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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die Schicksale der INarienlunc/z

schösse, der Unterbringung des Gesindes u. dergl. dienten und mit Türme" und
Gräben N'ohl vero'ahrt waren; diese nannte man die "Vorburg." Alles war
in Ziegelrohban mit Zinueutürmchen, verzierten Giebelfeldern ausgeführt, im
Innern vielfach mit Ornamenten ans gebranntem und gemeißelten Thon ge¬
schmückt. Sogar eine Fußbodenheizung für kalte Tage fehlte nicht. Eine ge¬
nauere Beschreibung dieser erhabenen Räume würde über den Rahmen dieser
Skizze hinnusgeheu, wir verweisen den ^eher ans ein Büchlein, das jüngst von
sachkundiger Seite veröffentlicht worden ist und eine eingehende Beschreibung
enthält: Marienburg, das Hanpthans des deutschen Ordens. Bon Karl
starck (Danzig, Kafemauu, 188!"). Der christlich-deutsche Sinn, der die
Ritter in ihren guten Tagen beseelte, hatte sich hier im Berein mit hoher
Kultur einen monumentalen Ausdruck geschaffen. Man begreift, welcher Segen
von einem solchen Orden in das heidnische Preußenland ausgehe" mußte, uoch
lange galt namentlich die Regierung des Hochmeisters Winrich von Kuiprvde
(1351 -- 1382) als ein goldnes Zeitalter für Preußen.

Doch die Zucht des Ordens verfiel allmählich, die herannahende neue Zeit
strebte nach andern Formen, trotzig erhoben die Städte ihr Haupt, und immer
drohender wurde der alte Erbfeind deutscher Kultur: die Slawen. Schon nach
der unglücklichen Schlacht von Tannenberg 1410 wurde die Marienburg von
dem Polenherzog Jagellv hart belagert, und nnr der Tapferkeit des KvmthnrS
Heinrich von Planen war es zu danken, daß die Burg und mit ihr der Orden
gerettet wurde. Noch zeigt man in "Meisters großem Reuter" über dem
Kamin eine Kugel. Ein Verräter hatte in der belagerten Burg Jagellv ver¬
sprochen, er wolle eine rote Mütze zum Fenster des Reuters Hinanshängen,
wenn Heinrich von Planen sich mit den andern Gebietigern darin aufhalte.
Dann solle man nach der Mütze zielen und würde den einzigen Pfeiler treffe",
anf dem der Saat ruhe, und der "Reuter" würde über den Verteidigern der
Burg zusammenbrechen. Wirklich wurde die Kugel abgeschossen, sie ging aber
fehl und schlug in die Wand ein. Jagellv, dessen Heer von Krankheiten und
Ungeziefer aufgezehrt wurde, mußte abziehe". Aber schon 1451 entbrannte
ein neuer Krieg mit Polen, >457 fiel die Marienburg in die Hand des Erb¬
feindes. Von 1457 bis 1772 mußte das Haupthaus des Ordens erfahren, was
"polnische Wirtschaft" bedeute.

Ein polnischer Starost richtete sich jetzt mit seinem slawischen (befolge nach
Herzenslust in der Marienburg ein. Auf der "Bvrburg" siedelte sich allerlei
Gesindel, "Schotten" genannt, an und erwarb gegen Abgaben von den polnischen
Herren die Erlaubnis, hier ihre Krnmbnden aufzuschlagen, sodaß die Burg in
eine ganz unwürdige Umgebung kam. Zwischen der Kirche und dem "Mittel-
schlosz" erbauten die Jesuiten ein Kollegium lind nahmen zugleich von der
Kirche und der Se. Annenkapelle Besitz. Um einen Zugang zur Stadt zu
gewinnen, wurde zeitweilig jedermann der Durchgang durch die Kapelle gestattet,


Die Schicksale der INarienlunc/z

schösse, der Unterbringung des Gesindes u. dergl. dienten und mit Türme» und
Gräben N'ohl vero'ahrt waren; diese nannte man die „Vorburg." Alles war
in Ziegelrohban mit Zinueutürmchen, verzierten Giebelfeldern ausgeführt, im
Innern vielfach mit Ornamenten ans gebranntem und gemeißelten Thon ge¬
schmückt. Sogar eine Fußbodenheizung für kalte Tage fehlte nicht. Eine ge¬
nauere Beschreibung dieser erhabenen Räume würde über den Rahmen dieser
Skizze hinnusgeheu, wir verweisen den ^eher ans ein Büchlein, das jüngst von
sachkundiger Seite veröffentlicht worden ist und eine eingehende Beschreibung
enthält: Marienburg, das Hanpthans des deutschen Ordens. Bon Karl
starck (Danzig, Kafemauu, 188!»). Der christlich-deutsche Sinn, der die
Ritter in ihren guten Tagen beseelte, hatte sich hier im Berein mit hoher
Kultur einen monumentalen Ausdruck geschaffen. Man begreift, welcher Segen
von einem solchen Orden in das heidnische Preußenland ausgehe» mußte, uoch
lange galt namentlich die Regierung des Hochmeisters Winrich von Kuiprvde
(1351 — 1382) als ein goldnes Zeitalter für Preußen.

Doch die Zucht des Ordens verfiel allmählich, die herannahende neue Zeit
strebte nach andern Formen, trotzig erhoben die Städte ihr Haupt, und immer
drohender wurde der alte Erbfeind deutscher Kultur: die Slawen. Schon nach
der unglücklichen Schlacht von Tannenberg 1410 wurde die Marienburg von
dem Polenherzog Jagellv hart belagert, und nnr der Tapferkeit des KvmthnrS
Heinrich von Planen war es zu danken, daß die Burg und mit ihr der Orden
gerettet wurde. Noch zeigt man in „Meisters großem Reuter" über dem
Kamin eine Kugel. Ein Verräter hatte in der belagerten Burg Jagellv ver¬
sprochen, er wolle eine rote Mütze zum Fenster des Reuters Hinanshängen,
wenn Heinrich von Planen sich mit den andern Gebietigern darin aufhalte.
Dann solle man nach der Mütze zielen und würde den einzigen Pfeiler treffe»,
anf dem der Saat ruhe, und der „Reuter" würde über den Verteidigern der
Burg zusammenbrechen. Wirklich wurde die Kugel abgeschossen, sie ging aber
fehl und schlug in die Wand ein. Jagellv, dessen Heer von Krankheiten und
Ungeziefer aufgezehrt wurde, mußte abziehe». Aber schon 1451 entbrannte
ein neuer Krieg mit Polen, >457 fiel die Marienburg in die Hand des Erb¬
feindes. Von 1457 bis 1772 mußte das Haupthaus des Ordens erfahren, was
„polnische Wirtschaft" bedeute.

Ein polnischer Starost richtete sich jetzt mit seinem slawischen (befolge nach
Herzenslust in der Marienburg ein. Auf der „Bvrburg" siedelte sich allerlei
Gesindel, „Schotten" genannt, an und erwarb gegen Abgaben von den polnischen
Herren die Erlaubnis, hier ihre Krnmbnden aufzuschlagen, sodaß die Burg in
eine ganz unwürdige Umgebung kam. Zwischen der Kirche und dem „Mittel-
schlosz" erbauten die Jesuiten ein Kollegium lind nahmen zugleich von der
Kirche und der Se. Annenkapelle Besitz. Um einen Zugang zur Stadt zu
gewinnen, wurde zeitweilig jedermann der Durchgang durch die Kapelle gestattet,


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[0094] Die Schicksale der INarienlunc/z schösse, der Unterbringung des Gesindes u. dergl. dienten und mit Türme» und Gräben N'ohl vero'ahrt waren; diese nannte man die „Vorburg." Alles war in Ziegelrohban mit Zinueutürmchen, verzierten Giebelfeldern ausgeführt, im Innern vielfach mit Ornamenten ans gebranntem und gemeißelten Thon ge¬ schmückt. Sogar eine Fußbodenheizung für kalte Tage fehlte nicht. Eine ge¬ nauere Beschreibung dieser erhabenen Räume würde über den Rahmen dieser Skizze hinnusgeheu, wir verweisen den ^eher ans ein Büchlein, das jüngst von sachkundiger Seite veröffentlicht worden ist und eine eingehende Beschreibung enthält: Marienburg, das Hanpthans des deutschen Ordens. Bon Karl starck (Danzig, Kafemauu, 188!»). Der christlich-deutsche Sinn, der die Ritter in ihren guten Tagen beseelte, hatte sich hier im Berein mit hoher Kultur einen monumentalen Ausdruck geschaffen. Man begreift, welcher Segen von einem solchen Orden in das heidnische Preußenland ausgehe» mußte, uoch lange galt namentlich die Regierung des Hochmeisters Winrich von Kuiprvde (1351 — 1382) als ein goldnes Zeitalter für Preußen. Doch die Zucht des Ordens verfiel allmählich, die herannahende neue Zeit strebte nach andern Formen, trotzig erhoben die Städte ihr Haupt, und immer drohender wurde der alte Erbfeind deutscher Kultur: die Slawen. Schon nach der unglücklichen Schlacht von Tannenberg 1410 wurde die Marienburg von dem Polenherzog Jagellv hart belagert, und nnr der Tapferkeit des KvmthnrS Heinrich von Planen war es zu danken, daß die Burg und mit ihr der Orden gerettet wurde. Noch zeigt man in „Meisters großem Reuter" über dem Kamin eine Kugel. Ein Verräter hatte in der belagerten Burg Jagellv ver¬ sprochen, er wolle eine rote Mütze zum Fenster des Reuters Hinanshängen, wenn Heinrich von Planen sich mit den andern Gebietigern darin aufhalte. Dann solle man nach der Mütze zielen und würde den einzigen Pfeiler treffe», anf dem der Saat ruhe, und der „Reuter" würde über den Verteidigern der Burg zusammenbrechen. Wirklich wurde die Kugel abgeschossen, sie ging aber fehl und schlug in die Wand ein. Jagellv, dessen Heer von Krankheiten und Ungeziefer aufgezehrt wurde, mußte abziehe». Aber schon 1451 entbrannte ein neuer Krieg mit Polen, >457 fiel die Marienburg in die Hand des Erb¬ feindes. Von 1457 bis 1772 mußte das Haupthaus des Ordens erfahren, was „polnische Wirtschaft" bedeute. Ein polnischer Starost richtete sich jetzt mit seinem slawischen (befolge nach Herzenslust in der Marienburg ein. Auf der „Bvrburg" siedelte sich allerlei Gesindel, „Schotten" genannt, an und erwarb gegen Abgaben von den polnischen Herren die Erlaubnis, hier ihre Krnmbnden aufzuschlagen, sodaß die Burg in eine ganz unwürdige Umgebung kam. Zwischen der Kirche und dem „Mittel- schlosz" erbauten die Jesuiten ein Kollegium lind nahmen zugleich von der Kirche und der Se. Annenkapelle Besitz. Um einen Zugang zur Stadt zu gewinnen, wurde zeitweilig jedermann der Durchgang durch die Kapelle gestattet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/94>, abgerufen am 02.07.2024.