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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die Schicksale der Marienburg

"ut wo die Gebeine der Hochmeister ruhte", wollte sich jetzt der Strom des
gewöhnlichen Verkehrs, An den Winkel, den "Meisters Hauskapelle" mit dem
"Konventsremter" bildet, flickte ein Slarvst einen plumpen Ruban. "Meisters
popelte" wurde in einen Hausflur verwandelt nud ein neuer Aufgang dazu
vom Hofe ans geschaffen. "Meisters (Gemach" und "Meisters kleiner Reuter"
schienen den neuen Bewohnern zu hoch und wurden durch Balkenlage" und
Fachwerkwäude in zwei Stockwerke ""d mehrere niedrige Zimmer geteilt, im
"Gemach" gar die Gewölbe eingeschlagen. Das "Hochschloß" aber erlitt 1644
dnrch Brand eine große Beschädigung, Ein Büchsenmeister wollte am Frvhn-
leichnamsfeste wie gewöhnlich Böllerschüsse von den Zinnen abfeuern, war aber
betrunken und hatte in seinem Zustande die brennende Lunte ans dein Boden
gelassen. So brannte das ganze Dach ab, und sechzig Jahre blieb das Hvchschlvß
ohne Dach, bis August der Starke bei einem Besuche auf der Burg notdürftig
ein solches herstellen ließ. Bezeichnend für die polnische Wirtschaft war auch
dieser königliche Besuch. Während sein Reich von äußern und innern Feinden
zerwühlt war, vergnügte sich August mit seiner Geliebten, der schönen Gräfin
Cosel, drei Monate lang im Jahre 1710 an der Stätte, wo einst die ernsten
Hochmeister gewaltet hatten. Ein Gillet war es, daß "Meisters großer Reuter"
und der "Kvnveutsremter," sowie der nördliche und östliche Flügel des "Mittel-
schlvsses" während dieser Zeit im großen und gauzeu unangetastet geblieben
waren.

Endlich kam für Westpreußen der Tag der Erlösung, bei der ersten polnischen
Teilung fiel auch Marienburg an Friedrich II, von Preußen. Schon am
September 1772 war der "Kvnventsremter" Zeuge der Huldigung, die die
westpreußische,, Landstände den Vertretern des großen Königs darbrachten.
Aber für die Burg war die Zeit der Erlösung aus ihrer Verwünschung noch
>naht gekommen. Auch Friedrich der Große war besangen in den Vorurteilen
seiner Zeit. Nur das Nützliche hatte in der Zopfzeit Geltung, und was nicht
Nutzen schaffte, wurde von den Aufklärern in die Rumpelkammer geworfen.
So wurde es mit des Ordens Haupthause unter preußischer Herrschaft schlimmer
als unter der polnischen Wirtschaft.

In dem "Hvchschlosse" wurde ein Regiment Soldaten einquartiert, der
"Kvnventsremter" in ein Exerzirhans umgewandelt. Doch dies war noch nichts
gegen den Greuel der Verwüstung, der 17L5 an dieser geschichtlich geweihten
Stätte anhob. Jetzt ging man .Meisters großem Reuter" zu Leibe, it", die
herrliche Säule herum wurden Balken gezogen und so der lichte Raum in
zwei Stockwerke zerlegt, aus jedem Stockwerke vier Zimmer gebildet, die Kalk-
steinplntteu an der Scheukbank und den Fenstern abgerissen und zu Kalk ver¬
braucht. Weberfamilien wurden hier vom Staate angesiedelt, und wo einst
die Schwerter der Ritter auf dem. Fußboden geklirrt hatten, klappten nun
Webstuhle. Auch die übrigem Teile der Hochmeisterwvhuuug wurden deu


Die Schicksale der Marienburg

»ut wo die Gebeine der Hochmeister ruhte», wollte sich jetzt der Strom des
gewöhnlichen Verkehrs, An den Winkel, den „Meisters Hauskapelle" mit dem
„Konventsremter" bildet, flickte ein Slarvst einen plumpen Ruban. „Meisters
popelte" wurde in einen Hausflur verwandelt nud ein neuer Aufgang dazu
vom Hofe ans geschaffen. „Meisters (Gemach" und „Meisters kleiner Reuter"
schienen den neuen Bewohnern zu hoch und wurden durch Balkenlage» und
Fachwerkwäude in zwei Stockwerke »»d mehrere niedrige Zimmer geteilt, im
„Gemach" gar die Gewölbe eingeschlagen. Das „Hochschloß" aber erlitt 1644
dnrch Brand eine große Beschädigung, Ein Büchsenmeister wollte am Frvhn-
leichnamsfeste wie gewöhnlich Böllerschüsse von den Zinnen abfeuern, war aber
betrunken und hatte in seinem Zustande die brennende Lunte ans dein Boden
gelassen. So brannte das ganze Dach ab, und sechzig Jahre blieb das Hvchschlvß
ohne Dach, bis August der Starke bei einem Besuche auf der Burg notdürftig
ein solches herstellen ließ. Bezeichnend für die polnische Wirtschaft war auch
dieser königliche Besuch. Während sein Reich von äußern und innern Feinden
zerwühlt war, vergnügte sich August mit seiner Geliebten, der schönen Gräfin
Cosel, drei Monate lang im Jahre 1710 an der Stätte, wo einst die ernsten
Hochmeister gewaltet hatten. Ein Gillet war es, daß „Meisters großer Reuter"
und der „Kvnveutsremter," sowie der nördliche und östliche Flügel des „Mittel-
schlvsses" während dieser Zeit im großen und gauzeu unangetastet geblieben
waren.

Endlich kam für Westpreußen der Tag der Erlösung, bei der ersten polnischen
Teilung fiel auch Marienburg an Friedrich II, von Preußen. Schon am
September 1772 war der „Kvnventsremter" Zeuge der Huldigung, die die
westpreußische,, Landstände den Vertretern des großen Königs darbrachten.
Aber für die Burg war die Zeit der Erlösung aus ihrer Verwünschung noch
>naht gekommen. Auch Friedrich der Große war besangen in den Vorurteilen
seiner Zeit. Nur das Nützliche hatte in der Zopfzeit Geltung, und was nicht
Nutzen schaffte, wurde von den Aufklärern in die Rumpelkammer geworfen.
So wurde es mit des Ordens Haupthause unter preußischer Herrschaft schlimmer
als unter der polnischen Wirtschaft.

In dem „Hvchschlosse" wurde ein Regiment Soldaten einquartiert, der
„Kvnventsremter" in ein Exerzirhans umgewandelt. Doch dies war noch nichts
gegen den Greuel der Verwüstung, der 17L5 an dieser geschichtlich geweihten
Stätte anhob. Jetzt ging man .Meisters großem Reuter" zu Leibe, it», die
herrliche Säule herum wurden Balken gezogen und so der lichte Raum in
zwei Stockwerke zerlegt, aus jedem Stockwerke vier Zimmer gebildet, die Kalk-
steinplntteu an der Scheukbank und den Fenstern abgerissen und zu Kalk ver¬
braucht. Weberfamilien wurden hier vom Staate angesiedelt, und wo einst
die Schwerter der Ritter auf dem. Fußboden geklirrt hatten, klappten nun
Webstuhle. Auch die übrigem Teile der Hochmeisterwvhuuug wurden deu


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[0095] Die Schicksale der Marienburg »ut wo die Gebeine der Hochmeister ruhte», wollte sich jetzt der Strom des gewöhnlichen Verkehrs, An den Winkel, den „Meisters Hauskapelle" mit dem „Konventsremter" bildet, flickte ein Slarvst einen plumpen Ruban. „Meisters popelte" wurde in einen Hausflur verwandelt nud ein neuer Aufgang dazu vom Hofe ans geschaffen. „Meisters (Gemach" und „Meisters kleiner Reuter" schienen den neuen Bewohnern zu hoch und wurden durch Balkenlage» und Fachwerkwäude in zwei Stockwerke »»d mehrere niedrige Zimmer geteilt, im „Gemach" gar die Gewölbe eingeschlagen. Das „Hochschloß" aber erlitt 1644 dnrch Brand eine große Beschädigung, Ein Büchsenmeister wollte am Frvhn- leichnamsfeste wie gewöhnlich Böllerschüsse von den Zinnen abfeuern, war aber betrunken und hatte in seinem Zustande die brennende Lunte ans dein Boden gelassen. So brannte das ganze Dach ab, und sechzig Jahre blieb das Hvchschlvß ohne Dach, bis August der Starke bei einem Besuche auf der Burg notdürftig ein solches herstellen ließ. Bezeichnend für die polnische Wirtschaft war auch dieser königliche Besuch. Während sein Reich von äußern und innern Feinden zerwühlt war, vergnügte sich August mit seiner Geliebten, der schönen Gräfin Cosel, drei Monate lang im Jahre 1710 an der Stätte, wo einst die ernsten Hochmeister gewaltet hatten. Ein Gillet war es, daß „Meisters großer Reuter" und der „Kvnveutsremter," sowie der nördliche und östliche Flügel des „Mittel- schlvsses" während dieser Zeit im großen und gauzeu unangetastet geblieben waren. Endlich kam für Westpreußen der Tag der Erlösung, bei der ersten polnischen Teilung fiel auch Marienburg an Friedrich II, von Preußen. Schon am September 1772 war der „Kvnventsremter" Zeuge der Huldigung, die die westpreußische,, Landstände den Vertretern des großen Königs darbrachten. Aber für die Burg war die Zeit der Erlösung aus ihrer Verwünschung noch >naht gekommen. Auch Friedrich der Große war besangen in den Vorurteilen seiner Zeit. Nur das Nützliche hatte in der Zopfzeit Geltung, und was nicht Nutzen schaffte, wurde von den Aufklärern in die Rumpelkammer geworfen. So wurde es mit des Ordens Haupthause unter preußischer Herrschaft schlimmer als unter der polnischen Wirtschaft. In dem „Hvchschlosse" wurde ein Regiment Soldaten einquartiert, der „Kvnventsremter" in ein Exerzirhans umgewandelt. Doch dies war noch nichts gegen den Greuel der Verwüstung, der 17L5 an dieser geschichtlich geweihten Stätte anhob. Jetzt ging man .Meisters großem Reuter" zu Leibe, it», die herrliche Säule herum wurden Balken gezogen und so der lichte Raum in zwei Stockwerke zerlegt, aus jedem Stockwerke vier Zimmer gebildet, die Kalk- steinplntteu an der Scheukbank und den Fenstern abgerissen und zu Kalk ver¬ braucht. Weberfamilien wurden hier vom Staate angesiedelt, und wo einst die Schwerter der Ritter auf dem. Fußboden geklirrt hatten, klappten nun Webstuhle. Auch die übrigem Teile der Hochmeisterwvhuuug wurden deu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/95>, abgerufen am 30.06.2024.