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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Zur Geschichte von dem kranken Königssohne
von F. Runtze

or einem Jahre habe ich in diesen Blättern einen Aufsatz veröffent¬
licht, worin us die Geschichte des Antiochus und der Stratonica
in ihren vielfachen Wandrnngen und Wandlungen darzustellen
versuchte. Bald darauf kamen ein paar Nachträge zum Abdruck,
die der Redaktion von freundlichen Lesern zugegangen waren.
Es wurde von der einen Seite auf ein in der Kasseler Galerie befindliches
Bild hingewiesen, das einen Augenblick aus der Krankheitsgeschichte des Antiochus
darstellt, vou der andern auf die irische Sage Tochmare Etain, die zwar zu der
griechischen Erzählung von dem Leiden des syrischen Königssohnes in keiner
unmittelbaren Beziehung steht, aber den weitverbreiteten Zug von der Unter¬
suchung des Pulsschlages mit ihr gemein hat. Beide Mitteilungen habe ich
wir dankbar zu Nutze gemacht. Die irische Sage habe ich alsbald studiren
können; das Kasseler Bild war mir im August des vorigen Jahres zu besichtigen
vergönnt. Trotzdem wäre ich wahrscheinlich nicht wieder auf den Gegenstand
(Wrückgekvmmen, wenn ich nicht zufällig entdeckt hätte, daß mein Bericht auch
abgesehen von den bezeichneten Lücken keineswegs erschöpfend war. Schon in
meinem ersten Aufsatz habe ich meine Verwunderung darüber ausgesprochen,
daß der Litteratur des sechzehnten Jahrhunderts trotz ihrer bekannten Borliebe
für die Anekdote die Antiochnslegende so gut wie fremd sei. Bald sollte ich
angeregt durch einen Wink in Erich Schmidts "Lessing" erfahren, daß das
siebzehnte Jahrhundert reichlich nachgeholt hat, was das sechzehnte versäumt
hat. Hätte ich rechtzeitig Gottscheds "Nötigen Vorrat zur Geschichte der
deutschen dramatischen Dichtkunst" eingesehen, so würde ich schon früher uns
die rechte Spur geführt worden sein. Allein ich will nicht vorgreifen. Indem
ich mich anschicke, eine Nachlese zu meinem vorjährigen Aufsatze zu halten, habe
us zunächst die irische Sage zu besprechen, weil sie nicht nur der Zeit, sondern
auch dem Inhalte nach weit abliegt.

^oc-lrirmrv M-un d. h. Werbung um Etain, ist der Titel einer kleinen
Gruppe vou Erzählungen deren Heldin die eben genannte, durch ihre Schön¬
heit berühmte Jungfrau ist; Kor^igv ^nött^. d. h. Krankenlager Antis, heißt die
ausführlichste davon, und sie handelt, wie sich leicht erraten läßt, von Ailills




Zur Geschichte von dem kranken Königssohne
von F. Runtze

or einem Jahre habe ich in diesen Blättern einen Aufsatz veröffent¬
licht, worin us die Geschichte des Antiochus und der Stratonica
in ihren vielfachen Wandrnngen und Wandlungen darzustellen
versuchte. Bald darauf kamen ein paar Nachträge zum Abdruck,
die der Redaktion von freundlichen Lesern zugegangen waren.
Es wurde von der einen Seite auf ein in der Kasseler Galerie befindliches
Bild hingewiesen, das einen Augenblick aus der Krankheitsgeschichte des Antiochus
darstellt, vou der andern auf die irische Sage Tochmare Etain, die zwar zu der
griechischen Erzählung von dem Leiden des syrischen Königssohnes in keiner
unmittelbaren Beziehung steht, aber den weitverbreiteten Zug von der Unter¬
suchung des Pulsschlages mit ihr gemein hat. Beide Mitteilungen habe ich
wir dankbar zu Nutze gemacht. Die irische Sage habe ich alsbald studiren
können; das Kasseler Bild war mir im August des vorigen Jahres zu besichtigen
vergönnt. Trotzdem wäre ich wahrscheinlich nicht wieder auf den Gegenstand
(Wrückgekvmmen, wenn ich nicht zufällig entdeckt hätte, daß mein Bericht auch
abgesehen von den bezeichneten Lücken keineswegs erschöpfend war. Schon in
meinem ersten Aufsatz habe ich meine Verwunderung darüber ausgesprochen,
daß der Litteratur des sechzehnten Jahrhunderts trotz ihrer bekannten Borliebe
für die Anekdote die Antiochnslegende so gut wie fremd sei. Bald sollte ich
angeregt durch einen Wink in Erich Schmidts „Lessing" erfahren, daß das
siebzehnte Jahrhundert reichlich nachgeholt hat, was das sechzehnte versäumt
hat. Hätte ich rechtzeitig Gottscheds „Nötigen Vorrat zur Geschichte der
deutschen dramatischen Dichtkunst" eingesehen, so würde ich schon früher uns
die rechte Spur geführt worden sein. Allein ich will nicht vorgreifen. Indem
ich mich anschicke, eine Nachlese zu meinem vorjährigen Aufsatze zu halten, habe
us zunächst die irische Sage zu besprechen, weil sie nicht nur der Zeit, sondern
auch dem Inhalte nach weit abliegt.

^oc-lrirmrv M-un d. h. Werbung um Etain, ist der Titel einer kleinen
Gruppe vou Erzählungen deren Heldin die eben genannte, durch ihre Schön¬
heit berühmte Jungfrau ist; Kor^igv ^nött^. d. h. Krankenlager Antis, heißt die
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[0235] [Abbildung] Zur Geschichte von dem kranken Königssohne von F. Runtze or einem Jahre habe ich in diesen Blättern einen Aufsatz veröffent¬ licht, worin us die Geschichte des Antiochus und der Stratonica in ihren vielfachen Wandrnngen und Wandlungen darzustellen versuchte. Bald darauf kamen ein paar Nachträge zum Abdruck, die der Redaktion von freundlichen Lesern zugegangen waren. Es wurde von der einen Seite auf ein in der Kasseler Galerie befindliches Bild hingewiesen, das einen Augenblick aus der Krankheitsgeschichte des Antiochus darstellt, vou der andern auf die irische Sage Tochmare Etain, die zwar zu der griechischen Erzählung von dem Leiden des syrischen Königssohnes in keiner unmittelbaren Beziehung steht, aber den weitverbreiteten Zug von der Unter¬ suchung des Pulsschlages mit ihr gemein hat. Beide Mitteilungen habe ich wir dankbar zu Nutze gemacht. Die irische Sage habe ich alsbald studiren können; das Kasseler Bild war mir im August des vorigen Jahres zu besichtigen vergönnt. Trotzdem wäre ich wahrscheinlich nicht wieder auf den Gegenstand (Wrückgekvmmen, wenn ich nicht zufällig entdeckt hätte, daß mein Bericht auch abgesehen von den bezeichneten Lücken keineswegs erschöpfend war. Schon in meinem ersten Aufsatz habe ich meine Verwunderung darüber ausgesprochen, daß der Litteratur des sechzehnten Jahrhunderts trotz ihrer bekannten Borliebe für die Anekdote die Antiochnslegende so gut wie fremd sei. Bald sollte ich angeregt durch einen Wink in Erich Schmidts „Lessing" erfahren, daß das siebzehnte Jahrhundert reichlich nachgeholt hat, was das sechzehnte versäumt hat. Hätte ich rechtzeitig Gottscheds „Nötigen Vorrat zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst" eingesehen, so würde ich schon früher uns die rechte Spur geführt worden sein. Allein ich will nicht vorgreifen. Indem ich mich anschicke, eine Nachlese zu meinem vorjährigen Aufsatze zu halten, habe us zunächst die irische Sage zu besprechen, weil sie nicht nur der Zeit, sondern auch dem Inhalte nach weit abliegt. ^oc-lrirmrv M-un d. h. Werbung um Etain, ist der Titel einer kleinen Gruppe vou Erzählungen deren Heldin die eben genannte, durch ihre Schön¬ heit berühmte Jungfrau ist; Kor^igv ^nött^. d. h. Krankenlager Antis, heißt die ausführlichste davon, und sie handelt, wie sich leicht erraten läßt, von Ailills

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/235>, abgerufen am 23.07.2024.