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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Phonetik

der Thevlogiestndirenden die Güte nicht zugenommen habe. Und es ist
leider von den Kirchenregierungen nicht zu hoffen, daß sie dieser Gefahr mit
der wünschenswerten Einigkeit und Entschiedenheit begegnen werden. Kurz,
wer ein Interesse an der Tüchtigkeit des evangelischen Pastorenstandes, mithin
am Gedeihen der evangelischen Kirchen überhaupt hat, kann nur von Herzen
wünschen und verlangen, daß das ärgerliche Privilegium ihm niemals auf¬
gebürdet werde.

Sollen wir noch ein Wort darüber verlieren, daß auch das Heer diesen
Bestandteil nicht entbehren kann, wenn seine sittliche Gesundheit nicht Schaden
leiden soll? Nicht als ob die Theologen immer die schneidigsten Soldaten
wären -- gewiß sind sie nicht das Gegenteil --, aber jedenfalls wohnt ihnen
eine größere Widerstandskraft gegen gewisse Versuchungen inne, die das
Soldatenleben mit sich bringt, als andern Einjährigen. Unter diesen sind Ele¬
mente, die die Disziplin und Moral der Truppen nicht heben, sondern ver¬
schlechtern. Den Theologen wird mau das nicht nachsagen können. Wenn derselbe
Geist, der jetzt ihre Petitionen erfüllt, sie anch im Rock des Kaisers beseelt,
daun thut das Vaterland Unrecht, auf ihren Heeresdienst zu verzichten.

Nach alledem können wir nur wünschen und hoffen, daß die Frage im
Sinne von Delbrücks Antrag entschieden werde.




Phonetik

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WZn den letzten fünfzehn Jahren hat sich eine neue Wissenschaft ausge¬
bildet, die bei der Erlernung einer fremden Sprache von großer
Bedeutung ist und die uns in den Stand setzt, von unsrer eignen
Muttersprache und ihren Mundarten uns eine bessere Kenntnis
zu verschaffen, als es bis jetzt möglich war. Diese neue Wissen¬
schaft nennt sich Phonetik. Sie beschäftigt sich mit den Lauten, sie betrachtet
es als ihre Aufgabe, die Lautgebilde so scharf zu bestimmen, daß man, auch
ohne vorangegangne mündliche Übermittlung, sie in ihrer ganzen Eigentüm¬
lichkeit erfassen und wiedergeben kam.

Es mag wohl an die zwei Jahrzehnte her sein, daß von verschiednen
Seiten mit kräftigen Worten auf die grauenhafte Aussprache hingewiesen wurde,
wie sie sich in Deutschland beim Betreiben der fremden Sprachen finde. Man


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der Thevlogiestndirenden die Güte nicht zugenommen habe. Und es ist
leider von den Kirchenregierungen nicht zu hoffen, daß sie dieser Gefahr mit
der wünschenswerten Einigkeit und Entschiedenheit begegnen werden. Kurz,
wer ein Interesse an der Tüchtigkeit des evangelischen Pastorenstandes, mithin
am Gedeihen der evangelischen Kirchen überhaupt hat, kann nur von Herzen
wünschen und verlangen, daß das ärgerliche Privilegium ihm niemals auf¬
gebürdet werde.

Sollen wir noch ein Wort darüber verlieren, daß auch das Heer diesen
Bestandteil nicht entbehren kann, wenn seine sittliche Gesundheit nicht Schaden
leiden soll? Nicht als ob die Theologen immer die schneidigsten Soldaten
wären — gewiß sind sie nicht das Gegenteil —, aber jedenfalls wohnt ihnen
eine größere Widerstandskraft gegen gewisse Versuchungen inne, die das
Soldatenleben mit sich bringt, als andern Einjährigen. Unter diesen sind Ele¬
mente, die die Disziplin und Moral der Truppen nicht heben, sondern ver¬
schlechtern. Den Theologen wird mau das nicht nachsagen können. Wenn derselbe
Geist, der jetzt ihre Petitionen erfüllt, sie anch im Rock des Kaisers beseelt,
daun thut das Vaterland Unrecht, auf ihren Heeresdienst zu verzichten.

Nach alledem können wir nur wünschen und hoffen, daß die Frage im
Sinne von Delbrücks Antrag entschieden werde.




Phonetik

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WZn den letzten fünfzehn Jahren hat sich eine neue Wissenschaft ausge¬
bildet, die bei der Erlernung einer fremden Sprache von großer
Bedeutung ist und die uns in den Stand setzt, von unsrer eignen
Muttersprache und ihren Mundarten uns eine bessere Kenntnis
zu verschaffen, als es bis jetzt möglich war. Diese neue Wissen¬
schaft nennt sich Phonetik. Sie beschäftigt sich mit den Lauten, sie betrachtet
es als ihre Aufgabe, die Lautgebilde so scharf zu bestimmen, daß man, auch
ohne vorangegangne mündliche Übermittlung, sie in ihrer ganzen Eigentüm¬
lichkeit erfassen und wiedergeben kam.

Es mag wohl an die zwei Jahrzehnte her sein, daß von verschiednen
Seiten mit kräftigen Worten auf die grauenhafte Aussprache hingewiesen wurde,
wie sie sich in Deutschland beim Betreiben der fremden Sprachen finde. Man


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[0028] Phonetik der Thevlogiestndirenden die Güte nicht zugenommen habe. Und es ist leider von den Kirchenregierungen nicht zu hoffen, daß sie dieser Gefahr mit der wünschenswerten Einigkeit und Entschiedenheit begegnen werden. Kurz, wer ein Interesse an der Tüchtigkeit des evangelischen Pastorenstandes, mithin am Gedeihen der evangelischen Kirchen überhaupt hat, kann nur von Herzen wünschen und verlangen, daß das ärgerliche Privilegium ihm niemals auf¬ gebürdet werde. Sollen wir noch ein Wort darüber verlieren, daß auch das Heer diesen Bestandteil nicht entbehren kann, wenn seine sittliche Gesundheit nicht Schaden leiden soll? Nicht als ob die Theologen immer die schneidigsten Soldaten wären — gewiß sind sie nicht das Gegenteil —, aber jedenfalls wohnt ihnen eine größere Widerstandskraft gegen gewisse Versuchungen inne, die das Soldatenleben mit sich bringt, als andern Einjährigen. Unter diesen sind Ele¬ mente, die die Disziplin und Moral der Truppen nicht heben, sondern ver¬ schlechtern. Den Theologen wird mau das nicht nachsagen können. Wenn derselbe Geist, der jetzt ihre Petitionen erfüllt, sie anch im Rock des Kaisers beseelt, daun thut das Vaterland Unrecht, auf ihren Heeresdienst zu verzichten. Nach alledem können wir nur wünschen und hoffen, daß die Frage im Sinne von Delbrücks Antrag entschieden werde. Phonetik M M WZn den letzten fünfzehn Jahren hat sich eine neue Wissenschaft ausge¬ bildet, die bei der Erlernung einer fremden Sprache von großer Bedeutung ist und die uns in den Stand setzt, von unsrer eignen Muttersprache und ihren Mundarten uns eine bessere Kenntnis zu verschaffen, als es bis jetzt möglich war. Diese neue Wissen¬ schaft nennt sich Phonetik. Sie beschäftigt sich mit den Lauten, sie betrachtet es als ihre Aufgabe, die Lautgebilde so scharf zu bestimmen, daß man, auch ohne vorangegangne mündliche Übermittlung, sie in ihrer ganzen Eigentüm¬ lichkeit erfassen und wiedergeben kam. Es mag wohl an die zwei Jahrzehnte her sein, daß von verschiednen Seiten mit kräftigen Worten auf die grauenhafte Aussprache hingewiesen wurde, wie sie sich in Deutschland beim Betreiben der fremden Sprachen finde. Man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/28>, abgerufen am 22.07.2024.