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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Der amerikanische Aongres; und die Monroe-Doktrin

Diesem Zwecke soll nun offenbar auch der Kongreß dienen, den die nord-
amerikanische Regierung ans den 14. d. M. nach Washington bereisen hat.^)
Sein Programm sieht, wie schon bemerkt, auf den ersten Blick ziemlich harmlos
aus. Die Punkte, die es der Beratung unterbreitet, sind vorwiegend wirt¬
schaftlicher Natur: sie bestehen in der Einführung eines gemeinsamen Münz-,
Maß- und Gewichtssystems, einheitlicher Regelung des Patentwesens und des
Markenschutzes, einheitlicher Gesetzgebung in Bezug ans die Sicherheit der
Personen und des Eigentums und Bildung eines alle amerikanischen Staate"
von unabhängiger Stellung umschließenden Zollvereins und Herstellung regel¬
mäßiger und häusiger Dampferfahrten zwischen den Häfen der verschiednen
Länder; ferner Einsetzung eines obersten Schiedsgerichts zur Erledigung be¬
stehender nud etwa in Zukunft sich ergebender Meinungsverschiedenheiten wirt¬
schaftlicher Natur, endlich Vereinbarungen mit der Bestimmung, die gemein¬
schaftliche Abwehr von Einmischungen europäischer Mächte in amerikanische
Fragen und Verhältnisse zu erleichtern. Der Gedanke ist augenscheinlich von
Kreisen ausgegangen, als deren Mittelpunkt der Minister des Präsidenten für
das Auswärtige, Blaine, ein hitziger und nach Art seiner irischen Stammes-
genossen mit viel Phantasie begabter Kopf, zu betrachten ist, und wird wahr¬
scheinlich noch weniger gelingen als der in England verfolgte, die in Amerika,
Asien, Afrika und Australien gelegnen Kolonien in der Weise untereinander
und mit dem Mutterlande enger zu verbinden, daß sie mehr als seither ein
Reich bilden. Denn steht dem hier die große Verschiedenheit der Interessen
im Wege, so ist dies dort, wo es wesentlich verschiedne Nationalitäten und
festgegründete Staaten zu vereinigen gilt, noch weit mehr der Fall, und es
läßt sich nicht wohl darauf hinweisen, daß in den nordamerikanischen Staaten
ja bereits sehr verschiedne Nationen, Engländer, Jrländer, Deutsche, Franzosen (in
Lonisiann) und Spanier fest mit einander verbunden sind. Jedenfalls hat die
Ausführung des Planes der Partei Vlaines sehr große Hindernisse vor sich,
die nicht bloß für die Gegenwart bestehen. Amerika ist zunächst keine geo¬
graphische Einheit, es zerfällt in zwei Hälften, einen südlichen und einen
nördlichen .Kontinent, die mir durch eine verhältnismäßig schmale Brücke,
Zentralamerika, zusammenhängen, welche sich durchaus nicht zu einem Handels¬
wege eignet, sich auch nicht dazu machen läßt. Sodann sind die ethnographischen
Verhältnisse in der Südhälfte nach ihrer natürlichen Beschaffenheit wesentlich
anders als in der nördlichen. Hier beherrscht das englische Element fast
gänzlich die übrige Bevölkerung, hier sind weite Strecken bereits dicht bewohnt,
andre füllen sich rasch mit Menschen, und die indianischen Urstümme
sterben zusehends ans. Dort dagegen wohnen Spanier, in Brasilien Poren-



*) Die Abgeordnete" sind nach den letzten Nachrichten bereits eingetroffen und von dem
Staatssekretär Blaine feierlich begrüßt worden, werden aber ihre Beratungen erst im No¬
vember beginnen und sich inzwischen auf einer Rundreise das Land Arete Scuns besehen.
Der amerikanische Aongres; und die Monroe-Doktrin

Diesem Zwecke soll nun offenbar auch der Kongreß dienen, den die nord-
amerikanische Regierung ans den 14. d. M. nach Washington bereisen hat.^)
Sein Programm sieht, wie schon bemerkt, auf den ersten Blick ziemlich harmlos
aus. Die Punkte, die es der Beratung unterbreitet, sind vorwiegend wirt¬
schaftlicher Natur: sie bestehen in der Einführung eines gemeinsamen Münz-,
Maß- und Gewichtssystems, einheitlicher Regelung des Patentwesens und des
Markenschutzes, einheitlicher Gesetzgebung in Bezug ans die Sicherheit der
Personen und des Eigentums und Bildung eines alle amerikanischen Staate»
von unabhängiger Stellung umschließenden Zollvereins und Herstellung regel¬
mäßiger und häusiger Dampferfahrten zwischen den Häfen der verschiednen
Länder; ferner Einsetzung eines obersten Schiedsgerichts zur Erledigung be¬
stehender nud etwa in Zukunft sich ergebender Meinungsverschiedenheiten wirt¬
schaftlicher Natur, endlich Vereinbarungen mit der Bestimmung, die gemein¬
schaftliche Abwehr von Einmischungen europäischer Mächte in amerikanische
Fragen und Verhältnisse zu erleichtern. Der Gedanke ist augenscheinlich von
Kreisen ausgegangen, als deren Mittelpunkt der Minister des Präsidenten für
das Auswärtige, Blaine, ein hitziger und nach Art seiner irischen Stammes-
genossen mit viel Phantasie begabter Kopf, zu betrachten ist, und wird wahr¬
scheinlich noch weniger gelingen als der in England verfolgte, die in Amerika,
Asien, Afrika und Australien gelegnen Kolonien in der Weise untereinander
und mit dem Mutterlande enger zu verbinden, daß sie mehr als seither ein
Reich bilden. Denn steht dem hier die große Verschiedenheit der Interessen
im Wege, so ist dies dort, wo es wesentlich verschiedne Nationalitäten und
festgegründete Staaten zu vereinigen gilt, noch weit mehr der Fall, und es
läßt sich nicht wohl darauf hinweisen, daß in den nordamerikanischen Staaten
ja bereits sehr verschiedne Nationen, Engländer, Jrländer, Deutsche, Franzosen (in
Lonisiann) und Spanier fest mit einander verbunden sind. Jedenfalls hat die
Ausführung des Planes der Partei Vlaines sehr große Hindernisse vor sich,
die nicht bloß für die Gegenwart bestehen. Amerika ist zunächst keine geo¬
graphische Einheit, es zerfällt in zwei Hälften, einen südlichen und einen
nördlichen .Kontinent, die mir durch eine verhältnismäßig schmale Brücke,
Zentralamerika, zusammenhängen, welche sich durchaus nicht zu einem Handels¬
wege eignet, sich auch nicht dazu machen läßt. Sodann sind die ethnographischen
Verhältnisse in der Südhälfte nach ihrer natürlichen Beschaffenheit wesentlich
anders als in der nördlichen. Hier beherrscht das englische Element fast
gänzlich die übrige Bevölkerung, hier sind weite Strecken bereits dicht bewohnt,
andre füllen sich rasch mit Menschen, und die indianischen Urstümme
sterben zusehends ans. Dort dagegen wohnen Spanier, in Brasilien Poren-



*) Die Abgeordnete» sind nach den letzten Nachrichten bereits eingetroffen und von dem
Staatssekretär Blaine feierlich begrüßt worden, werden aber ihre Beratungen erst im No¬
vember beginnen und sich inzwischen auf einer Rundreise das Land Arete Scuns besehen.
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[0071] Der amerikanische Aongres; und die Monroe-Doktrin Diesem Zwecke soll nun offenbar auch der Kongreß dienen, den die nord- amerikanische Regierung ans den 14. d. M. nach Washington bereisen hat.^) Sein Programm sieht, wie schon bemerkt, auf den ersten Blick ziemlich harmlos aus. Die Punkte, die es der Beratung unterbreitet, sind vorwiegend wirt¬ schaftlicher Natur: sie bestehen in der Einführung eines gemeinsamen Münz-, Maß- und Gewichtssystems, einheitlicher Regelung des Patentwesens und des Markenschutzes, einheitlicher Gesetzgebung in Bezug ans die Sicherheit der Personen und des Eigentums und Bildung eines alle amerikanischen Staate» von unabhängiger Stellung umschließenden Zollvereins und Herstellung regel¬ mäßiger und häusiger Dampferfahrten zwischen den Häfen der verschiednen Länder; ferner Einsetzung eines obersten Schiedsgerichts zur Erledigung be¬ stehender nud etwa in Zukunft sich ergebender Meinungsverschiedenheiten wirt¬ schaftlicher Natur, endlich Vereinbarungen mit der Bestimmung, die gemein¬ schaftliche Abwehr von Einmischungen europäischer Mächte in amerikanische Fragen und Verhältnisse zu erleichtern. Der Gedanke ist augenscheinlich von Kreisen ausgegangen, als deren Mittelpunkt der Minister des Präsidenten für das Auswärtige, Blaine, ein hitziger und nach Art seiner irischen Stammes- genossen mit viel Phantasie begabter Kopf, zu betrachten ist, und wird wahr¬ scheinlich noch weniger gelingen als der in England verfolgte, die in Amerika, Asien, Afrika und Australien gelegnen Kolonien in der Weise untereinander und mit dem Mutterlande enger zu verbinden, daß sie mehr als seither ein Reich bilden. Denn steht dem hier die große Verschiedenheit der Interessen im Wege, so ist dies dort, wo es wesentlich verschiedne Nationalitäten und festgegründete Staaten zu vereinigen gilt, noch weit mehr der Fall, und es läßt sich nicht wohl darauf hinweisen, daß in den nordamerikanischen Staaten ja bereits sehr verschiedne Nationen, Engländer, Jrländer, Deutsche, Franzosen (in Lonisiann) und Spanier fest mit einander verbunden sind. Jedenfalls hat die Ausführung des Planes der Partei Vlaines sehr große Hindernisse vor sich, die nicht bloß für die Gegenwart bestehen. Amerika ist zunächst keine geo¬ graphische Einheit, es zerfällt in zwei Hälften, einen südlichen und einen nördlichen .Kontinent, die mir durch eine verhältnismäßig schmale Brücke, Zentralamerika, zusammenhängen, welche sich durchaus nicht zu einem Handels¬ wege eignet, sich auch nicht dazu machen läßt. Sodann sind die ethnographischen Verhältnisse in der Südhälfte nach ihrer natürlichen Beschaffenheit wesentlich anders als in der nördlichen. Hier beherrscht das englische Element fast gänzlich die übrige Bevölkerung, hier sind weite Strecken bereits dicht bewohnt, andre füllen sich rasch mit Menschen, und die indianischen Urstümme sterben zusehends ans. Dort dagegen wohnen Spanier, in Brasilien Poren- *) Die Abgeordnete» sind nach den letzten Nachrichten bereits eingetroffen und von dem Staatssekretär Blaine feierlich begrüßt worden, werden aber ihre Beratungen erst im No¬ vember beginnen und sich inzwischen auf einer Rundreise das Land Arete Scuns besehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/71>, abgerufen am 25.07.2024.