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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die spätere Vasenmalerei aber wendet sich, wenn sie komische Vorgänge dar¬
stellen will, am liebsten den Szenen der Komödie zu; diese Darstellungen
jedoch, bei denen schon das den auftretenden Figuren gegebene Theaterkostüm
die Entstehung des Motivs verrät, wollen wir bei unsrer folgenden Betrach¬
tung ganz außer Acht lassen, da sie in Erfindung und Ausführung nicht
selbständige Schöpfungen, sondern lediglich Nachbildungen eines auf der Bühne
geschauten Vorgangs sind. Nur mit komischen, nicht mit Komödienszenen haben
wir es hier zu thun.

Wenden wir uns nun nach dieser kurzen Betrachtung derjenigen Gebiete
der Kunst, in denen wir das komische Element namentlich zu suchen haben,
den Stoffen zu, die in der alten Kunst besonders komische oder humoristische
Behandlung gesunden haben. Da ist es zunächst selbstverständlich, daß der
Kreis der obern Götter fast ganz unberührt bleibt. Zeus, der Vater der
Götter und Menschen, ist zwar bekanntlich keineswegs frei von recht mensch¬
lichen Schwächen und Gebrechen, denen sich wohl auch eine lächerliche Seite
abgewinnen läßt; und die Litteratur, namentlich Komiker und Satiriker, haben
sich auch keineswegs davor gescheut, dergleichen Szenen, zumal die verliebten
Abenteuer des Göttervaters, in komischen Szenen zu behandeln. Allein die
Kunst folgt ihnen auf diesem Wege nur selten nach. Zwar finden wir auf
einem Vasengemälde den Zeus, wie er in der Figur des Amphitryon, eine
Leiter über den Hals gelegt, am Fenster der Alkmene Einlaß begehrt, während
neben ihm Hermes als Sofias dazu die Lampe hält; aber das ist nur die
Nachbildung irgend einer derben Possenszene, und die dargestellten Figuren
sind nicht Zeus und Hermes selbst, sondern zwei komische Schauspieler, die
den Zeus und Hermes spielen. Nun hat sich allerdings die Kunst ebenso
wenig wie die Litteratur davor gescheut, die Götter gelegentlich parodisch zu
behandeln, und wir werden auf dergleichen Beispiele noch zurückzukommen haben;
aber der Scherz der Parodie raubte den Göttern nichts von ihrem Ansehen,
während eine komische Auffassung der Mythen ihrer Heiligkeit Eintrag gethan
hätte. Es mag das seltsam erscheinen, aber es war doch so; und es findet
sogar in manchen Verhältnissen der mittelalterlichen Kirche, namentlich in den
Possenhaften Szenen der Mysterienspiele, ein gewisses Seitenstück, mir freilich
in entgegengesetztem Sinne, da die Kirche wohl eine recht lustige Auffassung
mancher heiligen Szenen oder Persönlichkeiten erlaubte, eine Parodirung aber
nie gestattet haben würde. Demnach behandelt denn die Kunst die Liebes¬
abenteuer des Zeus in der Regel vollkommen ernst, oder wo sie etwas
Scherzhaftes anbringt, wird nicht der Gott selbst, sondern der Gegenstand
seiner Neigung davon betroffen. So z. B. wenn auf einem Basenbilde
die vom Stier entführte Europa die bekannte, Unheil abwehrende Ge¬
berde der Feige (dio-z.) macht oder auf einem andern behaglich an einer Blume
riecht, während am Ufer, dem sie sich nähert, ein Häschen, hänfig auf antiken


Die spätere Vasenmalerei aber wendet sich, wenn sie komische Vorgänge dar¬
stellen will, am liebsten den Szenen der Komödie zu; diese Darstellungen
jedoch, bei denen schon das den auftretenden Figuren gegebene Theaterkostüm
die Entstehung des Motivs verrät, wollen wir bei unsrer folgenden Betrach¬
tung ganz außer Acht lassen, da sie in Erfindung und Ausführung nicht
selbständige Schöpfungen, sondern lediglich Nachbildungen eines auf der Bühne
geschauten Vorgangs sind. Nur mit komischen, nicht mit Komödienszenen haben
wir es hier zu thun.

Wenden wir uns nun nach dieser kurzen Betrachtung derjenigen Gebiete
der Kunst, in denen wir das komische Element namentlich zu suchen haben,
den Stoffen zu, die in der alten Kunst besonders komische oder humoristische
Behandlung gesunden haben. Da ist es zunächst selbstverständlich, daß der
Kreis der obern Götter fast ganz unberührt bleibt. Zeus, der Vater der
Götter und Menschen, ist zwar bekanntlich keineswegs frei von recht mensch¬
lichen Schwächen und Gebrechen, denen sich wohl auch eine lächerliche Seite
abgewinnen läßt; und die Litteratur, namentlich Komiker und Satiriker, haben
sich auch keineswegs davor gescheut, dergleichen Szenen, zumal die verliebten
Abenteuer des Göttervaters, in komischen Szenen zu behandeln. Allein die
Kunst folgt ihnen auf diesem Wege nur selten nach. Zwar finden wir auf
einem Vasengemälde den Zeus, wie er in der Figur des Amphitryon, eine
Leiter über den Hals gelegt, am Fenster der Alkmene Einlaß begehrt, während
neben ihm Hermes als Sofias dazu die Lampe hält; aber das ist nur die
Nachbildung irgend einer derben Possenszene, und die dargestellten Figuren
sind nicht Zeus und Hermes selbst, sondern zwei komische Schauspieler, die
den Zeus und Hermes spielen. Nun hat sich allerdings die Kunst ebenso
wenig wie die Litteratur davor gescheut, die Götter gelegentlich parodisch zu
behandeln, und wir werden auf dergleichen Beispiele noch zurückzukommen haben;
aber der Scherz der Parodie raubte den Göttern nichts von ihrem Ansehen,
während eine komische Auffassung der Mythen ihrer Heiligkeit Eintrag gethan
hätte. Es mag das seltsam erscheinen, aber es war doch so; und es findet
sogar in manchen Verhältnissen der mittelalterlichen Kirche, namentlich in den
Possenhaften Szenen der Mysterienspiele, ein gewisses Seitenstück, mir freilich
in entgegengesetztem Sinne, da die Kirche wohl eine recht lustige Auffassung
mancher heiligen Szenen oder Persönlichkeiten erlaubte, eine Parodirung aber
nie gestattet haben würde. Demnach behandelt denn die Kunst die Liebes¬
abenteuer des Zeus in der Regel vollkommen ernst, oder wo sie etwas
Scherzhaftes anbringt, wird nicht der Gott selbst, sondern der Gegenstand
seiner Neigung davon betroffen. So z. B. wenn auf einem Basenbilde
die vom Stier entführte Europa die bekannte, Unheil abwehrende Ge¬
berde der Feige (dio-z.) macht oder auf einem andern behaglich an einer Blume
riecht, während am Ufer, dem sie sich nähert, ein Häschen, hänfig auf antiken


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[0340] Die spätere Vasenmalerei aber wendet sich, wenn sie komische Vorgänge dar¬ stellen will, am liebsten den Szenen der Komödie zu; diese Darstellungen jedoch, bei denen schon das den auftretenden Figuren gegebene Theaterkostüm die Entstehung des Motivs verrät, wollen wir bei unsrer folgenden Betrach¬ tung ganz außer Acht lassen, da sie in Erfindung und Ausführung nicht selbständige Schöpfungen, sondern lediglich Nachbildungen eines auf der Bühne geschauten Vorgangs sind. Nur mit komischen, nicht mit Komödienszenen haben wir es hier zu thun. Wenden wir uns nun nach dieser kurzen Betrachtung derjenigen Gebiete der Kunst, in denen wir das komische Element namentlich zu suchen haben, den Stoffen zu, die in der alten Kunst besonders komische oder humoristische Behandlung gesunden haben. Da ist es zunächst selbstverständlich, daß der Kreis der obern Götter fast ganz unberührt bleibt. Zeus, der Vater der Götter und Menschen, ist zwar bekanntlich keineswegs frei von recht mensch¬ lichen Schwächen und Gebrechen, denen sich wohl auch eine lächerliche Seite abgewinnen läßt; und die Litteratur, namentlich Komiker und Satiriker, haben sich auch keineswegs davor gescheut, dergleichen Szenen, zumal die verliebten Abenteuer des Göttervaters, in komischen Szenen zu behandeln. Allein die Kunst folgt ihnen auf diesem Wege nur selten nach. Zwar finden wir auf einem Vasengemälde den Zeus, wie er in der Figur des Amphitryon, eine Leiter über den Hals gelegt, am Fenster der Alkmene Einlaß begehrt, während neben ihm Hermes als Sofias dazu die Lampe hält; aber das ist nur die Nachbildung irgend einer derben Possenszene, und die dargestellten Figuren sind nicht Zeus und Hermes selbst, sondern zwei komische Schauspieler, die den Zeus und Hermes spielen. Nun hat sich allerdings die Kunst ebenso wenig wie die Litteratur davor gescheut, die Götter gelegentlich parodisch zu behandeln, und wir werden auf dergleichen Beispiele noch zurückzukommen haben; aber der Scherz der Parodie raubte den Göttern nichts von ihrem Ansehen, während eine komische Auffassung der Mythen ihrer Heiligkeit Eintrag gethan hätte. Es mag das seltsam erscheinen, aber es war doch so; und es findet sogar in manchen Verhältnissen der mittelalterlichen Kirche, namentlich in den Possenhaften Szenen der Mysterienspiele, ein gewisses Seitenstück, mir freilich in entgegengesetztem Sinne, da die Kirche wohl eine recht lustige Auffassung mancher heiligen Szenen oder Persönlichkeiten erlaubte, eine Parodirung aber nie gestattet haben würde. Demnach behandelt denn die Kunst die Liebes¬ abenteuer des Zeus in der Regel vollkommen ernst, oder wo sie etwas Scherzhaftes anbringt, wird nicht der Gott selbst, sondern der Gegenstand seiner Neigung davon betroffen. So z. B. wenn auf einem Basenbilde die vom Stier entführte Europa die bekannte, Unheil abwehrende Ge¬ berde der Feige (dio-z.) macht oder auf einem andern behaglich an einer Blume riecht, während am Ufer, dem sie sich nähert, ein Häschen, hänfig auf antiken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/340>, abgerufen am 28.09.2024.