Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Die Jnstizorganisation von ^87^) in ministerioller Beleuchtung gerichte jetzt an die Landgerichte gehen, während früher alle Rechtsmittel zweiter Es würde nicht passend sein, wollte ich den Lesern dieser Zeitschrift die Während bei den altpreußischen Appellationsgerichten, bei denen man Jedenfalls kaun man so viel sagen, daß die durch die neue Organisation Wir versuchen nicht eine ähnliche Berechnung auch bezüglich der Gerichts- Die Jnstizorganisation von ^87^) in ministerioller Beleuchtung gerichte jetzt an die Landgerichte gehen, während früher alle Rechtsmittel zweiter Es würde nicht passend sein, wollte ich den Lesern dieser Zeitschrift die Während bei den altpreußischen Appellationsgerichten, bei denen man Jedenfalls kaun man so viel sagen, daß die durch die neue Organisation Wir versuchen nicht eine ähnliche Berechnung auch bezüglich der Gerichts- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206087"/> <fw type="header" place="top"> Die Jnstizorganisation von ^87^) in ministerioller Beleuchtung</fw><lb/> <p xml:id="ID_323" prev="#ID_322"> gerichte jetzt an die Landgerichte gehen, während früher alle Rechtsmittel zweiter<lb/> Instanz in Altpreußen an die Appellationsgerichte gingen. Auch ist die<lb/> Thätigkeit der Oberlandesgerichte in Strafsachen weit geringer als die der<lb/> frühern Appellntionsgcrichte.</p><lb/> <p xml:id="ID_324"> Es würde nicht passend sein, wollte ich den Lesern dieser Zeitschrift die<lb/> hiernach und mit Hilfe andrer statistischen Nachweise von mir vorgenommenen<lb/> Berechnungen (über die ich jedoch jederzeit Auskunft geben könnte) in ihren<lb/> Einzelheiten vorführen. Ich beschränke mich daher auf Mitteilung der letzten<lb/> Ergebnisse. Meiner Berechnung nach haben sich in erster Instanz die für<lb/> Zivilsachen verwendeten Richterkräfte um etwa 17 Prozent, die Zahl der<lb/> erledigten Sachen aber um etwa ^4 Prozent verringert, sodaß also die Vor¬<lb/> bau treu Kräfte nur etwa vier Fünftel des Frühern leisten. Noch weit größer<lb/> ist der Gegensatz in der Beschäftigung der Mitglieder der höhern Instanz.</p><lb/> <p xml:id="ID_325"> Während bei den altpreußischen Appellationsgerichten, bei denen man<lb/> etwa ein Viertel der Mitglieder für Strafsachen rechnen konnte, die übrig¬<lb/> bleibenden drei Viertel (250) jährlich 52896 Appellationen und Rekurse zu<lb/> erledigen hatten, sodaß also ans das einzelne Mitglied an 212 Sachen fielen,<lb/> kommen auf die in Zivilsacheu beschäftigten Mitglieder der jetzigen Oberlandes-<lb/> gcrichte (bei denen man mir etwa ein Zehntel der Mitglieder für Strafsachen<lb/> rechne» kann) jährlich nur etwa 40 Sachen. Allerdings waren unter jenen<lb/> 212 Sachen auch die Rekurse begriffen, die in großer Anzahl ohne weitere<lb/> Verhandlung und sehr summarisch erledigt wurden. Auch soll jener Über-<lb/> flntilng der höhern Instanz mit geringfügigen Sachen, wie sie bei den<lb/> Appellationsgerichten stattfand, keineswegs hier das Wort geredet werden.<lb/> Eine solche Anzahl Sachen jährlich zu erledigen, ist für das Mitglied eines<lb/> lodern Gerichtes offenbar zu viel. Übrigens hatte man dies mich schon früher<lb/> in Preußen erkannt. Bei der Gerichtsorganisation in den neuen Provinzen<lb/> (1867) waren Einrichtungen getroffen worden, wonach dort die Appellations¬<lb/> gerichte nicht in gleicher Weise überlastet waren. In diesen Provinzen ist auch<lb/> die Verminderung in der Zahl der Richter höherer Instanz nicht in gleichem<lb/> Maße eingetreten. Sie sind von 105 ans 80 herabgegangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_326"> Jedenfalls kaun man so viel sagen, daß die durch die neue Organisation<lb/> herbeigeführte Verminderung des Nichterpersonals bei weitem überboten wird<lb/> durch die Verminderung dessen, was das Nichterpersvnal leistet. Der in jener<lb/> Verminderung liegende Vorteil ist also nur scheinbar. Zugleich erklärt sich aber<lb/> daraus, weshalb das neue Verfahren viele Richter, namentlich auch bei den<lb/> höhern Gerichten, zu Lobrednern hat. Denn es ist durchaus menschlich, daß<lb/> man die Dinge darnach beurteilt, wie man sich persönlich bei ihnen befindet.</p><lb/> <p xml:id="ID_327" next="#ID_328"> Wir versuchen nicht eine ähnliche Berechnung auch bezüglich der Gerichts-<lb/> becuuteu aufzustellen, da hierfür jedes Material fehlt. Jedenfalls aber würde<lb/> man sich täuschen, wen» man aus der Verminderung der Kanzleibeamten den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
Die Jnstizorganisation von ^87^) in ministerioller Beleuchtung
gerichte jetzt an die Landgerichte gehen, während früher alle Rechtsmittel zweiter
Instanz in Altpreußen an die Appellationsgerichte gingen. Auch ist die
Thätigkeit der Oberlandesgerichte in Strafsachen weit geringer als die der
frühern Appellntionsgcrichte.
Es würde nicht passend sein, wollte ich den Lesern dieser Zeitschrift die
hiernach und mit Hilfe andrer statistischen Nachweise von mir vorgenommenen
Berechnungen (über die ich jedoch jederzeit Auskunft geben könnte) in ihren
Einzelheiten vorführen. Ich beschränke mich daher auf Mitteilung der letzten
Ergebnisse. Meiner Berechnung nach haben sich in erster Instanz die für
Zivilsachen verwendeten Richterkräfte um etwa 17 Prozent, die Zahl der
erledigten Sachen aber um etwa ^4 Prozent verringert, sodaß also die Vor¬
bau treu Kräfte nur etwa vier Fünftel des Frühern leisten. Noch weit größer
ist der Gegensatz in der Beschäftigung der Mitglieder der höhern Instanz.
Während bei den altpreußischen Appellationsgerichten, bei denen man
etwa ein Viertel der Mitglieder für Strafsachen rechnen konnte, die übrig¬
bleibenden drei Viertel (250) jährlich 52896 Appellationen und Rekurse zu
erledigen hatten, sodaß also ans das einzelne Mitglied an 212 Sachen fielen,
kommen auf die in Zivilsacheu beschäftigten Mitglieder der jetzigen Oberlandes-
gcrichte (bei denen man mir etwa ein Zehntel der Mitglieder für Strafsachen
rechne» kann) jährlich nur etwa 40 Sachen. Allerdings waren unter jenen
212 Sachen auch die Rekurse begriffen, die in großer Anzahl ohne weitere
Verhandlung und sehr summarisch erledigt wurden. Auch soll jener Über-
flntilng der höhern Instanz mit geringfügigen Sachen, wie sie bei den
Appellationsgerichten stattfand, keineswegs hier das Wort geredet werden.
Eine solche Anzahl Sachen jährlich zu erledigen, ist für das Mitglied eines
lodern Gerichtes offenbar zu viel. Übrigens hatte man dies mich schon früher
in Preußen erkannt. Bei der Gerichtsorganisation in den neuen Provinzen
(1867) waren Einrichtungen getroffen worden, wonach dort die Appellations¬
gerichte nicht in gleicher Weise überlastet waren. In diesen Provinzen ist auch
die Verminderung in der Zahl der Richter höherer Instanz nicht in gleichem
Maße eingetreten. Sie sind von 105 ans 80 herabgegangen.
Jedenfalls kaun man so viel sagen, daß die durch die neue Organisation
herbeigeführte Verminderung des Nichterpersonals bei weitem überboten wird
durch die Verminderung dessen, was das Nichterpersvnal leistet. Der in jener
Verminderung liegende Vorteil ist also nur scheinbar. Zugleich erklärt sich aber
daraus, weshalb das neue Verfahren viele Richter, namentlich auch bei den
höhern Gerichten, zu Lobrednern hat. Denn es ist durchaus menschlich, daß
man die Dinge darnach beurteilt, wie man sich persönlich bei ihnen befindet.
Wir versuchen nicht eine ähnliche Berechnung auch bezüglich der Gerichts-
becuuteu aufzustellen, da hierfür jedes Material fehlt. Jedenfalls aber würde
man sich täuschen, wen» man aus der Verminderung der Kanzleibeamten den
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