Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

zuwandten; aber anderseits lehren uns doch die Nachrichten der Alten, das; es
mich nnter den griechischen Künstlern Genremaler gab, die Vorgänge des täg¬
lichen Lebens, Szenen der Straße, des Handwerkslebens n. tgi. malten, und
daß sie diese Stoffe gelegentlich wollt auch in komischer Weise aufgefaßt haben
werden, kann man vermuten, es ist hie und dn mich ausdrücklich bezeugt.
Einen spärlichen Ersatz für die verlorenen Tafelgemälde der Alten geben uns
die Wandmalereien von Pompeji und Herculaneum; aber der Geschmack der
Zeit, in der diese Zimmerdekorcitivnen hergestellt wurden, verlangte namentlich
mythologische Stoffe, und dn die Künstler, die den Pompejanern ihre Wände
schmückten, meist handnierksinäßig mit wenig eigner Erfindungsgabe nach alten
Mustern arbeiteten, so ist anch hier vom komischen Element nur gelegentlich
etwas zu spüren; am meisten in den verhältnismäßig nicht gerade zahlreichen
Bildern, die uns Szenen des Alltagslebens vorführen. Um so reichhaltiger ist
dagegen die Vasenmalerei, deren Erzeugnisse, wie sie das ganze Gebiet der
Götter- und Heldensage in unendlicher Mannichfaltigkeit umfassen, so auch
neben dem Ernster und Tragischen das Komische gern darstellen; meist in
urwüchsiger Weise, denn es waren ja keine eigentlichen Künstler, die die Thon¬
gefäße bemalten, fondern schlichte Handwerker, aber dabei doch nicht selten mit
einer solche" Eleganz der Darstellung und mit so gefunden Witz, daß mancher
moderne Maler sie darum beneiden könnte. Auch hier liegt freilich mitunter
die Gefahr nahe, daß wir den kölnischen Eindruck, den die naiven, unbeholfenen
Pinseleien der ältern Vasenmalerei heutzutage auf uns machen, für beabsichtigt
halten, während er doch nur eine Folge der noch in den Windeln befindlichen
Technik ist; und es giebt eine beträchtliche Zahl von Beispielen, wo selbst die
Archäologen von Fach darüber uneinig sind, ob die komische Wirkung des
Gemäldes beabsichtigt oder unbeabsichtigt ist. Aber stellenweise tritt doch schon
in den ältesten Erzeugnissen der Vasenmalerei in irgend einem kleinen Zuge
der bewußte Humor deutlich zu Tage. Wenn z. B. ein schwarzsigurigcs Vasen¬
bild uus die Blendung Polhphems vorführt, so wird man sich durch die
unbeholfenen Figuren der dabei thätigen Geführten des Odysseus, die dem
Khklopen den Baumstamm ins Auge bohren, durch die spindeldürren Arme
und Beine nicht irreführen lassen, da eben die damalige Vasenmalerei sich
noch nicht auf treuere Darstellung des menschlichen Körpers verstand; wenn
aber hier der letzte in der Reihe sich umdreht und, um dem Stoß des Baum¬
stammes mehr Gewicht und Nachdruck zu geben, sein Beinchen eifrig gegen
die Mauer stemmt, so bringt dies in den Vorgang einen humoristischen Zug,
der vom Künstler sicherlich beabsichtigt war. Übrigens ist zu beachten, daß
gerade die ältere Vasenmalerei, die schwarzsigurige und die rvtfigurige des
strengen Stils, Vorliebe für komische Stoffe und humoristische Behandlungs-
weise hat, während der sogenannte erhabne oder hohe Stil und ebenso der
is>n folgende anmutige Stil bei weitem seltner auf solchen Bahnen wandeln.


zuwandten; aber anderseits lehren uns doch die Nachrichten der Alten, das; es
mich nnter den griechischen Künstlern Genremaler gab, die Vorgänge des täg¬
lichen Lebens, Szenen der Straße, des Handwerkslebens n. tgi. malten, und
daß sie diese Stoffe gelegentlich wollt auch in komischer Weise aufgefaßt haben
werden, kann man vermuten, es ist hie und dn mich ausdrücklich bezeugt.
Einen spärlichen Ersatz für die verlorenen Tafelgemälde der Alten geben uns
die Wandmalereien von Pompeji und Herculaneum; aber der Geschmack der
Zeit, in der diese Zimmerdekorcitivnen hergestellt wurden, verlangte namentlich
mythologische Stoffe, und dn die Künstler, die den Pompejanern ihre Wände
schmückten, meist handnierksinäßig mit wenig eigner Erfindungsgabe nach alten
Mustern arbeiteten, so ist anch hier vom komischen Element nur gelegentlich
etwas zu spüren; am meisten in den verhältnismäßig nicht gerade zahlreichen
Bildern, die uns Szenen des Alltagslebens vorführen. Um so reichhaltiger ist
dagegen die Vasenmalerei, deren Erzeugnisse, wie sie das ganze Gebiet der
Götter- und Heldensage in unendlicher Mannichfaltigkeit umfassen, so auch
neben dem Ernster und Tragischen das Komische gern darstellen; meist in
urwüchsiger Weise, denn es waren ja keine eigentlichen Künstler, die die Thon¬
gefäße bemalten, fondern schlichte Handwerker, aber dabei doch nicht selten mit
einer solche» Eleganz der Darstellung und mit so gefunden Witz, daß mancher
moderne Maler sie darum beneiden könnte. Auch hier liegt freilich mitunter
die Gefahr nahe, daß wir den kölnischen Eindruck, den die naiven, unbeholfenen
Pinseleien der ältern Vasenmalerei heutzutage auf uns machen, für beabsichtigt
halten, während er doch nur eine Folge der noch in den Windeln befindlichen
Technik ist; und es giebt eine beträchtliche Zahl von Beispielen, wo selbst die
Archäologen von Fach darüber uneinig sind, ob die komische Wirkung des
Gemäldes beabsichtigt oder unbeabsichtigt ist. Aber stellenweise tritt doch schon
in den ältesten Erzeugnissen der Vasenmalerei in irgend einem kleinen Zuge
der bewußte Humor deutlich zu Tage. Wenn z. B. ein schwarzsigurigcs Vasen¬
bild uus die Blendung Polhphems vorführt, so wird man sich durch die
unbeholfenen Figuren der dabei thätigen Geführten des Odysseus, die dem
Khklopen den Baumstamm ins Auge bohren, durch die spindeldürren Arme
und Beine nicht irreführen lassen, da eben die damalige Vasenmalerei sich
noch nicht auf treuere Darstellung des menschlichen Körpers verstand; wenn
aber hier der letzte in der Reihe sich umdreht und, um dem Stoß des Baum¬
stammes mehr Gewicht und Nachdruck zu geben, sein Beinchen eifrig gegen
die Mauer stemmt, so bringt dies in den Vorgang einen humoristischen Zug,
der vom Künstler sicherlich beabsichtigt war. Übrigens ist zu beachten, daß
gerade die ältere Vasenmalerei, die schwarzsigurige und die rvtfigurige des
strengen Stils, Vorliebe für komische Stoffe und humoristische Behandlungs-
weise hat, während der sogenannte erhabne oder hohe Stil und ebenso der
is>n folgende anmutige Stil bei weitem seltner auf solchen Bahnen wandeln.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206984"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_892" prev="#ID_891" next="#ID_893"> zuwandten; aber anderseits lehren uns doch die Nachrichten der Alten, das; es<lb/>
mich nnter den griechischen Künstlern Genremaler gab, die Vorgänge des täg¬<lb/>
lichen Lebens, Szenen der Straße, des Handwerkslebens n. tgi. malten, und<lb/>
daß sie diese Stoffe gelegentlich wollt auch in komischer Weise aufgefaßt haben<lb/>
werden, kann man vermuten, es ist hie und dn mich ausdrücklich bezeugt.<lb/>
Einen spärlichen Ersatz für die verlorenen Tafelgemälde der Alten geben uns<lb/>
die Wandmalereien von Pompeji und Herculaneum; aber der Geschmack der<lb/>
Zeit, in der diese Zimmerdekorcitivnen hergestellt wurden, verlangte namentlich<lb/>
mythologische Stoffe, und dn die Künstler, die den Pompejanern ihre Wände<lb/>
schmückten, meist handnierksinäßig mit wenig eigner Erfindungsgabe nach alten<lb/>
Mustern arbeiteten, so ist anch hier vom komischen Element nur gelegentlich<lb/>
etwas zu spüren; am meisten in den verhältnismäßig nicht gerade zahlreichen<lb/>
Bildern, die uns Szenen des Alltagslebens vorführen. Um so reichhaltiger ist<lb/>
dagegen die Vasenmalerei, deren Erzeugnisse, wie sie das ganze Gebiet der<lb/>
Götter- und Heldensage in unendlicher Mannichfaltigkeit umfassen, so auch<lb/>
neben dem Ernster und Tragischen das Komische gern darstellen; meist in<lb/>
urwüchsiger Weise, denn es waren ja keine eigentlichen Künstler, die die Thon¬<lb/>
gefäße bemalten, fondern schlichte Handwerker, aber dabei doch nicht selten mit<lb/>
einer solche» Eleganz der Darstellung und mit so gefunden Witz, daß mancher<lb/>
moderne Maler sie darum beneiden könnte. Auch hier liegt freilich mitunter<lb/>
die Gefahr nahe, daß wir den kölnischen Eindruck, den die naiven, unbeholfenen<lb/>
Pinseleien der ältern Vasenmalerei heutzutage auf uns machen, für beabsichtigt<lb/>
halten, während er doch nur eine Folge der noch in den Windeln befindlichen<lb/>
Technik ist; und es giebt eine beträchtliche Zahl von Beispielen, wo selbst die<lb/>
Archäologen von Fach darüber uneinig sind, ob die komische Wirkung des<lb/>
Gemäldes beabsichtigt oder unbeabsichtigt ist. Aber stellenweise tritt doch schon<lb/>
in den ältesten Erzeugnissen der Vasenmalerei in irgend einem kleinen Zuge<lb/>
der bewußte Humor deutlich zu Tage. Wenn z. B. ein schwarzsigurigcs Vasen¬<lb/>
bild uus die Blendung Polhphems vorführt, so wird man sich durch die<lb/>
unbeholfenen Figuren der dabei thätigen Geführten des Odysseus, die dem<lb/>
Khklopen den Baumstamm ins Auge bohren, durch die spindeldürren Arme<lb/>
und Beine nicht irreführen lassen, da eben die damalige Vasenmalerei sich<lb/>
noch nicht auf treuere Darstellung des menschlichen Körpers verstand; wenn<lb/>
aber hier der letzte in der Reihe sich umdreht und, um dem Stoß des Baum¬<lb/>
stammes mehr Gewicht und Nachdruck zu geben, sein Beinchen eifrig gegen<lb/>
die Mauer stemmt, so bringt dies in den Vorgang einen humoristischen Zug,<lb/>
der vom Künstler sicherlich beabsichtigt war. Übrigens ist zu beachten, daß<lb/>
gerade die ältere Vasenmalerei, die schwarzsigurige und die rvtfigurige des<lb/>
strengen Stils, Vorliebe für komische Stoffe und humoristische Behandlungs-<lb/>
weise hat, während der sogenannte erhabne oder hohe Stil und ebenso der<lb/>
is&gt;n folgende anmutige Stil bei weitem seltner auf solchen Bahnen wandeln.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0339] zuwandten; aber anderseits lehren uns doch die Nachrichten der Alten, das; es mich nnter den griechischen Künstlern Genremaler gab, die Vorgänge des täg¬ lichen Lebens, Szenen der Straße, des Handwerkslebens n. tgi. malten, und daß sie diese Stoffe gelegentlich wollt auch in komischer Weise aufgefaßt haben werden, kann man vermuten, es ist hie und dn mich ausdrücklich bezeugt. Einen spärlichen Ersatz für die verlorenen Tafelgemälde der Alten geben uns die Wandmalereien von Pompeji und Herculaneum; aber der Geschmack der Zeit, in der diese Zimmerdekorcitivnen hergestellt wurden, verlangte namentlich mythologische Stoffe, und dn die Künstler, die den Pompejanern ihre Wände schmückten, meist handnierksinäßig mit wenig eigner Erfindungsgabe nach alten Mustern arbeiteten, so ist anch hier vom komischen Element nur gelegentlich etwas zu spüren; am meisten in den verhältnismäßig nicht gerade zahlreichen Bildern, die uns Szenen des Alltagslebens vorführen. Um so reichhaltiger ist dagegen die Vasenmalerei, deren Erzeugnisse, wie sie das ganze Gebiet der Götter- und Heldensage in unendlicher Mannichfaltigkeit umfassen, so auch neben dem Ernster und Tragischen das Komische gern darstellen; meist in urwüchsiger Weise, denn es waren ja keine eigentlichen Künstler, die die Thon¬ gefäße bemalten, fondern schlichte Handwerker, aber dabei doch nicht selten mit einer solche» Eleganz der Darstellung und mit so gefunden Witz, daß mancher moderne Maler sie darum beneiden könnte. Auch hier liegt freilich mitunter die Gefahr nahe, daß wir den kölnischen Eindruck, den die naiven, unbeholfenen Pinseleien der ältern Vasenmalerei heutzutage auf uns machen, für beabsichtigt halten, während er doch nur eine Folge der noch in den Windeln befindlichen Technik ist; und es giebt eine beträchtliche Zahl von Beispielen, wo selbst die Archäologen von Fach darüber uneinig sind, ob die komische Wirkung des Gemäldes beabsichtigt oder unbeabsichtigt ist. Aber stellenweise tritt doch schon in den ältesten Erzeugnissen der Vasenmalerei in irgend einem kleinen Zuge der bewußte Humor deutlich zu Tage. Wenn z. B. ein schwarzsigurigcs Vasen¬ bild uus die Blendung Polhphems vorführt, so wird man sich durch die unbeholfenen Figuren der dabei thätigen Geführten des Odysseus, die dem Khklopen den Baumstamm ins Auge bohren, durch die spindeldürren Arme und Beine nicht irreführen lassen, da eben die damalige Vasenmalerei sich noch nicht auf treuere Darstellung des menschlichen Körpers verstand; wenn aber hier der letzte in der Reihe sich umdreht und, um dem Stoß des Baum¬ stammes mehr Gewicht und Nachdruck zu geben, sein Beinchen eifrig gegen die Mauer stemmt, so bringt dies in den Vorgang einen humoristischen Zug, der vom Künstler sicherlich beabsichtigt war. Übrigens ist zu beachten, daß gerade die ältere Vasenmalerei, die schwarzsigurige und die rvtfigurige des strengen Stils, Vorliebe für komische Stoffe und humoristische Behandlungs- weise hat, während der sogenannte erhabne oder hohe Stil und ebenso der is>n folgende anmutige Stil bei weitem seltner auf solchen Bahnen wandeln.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/339
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/339>, abgerufen am 23.07.2024.