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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die Schicksale der Marienkult'g

das Einkommen der Gerichtsvollzieher einen Blick werfen, so finden wir, daß
nnr etwa ein Drittel derselben -- ö!!8 -- nicht ganz das geringste richter¬
liche Einkommen (2400 Mark) bezieht, daß dagegen die übrigen zwei Drittel
sich eines Einkommens erfreuen, das durch alle Stufen hindurch mit dem der
Richter Schritt hält und in der höchsten Stufe sogar den Gehalt eines Ober¬
landesgerichtspräsidenten (l0(X>0 Mary noch übersteigt. Daß es wirklich el"
Bedürfnis sei, Menschen von dieser Bildungsklasse mit einem solchen Ein¬
kommen auszustatten, läßt sich doch bezweifeln. Wohl mochten die Unter-
beamten, die früher unter Gerichtsanfsicht die nämlichen Geschäfte zu besorgen
hatten, mitunter zu kärglich besoldet sein, und wenn Veruntreuungen bei
ihnen vorkamen, so konnte ma" Wohl annehmen, daß die Not sie dazu getrieben
habe. Die öftern gleichen Vergehen der Gerichtsvollzieher beweisen aber, daß
Menschen von niedriger Bildungsstufe auch dadurch, daß man sie in Wohl¬
leben stellt, nicht immer vor Schlechtem bewahrt werden. Jedenfalls gehören
die Gerichtsvollzieher -- wie anch noch jüngst ein im Reichstag erstatteter
Kvmmissionsbericht aussprach - zu den am wenigsten bewährten Errungen-
schaften des Jahres 187!).

(Schluss folgt)




Die Schicksale der Marienburg

em Besucher der Marienburg bietet sich jetzt ein merkwürdiges
Bild. In dein südlichen Teile, dem "Hvchschlvß," herrscht ein
^ebeu und Treiben, als sollte die Burg noch einmal von Grund
ans nen gebaut werden. Die vernnstaltenden Umbauten, mit denen
eine spätere Zeit sich an diesem herrlichsten gothischen Profanbau
so arg versündigt hat, werden abgebrochen und überall die ursprünglichen Formen
wieder hergestellt. Noch treten beim Abbrüche der später zugefügten Mauern
die alten, erhabenen Spitzbogen vielfach deutlich hervor. Im Innern, namentlich
in der Schloßkirche, tauchen die alten Freskomalereien, freilich bis zur Un-
kenntlichkeit verwischt, ans der Kalktünche, mit der sie späterer Unverstand über¬
kleidet hat, langsam wieder hervor, an andern Stellen prangen bereits die Farben
in alter Frische. Kurz, die Marienburg gleicht jetzt den: Dornröschen, das
nach jahrhundertelangem Schlaf in Jugendschöuheit wieder erwacht.


Die Schicksale der Marienkult'g

das Einkommen der Gerichtsvollzieher einen Blick werfen, so finden wir, daß
nnr etwa ein Drittel derselben — ö!!8 — nicht ganz das geringste richter¬
liche Einkommen (2400 Mark) bezieht, daß dagegen die übrigen zwei Drittel
sich eines Einkommens erfreuen, das durch alle Stufen hindurch mit dem der
Richter Schritt hält und in der höchsten Stufe sogar den Gehalt eines Ober¬
landesgerichtspräsidenten (l0(X>0 Mary noch übersteigt. Daß es wirklich el»
Bedürfnis sei, Menschen von dieser Bildungsklasse mit einem solchen Ein¬
kommen auszustatten, läßt sich doch bezweifeln. Wohl mochten die Unter-
beamten, die früher unter Gerichtsanfsicht die nämlichen Geschäfte zu besorgen
hatten, mitunter zu kärglich besoldet sein, und wenn Veruntreuungen bei
ihnen vorkamen, so konnte ma» Wohl annehmen, daß die Not sie dazu getrieben
habe. Die öftern gleichen Vergehen der Gerichtsvollzieher beweisen aber, daß
Menschen von niedriger Bildungsstufe auch dadurch, daß man sie in Wohl¬
leben stellt, nicht immer vor Schlechtem bewahrt werden. Jedenfalls gehören
die Gerichtsvollzieher — wie anch noch jüngst ein im Reichstag erstatteter
Kvmmissionsbericht aussprach - zu den am wenigsten bewährten Errungen-
schaften des Jahres 187!).

(Schluss folgt)




Die Schicksale der Marienburg

em Besucher der Marienburg bietet sich jetzt ein merkwürdiges
Bild. In dein südlichen Teile, dem „Hvchschlvß," herrscht ein
^ebeu und Treiben, als sollte die Burg noch einmal von Grund
ans nen gebaut werden. Die vernnstaltenden Umbauten, mit denen
eine spätere Zeit sich an diesem herrlichsten gothischen Profanbau
so arg versündigt hat, werden abgebrochen und überall die ursprünglichen Formen
wieder hergestellt. Noch treten beim Abbrüche der später zugefügten Mauern
die alten, erhabenen Spitzbogen vielfach deutlich hervor. Im Innern, namentlich
in der Schloßkirche, tauchen die alten Freskomalereien, freilich bis zur Un-
kenntlichkeit verwischt, ans der Kalktünche, mit der sie späterer Unverstand über¬
kleidet hat, langsam wieder hervor, an andern Stellen prangen bereits die Farben
in alter Frische. Kurz, die Marienburg gleicht jetzt den: Dornröschen, das
nach jahrhundertelangem Schlaf in Jugendschöuheit wieder erwacht.


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[0092] Die Schicksale der Marienkult'g das Einkommen der Gerichtsvollzieher einen Blick werfen, so finden wir, daß nnr etwa ein Drittel derselben — ö!!8 — nicht ganz das geringste richter¬ liche Einkommen (2400 Mark) bezieht, daß dagegen die übrigen zwei Drittel sich eines Einkommens erfreuen, das durch alle Stufen hindurch mit dem der Richter Schritt hält und in der höchsten Stufe sogar den Gehalt eines Ober¬ landesgerichtspräsidenten (l0(X>0 Mary noch übersteigt. Daß es wirklich el» Bedürfnis sei, Menschen von dieser Bildungsklasse mit einem solchen Ein¬ kommen auszustatten, läßt sich doch bezweifeln. Wohl mochten die Unter- beamten, die früher unter Gerichtsanfsicht die nämlichen Geschäfte zu besorgen hatten, mitunter zu kärglich besoldet sein, und wenn Veruntreuungen bei ihnen vorkamen, so konnte ma» Wohl annehmen, daß die Not sie dazu getrieben habe. Die öftern gleichen Vergehen der Gerichtsvollzieher beweisen aber, daß Menschen von niedriger Bildungsstufe auch dadurch, daß man sie in Wohl¬ leben stellt, nicht immer vor Schlechtem bewahrt werden. Jedenfalls gehören die Gerichtsvollzieher — wie anch noch jüngst ein im Reichstag erstatteter Kvmmissionsbericht aussprach - zu den am wenigsten bewährten Errungen- schaften des Jahres 187!). (Schluss folgt) Die Schicksale der Marienburg em Besucher der Marienburg bietet sich jetzt ein merkwürdiges Bild. In dein südlichen Teile, dem „Hvchschlvß," herrscht ein ^ebeu und Treiben, als sollte die Burg noch einmal von Grund ans nen gebaut werden. Die vernnstaltenden Umbauten, mit denen eine spätere Zeit sich an diesem herrlichsten gothischen Profanbau so arg versündigt hat, werden abgebrochen und überall die ursprünglichen Formen wieder hergestellt. Noch treten beim Abbrüche der später zugefügten Mauern die alten, erhabenen Spitzbogen vielfach deutlich hervor. Im Innern, namentlich in der Schloßkirche, tauchen die alten Freskomalereien, freilich bis zur Un- kenntlichkeit verwischt, ans der Kalktünche, mit der sie späterer Unverstand über¬ kleidet hat, langsam wieder hervor, an andern Stellen prangen bereits die Farben in alter Frische. Kurz, die Marienburg gleicht jetzt den: Dornröschen, das nach jahrhundertelangem Schlaf in Jugendschöuheit wieder erwacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/92>, abgerufen am 30.06.2024.