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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Litt militärfreicr Stand?

über, zu ihrer bessern Verwertung den Ärzten und Apothekern gegenüber. Doch
haben nur unsre großen Bedenken wider den Antrag Kleist-Netzows, der die
Theologen im zweiten Halbjahr dein Lazarethdieuste zuweisen will. Man gebe
ihnen Gelegenheit, wahrend des aktiven Jahres oder dann in ihrer Reservezeit
den Laznrethdienst kennen zu lernen und zu üben, aber man lasse sie im übrigen
mit der Waffe diene", lasse sie auch, je nach ihren Fähigkeiten, zu Reserve¬
offizieren aufrücken. Trete" sie da"" i"s Amt, was nur i" Zeiten des Mangels
früh der Fall sei" wird, so lasse man sie zwischen Kaserne ""d Lazareth,
Mischen Feldlager und Verbandplatz wählen, oder kommandire sie, weil man
sie dafür nötig hat, i" den Sanitätsdienst.

Doch das sind Vorschläge, über die Nur hier nicht ausreden könne". Hier
handelt es sich darum, womöglich "och rechtzeitig die Bedenke" kalt werden
zu lassen, die dein Beschlusse vom 12. Dezember entgegenstehen. Für das
evangelische Urteil ist eine solche Trennung der Theologe" vo" de" übrigen
Staatsbürgern unerträglich. Man weise nicht darauf hin, das; sie vou 1854
an auch in Preuße" "Mangels halber" das fragliche Vorrecht genösse" haben.
Teils waren anch damals die schädlichen Folgen vorhanden; vor allem aber
war damals die allgemeine Wehrpflicht noch nicht von der Wichtigkeit sür de"
innern Zusammenhalt des Volkes wie jetzt. Mag das ältere Theologengeschlecht
der drohenden Gefahr kühler gegenüberstehen - es sind aber auch darunter
entschiedne Gegner des Privilegiums --, das jüngere Geschlecht ist in seinem
Protest so gut wie einmütig. Schon bei frühern Gelegenheiten sind zahlreiche
Petitionen in diesem Sinne beim Reichstag eingegangen, n"d sie fließe" ihm
auch jetzt wieder zu. Der evangelische Pfarrer Null "ut muß "gedient.haben,"
Wie alle dazu tüchtigen Mcumer seiner Gemeinde, er will und muß dem Vater¬
lande dieselbe Opferfreudigkeit e"tgegenbringen, die er seinen Brüdern predigt.
Will man ihm ein "Vorrecht" aufdränge", das er von ganzem Herzen verschmäht?
Alle Freunde des wahren Paritütsgedankens sollten einen solchen Mißbrauch
nur allein Eifer abwenden, denn an seiner Karrikatur würde er schweren
Schaden leiden.

Aber der Antrag Humes stellt es jn dem Theologen frei, Dienstfreiheit
z" begehren oder nicht." Das heißt aber doch wirklich, wie der Abgeordnete
Delbrück ganz richtig ausgeführt hat, zu viel "in das eiuzelue schwache Ge¬
wissen hineiiischiebe"." Das giebt auch minderwertigen und zweideutigen
Beweggründen eine gefährliche Macht und läßt auch bei gewissenhaftester Ent¬
scheidung einem so bösen Scheine Raum, daß man hier um liebste" sagen möchte:
entweder alle ausschließe" oder keim" mislafse"! Man "rag die Militärfrei¬
heit der Theologe" fassen, wie man will, so öffnet sich für den ohne Zweifel
doch für das Volksleben wichtigen Stand die Gefahr, daß sich eigennützige
und charakterlose junge Leute um des gebotenen Vorteils in ih" eindrangen,
^chon jetzt wird von Professoren geklagt, daß mit der Zunahme der Zahl


Litt militärfreicr Stand?

über, zu ihrer bessern Verwertung den Ärzten und Apothekern gegenüber. Doch
haben nur unsre großen Bedenken wider den Antrag Kleist-Netzows, der die
Theologen im zweiten Halbjahr dein Lazarethdieuste zuweisen will. Man gebe
ihnen Gelegenheit, wahrend des aktiven Jahres oder dann in ihrer Reservezeit
den Laznrethdienst kennen zu lernen und zu üben, aber man lasse sie im übrigen
mit der Waffe diene», lasse sie auch, je nach ihren Fähigkeiten, zu Reserve¬
offizieren aufrücken. Trete» sie da»» i»s Amt, was nur i» Zeiten des Mangels
früh der Fall sei» wird, so lasse man sie zwischen Kaserne »»d Lazareth,
Mischen Feldlager und Verbandplatz wählen, oder kommandire sie, weil man
sie dafür nötig hat, i» den Sanitätsdienst.

Doch das sind Vorschläge, über die Nur hier nicht ausreden könne». Hier
handelt es sich darum, womöglich »och rechtzeitig die Bedenke» kalt werden
zu lassen, die dein Beschlusse vom 12. Dezember entgegenstehen. Für das
evangelische Urteil ist eine solche Trennung der Theologe» vo» de» übrigen
Staatsbürgern unerträglich. Man weise nicht darauf hin, das; sie vou 1854
an auch in Preuße» „Mangels halber" das fragliche Vorrecht genösse» haben.
Teils waren anch damals die schädlichen Folgen vorhanden; vor allem aber
war damals die allgemeine Wehrpflicht noch nicht von der Wichtigkeit sür de»
innern Zusammenhalt des Volkes wie jetzt. Mag das ältere Theologengeschlecht
der drohenden Gefahr kühler gegenüberstehen - es sind aber auch darunter
entschiedne Gegner des Privilegiums —, das jüngere Geschlecht ist in seinem
Protest so gut wie einmütig. Schon bei frühern Gelegenheiten sind zahlreiche
Petitionen in diesem Sinne beim Reichstag eingegangen, n»d sie fließe» ihm
auch jetzt wieder zu. Der evangelische Pfarrer Null »ut muß „gedient.haben,"
Wie alle dazu tüchtigen Mcumer seiner Gemeinde, er will und muß dem Vater¬
lande dieselbe Opferfreudigkeit e»tgegenbringen, die er seinen Brüdern predigt.
Will man ihm ein „Vorrecht" aufdränge», das er von ganzem Herzen verschmäht?
Alle Freunde des wahren Paritütsgedankens sollten einen solchen Mißbrauch
nur allein Eifer abwenden, denn an seiner Karrikatur würde er schweren
Schaden leiden.

Aber der Antrag Humes stellt es jn dem Theologen frei, Dienstfreiheit
z» begehren oder nicht." Das heißt aber doch wirklich, wie der Abgeordnete
Delbrück ganz richtig ausgeführt hat, zu viel „in das eiuzelue schwache Ge¬
wissen hineiiischiebe»." Das giebt auch minderwertigen und zweideutigen
Beweggründen eine gefährliche Macht und läßt auch bei gewissenhaftester Ent¬
scheidung einem so bösen Scheine Raum, daß man hier um liebste» sagen möchte:
entweder alle ausschließe» oder keim» mislafse»! Man »rag die Militärfrei¬
heit der Theologe» fassen, wie man will, so öffnet sich für den ohne Zweifel
doch für das Volksleben wichtigen Stand die Gefahr, daß sich eigennützige
und charakterlose junge Leute um des gebotenen Vorteils in ih» eindrangen,
^chon jetzt wird von Professoren geklagt, daß mit der Zunahme der Zahl


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[0027] Litt militärfreicr Stand? über, zu ihrer bessern Verwertung den Ärzten und Apothekern gegenüber. Doch haben nur unsre großen Bedenken wider den Antrag Kleist-Netzows, der die Theologen im zweiten Halbjahr dein Lazarethdieuste zuweisen will. Man gebe ihnen Gelegenheit, wahrend des aktiven Jahres oder dann in ihrer Reservezeit den Laznrethdienst kennen zu lernen und zu üben, aber man lasse sie im übrigen mit der Waffe diene», lasse sie auch, je nach ihren Fähigkeiten, zu Reserve¬ offizieren aufrücken. Trete» sie da»» i»s Amt, was nur i» Zeiten des Mangels früh der Fall sei» wird, so lasse man sie zwischen Kaserne »»d Lazareth, Mischen Feldlager und Verbandplatz wählen, oder kommandire sie, weil man sie dafür nötig hat, i» den Sanitätsdienst. Doch das sind Vorschläge, über die Nur hier nicht ausreden könne». Hier handelt es sich darum, womöglich »och rechtzeitig die Bedenke» kalt werden zu lassen, die dein Beschlusse vom 12. Dezember entgegenstehen. Für das evangelische Urteil ist eine solche Trennung der Theologe» vo» de» übrigen Staatsbürgern unerträglich. Man weise nicht darauf hin, das; sie vou 1854 an auch in Preuße» „Mangels halber" das fragliche Vorrecht genösse» haben. Teils waren anch damals die schädlichen Folgen vorhanden; vor allem aber war damals die allgemeine Wehrpflicht noch nicht von der Wichtigkeit sür de» innern Zusammenhalt des Volkes wie jetzt. Mag das ältere Theologengeschlecht der drohenden Gefahr kühler gegenüberstehen - es sind aber auch darunter entschiedne Gegner des Privilegiums —, das jüngere Geschlecht ist in seinem Protest so gut wie einmütig. Schon bei frühern Gelegenheiten sind zahlreiche Petitionen in diesem Sinne beim Reichstag eingegangen, n»d sie fließe» ihm auch jetzt wieder zu. Der evangelische Pfarrer Null »ut muß „gedient.haben," Wie alle dazu tüchtigen Mcumer seiner Gemeinde, er will und muß dem Vater¬ lande dieselbe Opferfreudigkeit e»tgegenbringen, die er seinen Brüdern predigt. Will man ihm ein „Vorrecht" aufdränge», das er von ganzem Herzen verschmäht? Alle Freunde des wahren Paritütsgedankens sollten einen solchen Mißbrauch nur allein Eifer abwenden, denn an seiner Karrikatur würde er schweren Schaden leiden. Aber der Antrag Humes stellt es jn dem Theologen frei, Dienstfreiheit z» begehren oder nicht." Das heißt aber doch wirklich, wie der Abgeordnete Delbrück ganz richtig ausgeführt hat, zu viel „in das eiuzelue schwache Ge¬ wissen hineiiischiebe»." Das giebt auch minderwertigen und zweideutigen Beweggründen eine gefährliche Macht und läßt auch bei gewissenhaftester Ent¬ scheidung einem so bösen Scheine Raum, daß man hier um liebste» sagen möchte: entweder alle ausschließe» oder keim» mislafse»! Man »rag die Militärfrei¬ heit der Theologe» fassen, wie man will, so öffnet sich für den ohne Zweifel doch für das Volksleben wichtigen Stand die Gefahr, daß sich eigennützige und charakterlose junge Leute um des gebotenen Vorteils in ih» eindrangen, ^chon jetzt wird von Professoren geklagt, daß mit der Zunahme der Zahl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/27>, abgerufen am 23.07.2024.