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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die Instizorganisatwn von ^8?^ in ministerieller Beleuchtung

schnldigelid gedacht. Jedoch unirden ihnen mehr und mehr lobende Zeugnisse
von den (Gerichtsbehörden ausgestellt. Die gleichwohl bestehende "Ungunst der
Institution" habe ihren Hauptgrund in den hohen Gebühren, namentlich den
hohen Reisekosten, die die Gerichtsvollzieher bezogen. Könnte man hierin eine
Erleichterung verschaffen, so würden die Klagen bald verstummen. Eine ander-
weite Regelung stoße aber auf die Schwierigkeit, daß bei eiuer Herabsetzung
der Gebühre" und Reisekosten der Staat die Gerichtsvollzieher entschädigen
müsse. Beliebt würden freilich die Gerichtsvollzieher niemals werden, da sie
zu unliebsame Geschäfte hätten.

Zur Ergänzung dieser Betrachtung dient die Darstellung der Einkommens¬
verhältnisse der Gerichtsvollzieher, wie sie sich in deu Berichten findet. Der
Staat hat ihnen el" Mindesteinkomme" von 1800 Mark gewährleistet. Die
Zahl derer, denen hiernach zugelegt werden muß, beträgt aber nur 345.
Die übrigen beziehen schon an Gebühre" mehr als 1800 Mark und zwar durch
alle Stufe" hinauf bis zu 1">000 Mark, drei sogar el" Einkommen noch darüber
hinaus. Der Bericht erachtet diese Einkommen für angemessen, weil sie dem
Stande intelligente Kräfte zuführten und den Diensteifer anspornten. So wohl¬
wollend nun auch diese Bemerkung für die Gerichtsvollzieher ist, so verkennt
doch auch der Bericht nicht, daß die Einrichtung von Hans ans eine bedenk¬
liche gewesen sei lind daß sie auch bis jetzt nicht viele Freunde, wohl aber
zahlreiche Gegner sich erworben habe. Ja man glaubt zwischen den Zeilen zu
lesen, daß auch der Herr Justizminister nicht viel Freude darau habe. Was
zunächst die häufige" Bergehuugeu, namentlich die Veruntreuungen der Gerichts¬
vollzieher betrifft, so mögen ja die Versuchungen, denen sie fortwährend aus¬
gesetzt sj>^ subjektiv ihnen zu einiger Entschuldigung gereichen. Objektiv
können sie aber doch mit der Einrichtung nicht versöhnen. Denn der Vor-
wurf, soweit er dadurch vou der Person der Gerichtsvollzieher abgelenkt wird,
richtet sich nun gegen das Gesetz, das Leuten von niederem Bildungsgrade
eine Selbständigkeit verliehen hat, die sie ständig in Versuchung führt. Daß
ein Beamter, der berufen ist, dem Schuldner (der doch nicht immer ein
böswilliger, sondern oft mir ein armer Mensch ist) sein Gut abznpfänden, stets
einer gewissen Unbeliebtheit unterliegen wird, mag wahr sein. Aber es ist
doch noch ein Unterschied, ob ein solcher Beamter im Auftrag des Richters
erscheint und selbst bei der Sache ohne Interesse ist, oder ob ein Beamter sich
einfindet, der "im Auftrag der Partei" handelt und ans dem traurigen Ge¬
schäft der Abpfändnng ein gewinnreiches Gewerbe macht. Wenn dann ein
solcher Beamter in seinem durch den Erwerbstrieb gesteigerten Diensteifer die
Menschen vielleicht noch mehr als nötig, wie man im Volksmnnde sagt,
"klemmt," und dabei noch Gebühren für sich vorweg nimmt in einer Höhe,
die ihm gestattet, weit über die natürlichen Grenzen seines Standes hinaus zu
leben, so kränkt das die Meuscheu bis aufs Blut. Deal wenn wir um auf


Die Instizorganisatwn von ^8?^ in ministerieller Beleuchtung

schnldigelid gedacht. Jedoch unirden ihnen mehr und mehr lobende Zeugnisse
von den (Gerichtsbehörden ausgestellt. Die gleichwohl bestehende „Ungunst der
Institution" habe ihren Hauptgrund in den hohen Gebühren, namentlich den
hohen Reisekosten, die die Gerichtsvollzieher bezogen. Könnte man hierin eine
Erleichterung verschaffen, so würden die Klagen bald verstummen. Eine ander-
weite Regelung stoße aber auf die Schwierigkeit, daß bei eiuer Herabsetzung
der Gebühre» und Reisekosten der Staat die Gerichtsvollzieher entschädigen
müsse. Beliebt würden freilich die Gerichtsvollzieher niemals werden, da sie
zu unliebsame Geschäfte hätten.

Zur Ergänzung dieser Betrachtung dient die Darstellung der Einkommens¬
verhältnisse der Gerichtsvollzieher, wie sie sich in deu Berichten findet. Der
Staat hat ihnen el» Mindesteinkomme» von 1800 Mark gewährleistet. Die
Zahl derer, denen hiernach zugelegt werden muß, beträgt aber nur 345.
Die übrigen beziehen schon an Gebühre» mehr als 1800 Mark und zwar durch
alle Stufe» hinauf bis zu 1«>000 Mark, drei sogar el» Einkommen noch darüber
hinaus. Der Bericht erachtet diese Einkommen für angemessen, weil sie dem
Stande intelligente Kräfte zuführten und den Diensteifer anspornten. So wohl¬
wollend nun auch diese Bemerkung für die Gerichtsvollzieher ist, so verkennt
doch auch der Bericht nicht, daß die Einrichtung von Hans ans eine bedenk¬
liche gewesen sei lind daß sie auch bis jetzt nicht viele Freunde, wohl aber
zahlreiche Gegner sich erworben habe. Ja man glaubt zwischen den Zeilen zu
lesen, daß auch der Herr Justizminister nicht viel Freude darau habe. Was
zunächst die häufige» Bergehuugeu, namentlich die Veruntreuungen der Gerichts¬
vollzieher betrifft, so mögen ja die Versuchungen, denen sie fortwährend aus¬
gesetzt sj>^ subjektiv ihnen zu einiger Entschuldigung gereichen. Objektiv
können sie aber doch mit der Einrichtung nicht versöhnen. Denn der Vor-
wurf, soweit er dadurch vou der Person der Gerichtsvollzieher abgelenkt wird,
richtet sich nun gegen das Gesetz, das Leuten von niederem Bildungsgrade
eine Selbständigkeit verliehen hat, die sie ständig in Versuchung führt. Daß
ein Beamter, der berufen ist, dem Schuldner (der doch nicht immer ein
böswilliger, sondern oft mir ein armer Mensch ist) sein Gut abznpfänden, stets
einer gewissen Unbeliebtheit unterliegen wird, mag wahr sein. Aber es ist
doch noch ein Unterschied, ob ein solcher Beamter im Auftrag des Richters
erscheint und selbst bei der Sache ohne Interesse ist, oder ob ein Beamter sich
einfindet, der „im Auftrag der Partei" handelt und ans dem traurigen Ge¬
schäft der Abpfändnng ein gewinnreiches Gewerbe macht. Wenn dann ein
solcher Beamter in seinem durch den Erwerbstrieb gesteigerten Diensteifer die
Menschen vielleicht noch mehr als nötig, wie man im Volksmnnde sagt,
„klemmt," und dabei noch Gebühren für sich vorweg nimmt in einer Höhe,
die ihm gestattet, weit über die natürlichen Grenzen seines Standes hinaus zu
leben, so kränkt das die Meuscheu bis aufs Blut. Deal wenn wir um auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/91>, abgerufen am 28.06.2024.