Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Geschichte von dein kranken Aönigssohue

Liebe zu Eduin, seiner Krankheit und Heilung. Ich lasse den Inhalt der Er¬
zählung folgen, indem ich dabei den von Windisch in den "Irischen Texten"
(Leipzig 1880) gegebnen Auszug, die von Ed. Müller im dritten Baude der
Rvvruz (üsltiquo veröffentlichte englische Übersetzung und teilweise auch das
irische Original selbst benutze, dessen Entzifferung mir an den wenigen Stellen,
wo die Vergleichung notwendig war, dank dein den Texten beigegebnen aus¬
führlichen Wörterverzeichnis gelungen ist.

Der König von Erino, Eochaid Airem, ladet im ersten Jahre seiner Regierung
zu einem Feste ein. Aber die Großen seines Reiches weigern sich, zu kommen,
so lauge der König noch unvermählt sei. Da sendet dieser Boten aus, um
eine seiner würdige Gemahlin zu suchen. Sie durchziehen die ganze Insel und
entdecken endlich Eduin, die Tochter Etars, des Königs der Side.") Sie er¬
statten dem König Bericht, worauf sich dieser selbst auf die Brautfahrt
begiebt. Er findet ein junges Weib von übernatürlicher Schönheit damit
beschäftigt, am Brunnen ihr Haar zu waschen. Sie zu gewinnen fällt dem
König nicht schwer; erklärt sie doch, daß sie längst von seiner Schönheit ge¬
hört, ihn geliebt und auf seine Ankunft gewartet habe. Ohne weiteres führt
der König die Geliebte in die Heimat und zur Vermählung. Bald darauf
wird das Fest gefeiert, das zu besuchen die Unterkönige sich früher geweigert
hatten. Bei dieser Gelegenheit wird Ailill, EvchaidS Bruder, von heftiger
Leidenschaft für die junge Königin ergriffen. Anverwandten Blickes schaut er
sie an, bis er endlich den Verdacht des eignen Weibes erregt und infolge
dessen sich überwindet. Die Festgesellschaft zerstreut sich, und auch Ailill, ver¬
borgne Glut im Herzen, kehrt in seine Burg zurück. Liebe und Eifersucht
quälen ihn dergestalt, daß er in eine schwere Krankheit fällt. Nach Ablauf
des Jahres besucht ihn sein Bruder, der König Eochaid. Er legt seine Hand
auf die Brust des Kranken, der währenddem, tief Atem holt. Zwar hält er die
Krankheit nicht für gefährlich; allein da er nichts Bestimmtes weiß, auch von
dem Kranken nichts über die Art des Leidens erfährt, verspricht er, einen Arzt
zu senden. Die Art, wie nun Fachtna, der Arzt, den Kranken untersucht, ist
dieselbe wie die eben beschriebene, wird auch mit denselben Worten geschildert.
Aber der Arzt sieht wenigstens so viel, daß entweder Liebe oder Eifersucht
die Krankheit veranlaßt hat. Da sich jedoch Ailill aus Schamgefühl nach
wie vor schweigend verhält, so vermag der Arzt auch nicht zu helfen nud ver¬
läßt unverrichteter Sache das Krankenlager. Allmählich erscheint der Zustand
des Kranken seiner ganzen Umgebung als hoffnungslos. Eochaid, der eine
Rundreise durch sein Königreich unternehmen muß, läßt seine Gattin, deren
Anwesenheit bisher unerwähnt geblieben ist, in der Burg des Kranken zurück
mit der Weisung, diesen, so lauge er noch am Leben sei, zu Pflegen, wenn er



*) Side sind überirdische Wesen, die zwischen Göttern und Menschen stehen. Mirivs
übersetzt Ed. Müller.
Zur Geschichte von dein kranken Aönigssohue

Liebe zu Eduin, seiner Krankheit und Heilung. Ich lasse den Inhalt der Er¬
zählung folgen, indem ich dabei den von Windisch in den „Irischen Texten"
(Leipzig 1880) gegebnen Auszug, die von Ed. Müller im dritten Baude der
Rvvruz (üsltiquo veröffentlichte englische Übersetzung und teilweise auch das
irische Original selbst benutze, dessen Entzifferung mir an den wenigen Stellen,
wo die Vergleichung notwendig war, dank dein den Texten beigegebnen aus¬
führlichen Wörterverzeichnis gelungen ist.

Der König von Erino, Eochaid Airem, ladet im ersten Jahre seiner Regierung
zu einem Feste ein. Aber die Großen seines Reiches weigern sich, zu kommen,
so lauge der König noch unvermählt sei. Da sendet dieser Boten aus, um
eine seiner würdige Gemahlin zu suchen. Sie durchziehen die ganze Insel und
entdecken endlich Eduin, die Tochter Etars, des Königs der Side.") Sie er¬
statten dem König Bericht, worauf sich dieser selbst auf die Brautfahrt
begiebt. Er findet ein junges Weib von übernatürlicher Schönheit damit
beschäftigt, am Brunnen ihr Haar zu waschen. Sie zu gewinnen fällt dem
König nicht schwer; erklärt sie doch, daß sie längst von seiner Schönheit ge¬
hört, ihn geliebt und auf seine Ankunft gewartet habe. Ohne weiteres führt
der König die Geliebte in die Heimat und zur Vermählung. Bald darauf
wird das Fest gefeiert, das zu besuchen die Unterkönige sich früher geweigert
hatten. Bei dieser Gelegenheit wird Ailill, EvchaidS Bruder, von heftiger
Leidenschaft für die junge Königin ergriffen. Anverwandten Blickes schaut er
sie an, bis er endlich den Verdacht des eignen Weibes erregt und infolge
dessen sich überwindet. Die Festgesellschaft zerstreut sich, und auch Ailill, ver¬
borgne Glut im Herzen, kehrt in seine Burg zurück. Liebe und Eifersucht
quälen ihn dergestalt, daß er in eine schwere Krankheit fällt. Nach Ablauf
des Jahres besucht ihn sein Bruder, der König Eochaid. Er legt seine Hand
auf die Brust des Kranken, der währenddem, tief Atem holt. Zwar hält er die
Krankheit nicht für gefährlich; allein da er nichts Bestimmtes weiß, auch von
dem Kranken nichts über die Art des Leidens erfährt, verspricht er, einen Arzt
zu senden. Die Art, wie nun Fachtna, der Arzt, den Kranken untersucht, ist
dieselbe wie die eben beschriebene, wird auch mit denselben Worten geschildert.
Aber der Arzt sieht wenigstens so viel, daß entweder Liebe oder Eifersucht
die Krankheit veranlaßt hat. Da sich jedoch Ailill aus Schamgefühl nach
wie vor schweigend verhält, so vermag der Arzt auch nicht zu helfen nud ver¬
läßt unverrichteter Sache das Krankenlager. Allmählich erscheint der Zustand
des Kranken seiner ganzen Umgebung als hoffnungslos. Eochaid, der eine
Rundreise durch sein Königreich unternehmen muß, läßt seine Gattin, deren
Anwesenheit bisher unerwähnt geblieben ist, in der Burg des Kranken zurück
mit der Weisung, diesen, so lauge er noch am Leben sei, zu Pflegen, wenn er



*) Side sind überirdische Wesen, die zwischen Göttern und Menschen stehen. Mirivs
übersetzt Ed. Müller.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206881"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Geschichte von dein kranken Aönigssohue</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_631" prev="#ID_630"> Liebe zu Eduin, seiner Krankheit und Heilung. Ich lasse den Inhalt der Er¬<lb/>
zählung folgen, indem ich dabei den von Windisch in den &#x201E;Irischen Texten"<lb/>
(Leipzig 1880) gegebnen Auszug, die von Ed. Müller im dritten Baude der<lb/>
Rvvruz (üsltiquo veröffentlichte englische Übersetzung und teilweise auch das<lb/>
irische Original selbst benutze, dessen Entzifferung mir an den wenigen Stellen,<lb/>
wo die Vergleichung notwendig war, dank dein den Texten beigegebnen aus¬<lb/>
führlichen Wörterverzeichnis gelungen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_632" next="#ID_633"> Der König von Erino, Eochaid Airem, ladet im ersten Jahre seiner Regierung<lb/>
zu einem Feste ein. Aber die Großen seines Reiches weigern sich, zu kommen,<lb/>
so lauge der König noch unvermählt sei. Da sendet dieser Boten aus, um<lb/>
eine seiner würdige Gemahlin zu suchen. Sie durchziehen die ganze Insel und<lb/>
entdecken endlich Eduin, die Tochter Etars, des Königs der Side.") Sie er¬<lb/>
statten dem König Bericht, worauf sich dieser selbst auf die Brautfahrt<lb/>
begiebt. Er findet ein junges Weib von übernatürlicher Schönheit damit<lb/>
beschäftigt, am Brunnen ihr Haar zu waschen. Sie zu gewinnen fällt dem<lb/>
König nicht schwer; erklärt sie doch, daß sie längst von seiner Schönheit ge¬<lb/>
hört, ihn geliebt und auf seine Ankunft gewartet habe. Ohne weiteres führt<lb/>
der König die Geliebte in die Heimat und zur Vermählung. Bald darauf<lb/>
wird das Fest gefeiert, das zu besuchen die Unterkönige sich früher geweigert<lb/>
hatten. Bei dieser Gelegenheit wird Ailill, EvchaidS Bruder, von heftiger<lb/>
Leidenschaft für die junge Königin ergriffen. Anverwandten Blickes schaut er<lb/>
sie an, bis er endlich den Verdacht des eignen Weibes erregt und infolge<lb/>
dessen sich überwindet. Die Festgesellschaft zerstreut sich, und auch Ailill, ver¬<lb/>
borgne Glut im Herzen, kehrt in seine Burg zurück. Liebe und Eifersucht<lb/>
quälen ihn dergestalt, daß er in eine schwere Krankheit fällt. Nach Ablauf<lb/>
des Jahres besucht ihn sein Bruder, der König Eochaid. Er legt seine Hand<lb/>
auf die Brust des Kranken, der währenddem, tief Atem holt. Zwar hält er die<lb/>
Krankheit nicht für gefährlich; allein da er nichts Bestimmtes weiß, auch von<lb/>
dem Kranken nichts über die Art des Leidens erfährt, verspricht er, einen Arzt<lb/>
zu senden. Die Art, wie nun Fachtna, der Arzt, den Kranken untersucht, ist<lb/>
dieselbe wie die eben beschriebene, wird auch mit denselben Worten geschildert.<lb/>
Aber der Arzt sieht wenigstens so viel, daß entweder Liebe oder Eifersucht<lb/>
die Krankheit veranlaßt hat. Da sich jedoch Ailill aus Schamgefühl nach<lb/>
wie vor schweigend verhält, so vermag der Arzt auch nicht zu helfen nud ver¬<lb/>
läßt unverrichteter Sache das Krankenlager. Allmählich erscheint der Zustand<lb/>
des Kranken seiner ganzen Umgebung als hoffnungslos. Eochaid, der eine<lb/>
Rundreise durch sein Königreich unternehmen muß, läßt seine Gattin, deren<lb/>
Anwesenheit bisher unerwähnt geblieben ist, in der Burg des Kranken zurück<lb/>
mit der Weisung, diesen, so lauge er noch am Leben sei, zu Pflegen, wenn er</p><lb/>
          <note xml:id="FID_10" place="foot"> *) Side sind überirdische Wesen, die zwischen Göttern und Menschen stehen. Mirivs<lb/>
übersetzt Ed. Müller.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0236] Zur Geschichte von dein kranken Aönigssohue Liebe zu Eduin, seiner Krankheit und Heilung. Ich lasse den Inhalt der Er¬ zählung folgen, indem ich dabei den von Windisch in den „Irischen Texten" (Leipzig 1880) gegebnen Auszug, die von Ed. Müller im dritten Baude der Rvvruz (üsltiquo veröffentlichte englische Übersetzung und teilweise auch das irische Original selbst benutze, dessen Entzifferung mir an den wenigen Stellen, wo die Vergleichung notwendig war, dank dein den Texten beigegebnen aus¬ führlichen Wörterverzeichnis gelungen ist. Der König von Erino, Eochaid Airem, ladet im ersten Jahre seiner Regierung zu einem Feste ein. Aber die Großen seines Reiches weigern sich, zu kommen, so lauge der König noch unvermählt sei. Da sendet dieser Boten aus, um eine seiner würdige Gemahlin zu suchen. Sie durchziehen die ganze Insel und entdecken endlich Eduin, die Tochter Etars, des Königs der Side.") Sie er¬ statten dem König Bericht, worauf sich dieser selbst auf die Brautfahrt begiebt. Er findet ein junges Weib von übernatürlicher Schönheit damit beschäftigt, am Brunnen ihr Haar zu waschen. Sie zu gewinnen fällt dem König nicht schwer; erklärt sie doch, daß sie längst von seiner Schönheit ge¬ hört, ihn geliebt und auf seine Ankunft gewartet habe. Ohne weiteres führt der König die Geliebte in die Heimat und zur Vermählung. Bald darauf wird das Fest gefeiert, das zu besuchen die Unterkönige sich früher geweigert hatten. Bei dieser Gelegenheit wird Ailill, EvchaidS Bruder, von heftiger Leidenschaft für die junge Königin ergriffen. Anverwandten Blickes schaut er sie an, bis er endlich den Verdacht des eignen Weibes erregt und infolge dessen sich überwindet. Die Festgesellschaft zerstreut sich, und auch Ailill, ver¬ borgne Glut im Herzen, kehrt in seine Burg zurück. Liebe und Eifersucht quälen ihn dergestalt, daß er in eine schwere Krankheit fällt. Nach Ablauf des Jahres besucht ihn sein Bruder, der König Eochaid. Er legt seine Hand auf die Brust des Kranken, der währenddem, tief Atem holt. Zwar hält er die Krankheit nicht für gefährlich; allein da er nichts Bestimmtes weiß, auch von dem Kranken nichts über die Art des Leidens erfährt, verspricht er, einen Arzt zu senden. Die Art, wie nun Fachtna, der Arzt, den Kranken untersucht, ist dieselbe wie die eben beschriebene, wird auch mit denselben Worten geschildert. Aber der Arzt sieht wenigstens so viel, daß entweder Liebe oder Eifersucht die Krankheit veranlaßt hat. Da sich jedoch Ailill aus Schamgefühl nach wie vor schweigend verhält, so vermag der Arzt auch nicht zu helfen nud ver¬ läßt unverrichteter Sache das Krankenlager. Allmählich erscheint der Zustand des Kranken seiner ganzen Umgebung als hoffnungslos. Eochaid, der eine Rundreise durch sein Königreich unternehmen muß, läßt seine Gattin, deren Anwesenheit bisher unerwähnt geblieben ist, in der Burg des Kranken zurück mit der Weisung, diesen, so lauge er noch am Leben sei, zu Pflegen, wenn er *) Side sind überirdische Wesen, die zwischen Göttern und Menschen stehen. Mirivs übersetzt Ed. Müller.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/236
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/236>, abgerufen am 23.07.2024.