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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die Schicksale der lNarieuburg

Webern eingerülliilt. Doch das Unternehmen hatte keinen Fortgang, mehrere
der Weber liefen fort, und so bestimmte man drei Stuben in dem "großen
Reuter" zu einer Armenschule und eine zur Spilinstnbe. Im Jahre 1801
aber erreichte der Wandalismus seinen Gipfelpunkt. Die Besatzung Mnrien-
burgs wurde damals verringert, die zurückbleibende Mannschaft in der Stadt
untergebracht, warum sollte man die gewaltigen Räume der Marieulmrg nutzlos
liegen lassen? So verfiel man ans den Gedanken, die Burg z>l einem Magazin
für Getreide, Mehl und Salz umzugestalten. Alle im Hoch- und Mittelschlvsse
übrig gebliebner Gewölbe wurden jetzt erbarmungslos zerschlagen und in
niedrige Schüttböden umgewandelt. Ja der Oberbaurat Gillh ging mit dem
Plane um, die ganze Burg abzubrechen und aus den Ziegeln ein neues
Magazin zu bauen, einem Plane, der mir an den Kosten scheiterte. Noch heute
liest man über dem im Südflügel des Hvchschlvsses nach der Stadt zu durch¬
brochenen Eingange die denkwürdigen Worte: "Königliches Getreidemagazin."
Kann es ein bezeichnenderes Merkmal für die Zopfzeit geben?

Doch schon schlug die Stunde, in der ein neuer Geist sich Bah" brach.
Max von Schenkendorf war der erste, der in der damals viel gelesenen Zeit¬
schrift "Der Freimütige" 1803 auf das Schimpfliche der Zerstörung der
Mnrienburg hinwies. Dieser Aufsatz öffnete dem Minister von Schroeter und
auch dein Könige die Angen, schon 1804 erschien eine Knbinetsordre, die der
weitern Zerstörung der Burg Einhalt gebot und sogar für ihre Erhaltung
Sorge zu tragen befahl. Die Stürme der folgenden Unglücksjahre hinderten
freilich die Ausführung des königlichen Befehls. 180" bis 1808 hausten die
Franzosen im Schlosse, wobei sie das "Hvchschlvfz" als Kriegsinagazin, das
"Mittelschlvß" vornehmlich als Lazarett) benutzten.

Nach den Befreiungskriege!? aber wurde die Wiederherstellung der Burg
ein Ziel aller "deutsch" Gesinnten. Mit fast überschwünglicher Begeisterung
ging mau an die Arbeit. Oberpräsident von Schon war der erste, der die
Anregung gab. Der König sollte die Erhaltung des Ganzen übernehmen, das
Volk die einzelnen Teile herstellen. Den Weg der Subskription lehnte Schön
ub, jeder, der etwas beitragen wollte, sollte einen bestimmten Teil, einen
Pfeiler, ein Fenster, ein Gemach übernehmen. Die Prinzen des königlichen
Hanfes gingen voran und übernahmen die Herstellung von "Meisters großem
Reuter" lind den Zimmern über dem Schlosse. Adelsfamilien, Städte, Kreise,
die evangelische und die katholische Geistlichkeit Preußens, Logen, Bereine, Ghin-
nasien n. s. w. folgten mit Begeisterung. Der Marienbnrger Prediger Dr. Häbler,
der in der Burg noch am besten Bescheid wußte, half den Ballmeistern die
alten Formen wieder entdecken, Geheimrat Hnrtmann übernahm die Bauleitung,
dem seit 1819 Bauinspektvr Gersdorff zur Seite stand. Lnndrat Hüllmann,
Bürgermeister Hüllmann, Professor Johannes Voigt leisteten wesentliche Dienste.
So erhob sich allmählich die Hvchmeisterwohnnng und der' "Kvnventsremter"


Die Schicksale der lNarieuburg

Webern eingerülliilt. Doch das Unternehmen hatte keinen Fortgang, mehrere
der Weber liefen fort, und so bestimmte man drei Stuben in dem „großen
Reuter" zu einer Armenschule und eine zur Spilinstnbe. Im Jahre 1801
aber erreichte der Wandalismus seinen Gipfelpunkt. Die Besatzung Mnrien-
burgs wurde damals verringert, die zurückbleibende Mannschaft in der Stadt
untergebracht, warum sollte man die gewaltigen Räume der Marieulmrg nutzlos
liegen lassen? So verfiel man ans den Gedanken, die Burg z>l einem Magazin
für Getreide, Mehl und Salz umzugestalten. Alle im Hoch- und Mittelschlvsse
übrig gebliebner Gewölbe wurden jetzt erbarmungslos zerschlagen und in
niedrige Schüttböden umgewandelt. Ja der Oberbaurat Gillh ging mit dem
Plane um, die ganze Burg abzubrechen und aus den Ziegeln ein neues
Magazin zu bauen, einem Plane, der mir an den Kosten scheiterte. Noch heute
liest man über dem im Südflügel des Hvchschlvsses nach der Stadt zu durch¬
brochenen Eingange die denkwürdigen Worte: „Königliches Getreidemagazin."
Kann es ein bezeichnenderes Merkmal für die Zopfzeit geben?

Doch schon schlug die Stunde, in der ein neuer Geist sich Bah» brach.
Max von Schenkendorf war der erste, der in der damals viel gelesenen Zeit¬
schrift „Der Freimütige" 1803 auf das Schimpfliche der Zerstörung der
Mnrienburg hinwies. Dieser Aufsatz öffnete dem Minister von Schroeter und
auch dein Könige die Angen, schon 1804 erschien eine Knbinetsordre, die der
weitern Zerstörung der Burg Einhalt gebot und sogar für ihre Erhaltung
Sorge zu tragen befahl. Die Stürme der folgenden Unglücksjahre hinderten
freilich die Ausführung des königlichen Befehls. 180« bis 1808 hausten die
Franzosen im Schlosse, wobei sie das „Hvchschlvfz" als Kriegsinagazin, das
„Mittelschlvß" vornehmlich als Lazarett) benutzten.

Nach den Befreiungskriege!? aber wurde die Wiederherstellung der Burg
ein Ziel aller „deutsch" Gesinnten. Mit fast überschwünglicher Begeisterung
ging mau an die Arbeit. Oberpräsident von Schon war der erste, der die
Anregung gab. Der König sollte die Erhaltung des Ganzen übernehmen, das
Volk die einzelnen Teile herstellen. Den Weg der Subskription lehnte Schön
ub, jeder, der etwas beitragen wollte, sollte einen bestimmten Teil, einen
Pfeiler, ein Fenster, ein Gemach übernehmen. Die Prinzen des königlichen
Hanfes gingen voran und übernahmen die Herstellung von „Meisters großem
Reuter" lind den Zimmern über dem Schlosse. Adelsfamilien, Städte, Kreise,
die evangelische und die katholische Geistlichkeit Preußens, Logen, Bereine, Ghin-
nasien n. s. w. folgten mit Begeisterung. Der Marienbnrger Prediger Dr. Häbler,
der in der Burg noch am besten Bescheid wußte, half den Ballmeistern die
alten Formen wieder entdecken, Geheimrat Hnrtmann übernahm die Bauleitung,
dem seit 1819 Bauinspektvr Gersdorff zur Seite stand. Lnndrat Hüllmann,
Bürgermeister Hüllmann, Professor Johannes Voigt leisteten wesentliche Dienste.
So erhob sich allmählich die Hvchmeisterwohnnng und der' „Kvnventsremter"


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[0096] Die Schicksale der lNarieuburg Webern eingerülliilt. Doch das Unternehmen hatte keinen Fortgang, mehrere der Weber liefen fort, und so bestimmte man drei Stuben in dem „großen Reuter" zu einer Armenschule und eine zur Spilinstnbe. Im Jahre 1801 aber erreichte der Wandalismus seinen Gipfelpunkt. Die Besatzung Mnrien- burgs wurde damals verringert, die zurückbleibende Mannschaft in der Stadt untergebracht, warum sollte man die gewaltigen Räume der Marieulmrg nutzlos liegen lassen? So verfiel man ans den Gedanken, die Burg z>l einem Magazin für Getreide, Mehl und Salz umzugestalten. Alle im Hoch- und Mittelschlvsse übrig gebliebner Gewölbe wurden jetzt erbarmungslos zerschlagen und in niedrige Schüttböden umgewandelt. Ja der Oberbaurat Gillh ging mit dem Plane um, die ganze Burg abzubrechen und aus den Ziegeln ein neues Magazin zu bauen, einem Plane, der mir an den Kosten scheiterte. Noch heute liest man über dem im Südflügel des Hvchschlvsses nach der Stadt zu durch¬ brochenen Eingange die denkwürdigen Worte: „Königliches Getreidemagazin." Kann es ein bezeichnenderes Merkmal für die Zopfzeit geben? Doch schon schlug die Stunde, in der ein neuer Geist sich Bah» brach. Max von Schenkendorf war der erste, der in der damals viel gelesenen Zeit¬ schrift „Der Freimütige" 1803 auf das Schimpfliche der Zerstörung der Mnrienburg hinwies. Dieser Aufsatz öffnete dem Minister von Schroeter und auch dein Könige die Angen, schon 1804 erschien eine Knbinetsordre, die der weitern Zerstörung der Burg Einhalt gebot und sogar für ihre Erhaltung Sorge zu tragen befahl. Die Stürme der folgenden Unglücksjahre hinderten freilich die Ausführung des königlichen Befehls. 180« bis 1808 hausten die Franzosen im Schlosse, wobei sie das „Hvchschlvfz" als Kriegsinagazin, das „Mittelschlvß" vornehmlich als Lazarett) benutzten. Nach den Befreiungskriege!? aber wurde die Wiederherstellung der Burg ein Ziel aller „deutsch" Gesinnten. Mit fast überschwünglicher Begeisterung ging mau an die Arbeit. Oberpräsident von Schon war der erste, der die Anregung gab. Der König sollte die Erhaltung des Ganzen übernehmen, das Volk die einzelnen Teile herstellen. Den Weg der Subskription lehnte Schön ub, jeder, der etwas beitragen wollte, sollte einen bestimmten Teil, einen Pfeiler, ein Fenster, ein Gemach übernehmen. Die Prinzen des königlichen Hanfes gingen voran und übernahmen die Herstellung von „Meisters großem Reuter" lind den Zimmern über dem Schlosse. Adelsfamilien, Städte, Kreise, die evangelische und die katholische Geistlichkeit Preußens, Logen, Bereine, Ghin- nasien n. s. w. folgten mit Begeisterung. Der Marienbnrger Prediger Dr. Häbler, der in der Burg noch am besten Bescheid wußte, half den Ballmeistern die alten Formen wieder entdecken, Geheimrat Hnrtmann übernahm die Bauleitung, dem seit 1819 Bauinspektvr Gersdorff zur Seite stand. Lnndrat Hüllmann, Bürgermeister Hüllmann, Professor Johannes Voigt leisteten wesentliche Dienste. So erhob sich allmählich die Hvchmeisterwohnnng und der' „Kvnventsremter"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/96>, abgerufen am 28.06.2024.