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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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über ihn. Das einemal äußert er: "Man Hütte sich vor Olmütz mit der
Armee eher in Positur setzen müssen, und daß das nicht geschehen ist, ist seine
Schuld. Statt an Rüstungen zu denken, beschäftigte er den König mit Ver-
fassungskleinigkeiteu, einer Wetterauer Grafeubcmk und andern mittelalterliche"
Scherzen, mit Etikettesachen und dergleichen mehr. Einmal hatten wir Nach¬
richt, daß Österreich in Böhmen achtzigtausend Mann zusammenzöge und viele
Pferde kaufe. Mau sprach davon beim Könige, und Nadvwitz stand dabei.
Plötzlich trat er mit der Miene des Bestuuterrichteten heran und sagte mit
hohen Augenbrauen: Österreich hat in Böhmen 22 49Z Mann und 2003 Pferde.
Sprachs und drehte sich mit dem Bewußtsein um, wieder einmal imponirt zu
haben." Ein andermal sprach der Bnudeskauzler davon, wie eingeweiht
Nadvwitz in Fragen alter Moden und Trachten gewesen sei. "Der gab
-- sagte er -- über alles mögliche Auskunft, und damit erzielte er einen großen
Teil seiner Erfolge bei Hofe. Er wußte genau, was die Maintenvn oder die
Pompadour an dem oder jenem Tage getragen hatte. Die hatte das und das
um den Hals, sie trug einen Kopfputz von .Kolibris oder Weintrauben, sie
hatte ein perlgraues oder papageigrünes Kleid an, mit den oder den Falbeln
oder Spitzen, ganz genau, wie wenn er dabei gewesen wäre. Die Damen
waren ganz Ohr über diese Toiletteuvorlesuug, die ihm so fließend ab¬
ging." Die Rednergabe deS Generals charakterisirte er folgendermaßen: "Ein
Potsdamer Bürger und Hausbesitzer erzählte mir einmal, daß eine Rede von
Radowitz ihn tief gerührt und ergriffen hätte. Ich fragte ihn, ob er mir eine
Stelle sagen könnte, die ihm besonders zu Herzen gegangen oder besonders schön
vorgekommen wäre. Er wußte keine anzugeben. Ich nahm darauf die Rede
her und erkundigte mich bei ihm, welches die rührende Stelle wäre, indem ich
das Ganze vorlas, und da ergab sichs, daß gar nichts der Art darin stand,
weder was Rührendes noch was Erhabenes. Es war eigentlich immer nur
die Miene, die Stellung des Redners, die aussah, als spräche er das Tiefste,
das Bedeutendste und Ergreifendste -- der Denkerblick, das andächtige Auge
und die Stimme voll Klang und Gewicht. Mit Waldeck wars ähnlich, ob¬
wohl der kein so gescheiter Mensch und keine so vornehme Erscheinung war.
Bei dem wars mehr der Weiße Bart und die Gesinnungstüchtigkeit." Auch
über die ,,Reinheit seiner Absichten," gegen die Sybel nichts einwenden ,,will,"
schien der Bundeskanzler Zweifel zu hegen.




über ihn. Das einemal äußert er: „Man Hütte sich vor Olmütz mit der
Armee eher in Positur setzen müssen, und daß das nicht geschehen ist, ist seine
Schuld. Statt an Rüstungen zu denken, beschäftigte er den König mit Ver-
fassungskleinigkeiteu, einer Wetterauer Grafeubcmk und andern mittelalterliche»
Scherzen, mit Etikettesachen und dergleichen mehr. Einmal hatten wir Nach¬
richt, daß Österreich in Böhmen achtzigtausend Mann zusammenzöge und viele
Pferde kaufe. Mau sprach davon beim Könige, und Nadvwitz stand dabei.
Plötzlich trat er mit der Miene des Bestuuterrichteten heran und sagte mit
hohen Augenbrauen: Österreich hat in Böhmen 22 49Z Mann und 2003 Pferde.
Sprachs und drehte sich mit dem Bewußtsein um, wieder einmal imponirt zu
haben." Ein andermal sprach der Bnudeskauzler davon, wie eingeweiht
Nadvwitz in Fragen alter Moden und Trachten gewesen sei. „Der gab
— sagte er — über alles mögliche Auskunft, und damit erzielte er einen großen
Teil seiner Erfolge bei Hofe. Er wußte genau, was die Maintenvn oder die
Pompadour an dem oder jenem Tage getragen hatte. Die hatte das und das
um den Hals, sie trug einen Kopfputz von .Kolibris oder Weintrauben, sie
hatte ein perlgraues oder papageigrünes Kleid an, mit den oder den Falbeln
oder Spitzen, ganz genau, wie wenn er dabei gewesen wäre. Die Damen
waren ganz Ohr über diese Toiletteuvorlesuug, die ihm so fließend ab¬
ging." Die Rednergabe deS Generals charakterisirte er folgendermaßen: „Ein
Potsdamer Bürger und Hausbesitzer erzählte mir einmal, daß eine Rede von
Radowitz ihn tief gerührt und ergriffen hätte. Ich fragte ihn, ob er mir eine
Stelle sagen könnte, die ihm besonders zu Herzen gegangen oder besonders schön
vorgekommen wäre. Er wußte keine anzugeben. Ich nahm darauf die Rede
her und erkundigte mich bei ihm, welches die rührende Stelle wäre, indem ich
das Ganze vorlas, und da ergab sichs, daß gar nichts der Art darin stand,
weder was Rührendes noch was Erhabenes. Es war eigentlich immer nur
die Miene, die Stellung des Redners, die aussah, als spräche er das Tiefste,
das Bedeutendste und Ergreifendste — der Denkerblick, das andächtige Auge
und die Stimme voll Klang und Gewicht. Mit Waldeck wars ähnlich, ob¬
wohl der kein so gescheiter Mensch und keine so vornehme Erscheinung war.
Bei dem wars mehr der Weiße Bart und die Gesinnungstüchtigkeit." Auch
über die ,,Reinheit seiner Absichten," gegen die Sybel nichts einwenden ,,will,"
schien der Bundeskanzler Zweifel zu hegen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/234>, abgerufen am 23.07.2024.