte unbestimmt bleiben
würden. Statt dessen versucht er es, durch Wahrscheinlichkeitsberechnungc'N
aus den Abweichungen der Monatsmittel von 18^0 bis 1884 und den Tem¬
peraturmitteln von 1855 bis 1884 in Leipzig für die nächsten fünf Jahre
Anhaltepunkte zu gewinnen, indem er annimmt, daß wenn eine Funktion eine
endliche Strecke entlang gilt, sie auch angenähert für die nächsten Rückwärts- und
Vvrwärtsverläugerungen gelte. Dies mag in der That bei Kurven- oder Kometen¬
bahnen gelten, aber ob die Wittcruugserscheinungen solchen gesetzmäßigen Gang
haben, das ist eben die Frage. Herr Guido Lnmprecht hat die Monatscharaktere
für die Jahre 1890 bis 1894 berechnet und die Abweichungen vom Mittel durch
Zahlen und Vorzeichen angegeben. Hiernach kommen ans das Jahr 1890 und
die einzelnen Monate folgende Werte:
Jan. Febr. Mürz April Mai Juni Juli Aug. Septbr. Oktbr. Novbr. Dezbr.
- 7 0 --1 -!-4 -i-4 -l-et -- 6 --1 0 -i-6 > 2 -> 4.
"Für 1890 habe ich -- schreibt der Verfasser diese Zahlen folgendermaßen
gedeutet: Januar: starke ausgedehnte Schneefälle und darauf anhaltende strenge



Die hier ausgesprochene Vermutung scheint durch die neuesten Meldungen von außer¬
gewöhnlichen Schneemassen im Westen von Amerika Bestätigung zu finden.

Und dies wäre immer erst ein Stück von Europa gewesen — was ist das
aber gegen die Erdoberfläche! Der Verfasser Hütte sich Gewißheit darüber
verschaffen solle», ob seine von einem so kleinen Stückchen der Welt und der
Zeit genommenen Zahlen nicht auf Zufall beruhen. Er hätte sich den Be¬
weis, daß es Witteruugsperioden giebt, nicht so leicht machen sollen. Es ist
zweifellos, daß ihm beim Zusammenfassen größerer Räume seine Perioden
unter der Hand verschwunden wären. Wie, wenn der Wechsel von warmen
und kalten Jahren nur in einer Verschiebung der polaren und äquatorialen
Strömungen bestciude? Das will sagen: es kann immerhin sein, daß während wir
deu ganzen Januar hindurch unter dem Einflüsse einer südwestlichen Strömung
standen, die zugehörige nördliche Strömung über Sibirien oder den großen
Ozean oder Kanada gegangen ist.^) Es kann sein, daß die Ausgleichung zwischen
den beiden Polen und dem Äquator in verschiednen Jahren verschieden verteilt
ist, daß also, während wir milde Jahre haben, auf der Südseite der Erde das
Gegenteil der Fall ist. An eine Wetterbildung „von Fall zu Fall" glaube»
wir nicht, es sind sicherlich ausgleichende Ordnungen vorhanden, es sind sicherlich
Perioden vorhanden. Aber daß diese periodischen Schwankungen die ganze
Erde berühren, das muß nachgewiesen sein, ehe wir annehmen dürfen, daß
außerirdische Ursachen vorhanden seien, die die Witterung in periodischer Weise
beeinflussen.

Der Verfasser liefert schließlich selbst den Beweis, daß der Versuch, mit
mathematischen Mitteln aus den Beobachtnngszahlen Periode» zu bilden, ver¬
geblich ist. Er ist sich darüber klar, daß sich mit seinen Ringen Wetter¬
voraussage» »in so weniger machen lassen, da die Erdvrte unbestimmt bleiben
würden. Statt dessen versucht er es, durch Wahrscheinlichkeitsberechnungc'N
aus den Abweichungen der Monatsmittel von 18^0 bis 1884 und den Tem¬
peraturmitteln von 1855 bis 1884 in Leipzig für die nächsten fünf Jahre
Anhaltepunkte zu gewinnen, indem er annimmt, daß wenn eine Funktion eine
endliche Strecke entlang gilt, sie auch angenähert für die nächsten Rückwärts- und
Vvrwärtsverläugerungen gelte. Dies mag in der That bei Kurven- oder Kometen¬
bahnen gelten, aber ob die Wittcruugserscheinungen solchen gesetzmäßigen Gang
haben, das ist eben die Frage. Herr Guido Lnmprecht hat die Monatscharaktere
für die Jahre 1890 bis 1894 berechnet und die Abweichungen vom Mittel durch
Zahlen und Vorzeichen angegeben. Hiernach kommen ans das Jahr 1890 und
die einzelnen Monate folgende Werte:
Jan. Febr. Mürz April Mai Juni Juli Aug. Septbr. Oktbr. Novbr. Dezbr.
- 7 0 —1 -!-4 -i-4 -l-et — 6 —1 0 -i-6 > 2 -> 4.
„Für 1890 habe ich — schreibt der Verfasser diese Zahlen folgendermaßen
gedeutet: Januar: starke ausgedehnte Schneefälle und darauf anhaltende strenge



Die hier ausgesprochene Vermutung scheint durch die neuesten Meldungen von außer¬
gewöhnlichen Schneemassen im Westen von Amerika Bestätigung zu finden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/386>, abgerufen am 23.07.2024.