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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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giesen, gemischt mit Indianern in großer Zahl, die sich teils noch im llr-
zustande befinden, teils, namentlich in Mexiko, seßhaft geworden sind und so
weit sich dem Kulturleben eingefügt haben, daß sie im Parteitreiben und im
Staatsdienste eine Rolle spielen, wie denn z. B. der Hauptführer bei der Be¬
kämpfung des Kaisers Maximilian, der spätere Präsident Juarez, von indianischen
Blute war. Der Süden ist endlich fast allenthalben nur an deu Küsten einiger¬
maßen dicht bewohnt, und ungeheure Strecken im Innern bestehen aus llr-
wälderu und menschenleeren Grasebnen, die nur an den großen Strömen und
auch hier nur wenig bekannt sind. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der hier
sich ausbreitenden Staateil, Verhältnisse, um die es sich bei dein Vlainescheu
Kongresse in erster Reihe handeln soll, drängen also keineswegs zu einem An¬
schluß an den Norden, der überdies diesen Anschluß selbstverständlich nicht der
schonen Augen wegen, die ihm an den Südamerikanern gefallen haben konnten,
anch nicht aus allgemeiner Menschenfreundlichkeit, sondern aus selbstsüchtigen
Gründen vorgeschlagen hat, die zunächst darin liegen, daß er als größtes und
stärkstes Mitglied der wirtschaftlichen Genossenschaft die Hauptrolle darin zu
spielen und sie nach Möglichkeit seinen Interessen dienstbar zu macheu hofft,
dann aber in der Absicht bestehen, den wirtschaftlichen Bund der transatlan-
tischen Republiken in Zukunft allmählich in einen politischen zu verwandeln
und in der Zwischenzeit ihn den europäischen Mächten und deren Interesse"
gegenüber zu stellen. Anlaß dazu würde sich z. B. in der Durchstechuug
Mittelamerikas und der damit herbeigeführten Annäherung Europas an die
zukunftsreiche Südsee ergeben.

Nicht sowohl in den etwa zu erwartenden Beschlüssen des jetzt der Er¬
öffnung entgegengehenden Kongresses liegt die Bedeutung und die Gefahr des¬
selben für uns, als darin, daß mit ihm der Grundgedanke verfolgt und viel¬
leicht gefördert werden wird, daß den Vereinigten Staaten vou rechtswegen
el>r ausschlaggebender Einfluß auf beide Hälften Amerikas, eine Art Hegemonie
zuvörderst in wirtschaftlichen, dann auch in politischen Fragen gebühre. Die
Südamerikaner haben eben sehr wenig Ursache, diesen Gedanken anzuerkennen
und ihm Opfer um Selbständigkeit zu bringen. Ihre natürlichen Interessen
weisen sie, wie aus einem Blicke ans ihre Handelsstatistiken erhellt, weit mehr
auf die europäische Aus- und Einfuhr als auf die nordamerikanische hin, und
uach dem. Segen, den ihnen die Union in politischer Hinsicht verheißen könnte,
werden sie schwerlich viel mehr Verlangen tragen als wir. Man hat in dem
Verhalten der Washingtoner Regierung zu dem Panamakanal und zu dem
Niearaguaprvjekt, desgleichen in der Aufdringlichkeit, mit der Hnrlbnt, der
Vertreter dieser Negierung, in dem Streite zwischen Peru und Chile den
Vermittler zu spielen versuchte, eine" genügenden Vorgeschmack von diesem Segen
gehabt. Wir täuschen uns hierin nicht. In der That habe,? mehrere südliche
Republiken ihrer Abneigung, der Einladung uach Washington zu folgen,


giesen, gemischt mit Indianern in großer Zahl, die sich teils noch im llr-
zustande befinden, teils, namentlich in Mexiko, seßhaft geworden sind und so
weit sich dem Kulturleben eingefügt haben, daß sie im Parteitreiben und im
Staatsdienste eine Rolle spielen, wie denn z. B. der Hauptführer bei der Be¬
kämpfung des Kaisers Maximilian, der spätere Präsident Juarez, von indianischen
Blute war. Der Süden ist endlich fast allenthalben nur an deu Küsten einiger¬
maßen dicht bewohnt, und ungeheure Strecken im Innern bestehen aus llr-
wälderu und menschenleeren Grasebnen, die nur an den großen Strömen und
auch hier nur wenig bekannt sind. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der hier
sich ausbreitenden Staateil, Verhältnisse, um die es sich bei dein Vlainescheu
Kongresse in erster Reihe handeln soll, drängen also keineswegs zu einem An¬
schluß an den Norden, der überdies diesen Anschluß selbstverständlich nicht der
schonen Augen wegen, die ihm an den Südamerikanern gefallen haben konnten,
anch nicht aus allgemeiner Menschenfreundlichkeit, sondern aus selbstsüchtigen
Gründen vorgeschlagen hat, die zunächst darin liegen, daß er als größtes und
stärkstes Mitglied der wirtschaftlichen Genossenschaft die Hauptrolle darin zu
spielen und sie nach Möglichkeit seinen Interessen dienstbar zu macheu hofft,
dann aber in der Absicht bestehen, den wirtschaftlichen Bund der transatlan-
tischen Republiken in Zukunft allmählich in einen politischen zu verwandeln
und in der Zwischenzeit ihn den europäischen Mächten und deren Interesse»
gegenüber zu stellen. Anlaß dazu würde sich z. B. in der Durchstechuug
Mittelamerikas und der damit herbeigeführten Annäherung Europas an die
zukunftsreiche Südsee ergeben.

Nicht sowohl in den etwa zu erwartenden Beschlüssen des jetzt der Er¬
öffnung entgegengehenden Kongresses liegt die Bedeutung und die Gefahr des¬
selben für uns, als darin, daß mit ihm der Grundgedanke verfolgt und viel¬
leicht gefördert werden wird, daß den Vereinigten Staaten vou rechtswegen
el>r ausschlaggebender Einfluß auf beide Hälften Amerikas, eine Art Hegemonie
zuvörderst in wirtschaftlichen, dann auch in politischen Fragen gebühre. Die
Südamerikaner haben eben sehr wenig Ursache, diesen Gedanken anzuerkennen
und ihm Opfer um Selbständigkeit zu bringen. Ihre natürlichen Interessen
weisen sie, wie aus einem Blicke ans ihre Handelsstatistiken erhellt, weit mehr
auf die europäische Aus- und Einfuhr als auf die nordamerikanische hin, und
uach dem. Segen, den ihnen die Union in politischer Hinsicht verheißen könnte,
werden sie schwerlich viel mehr Verlangen tragen als wir. Man hat in dem
Verhalten der Washingtoner Regierung zu dem Panamakanal und zu dem
Niearaguaprvjekt, desgleichen in der Aufdringlichkeit, mit der Hnrlbnt, der
Vertreter dieser Negierung, in dem Streite zwischen Peru und Chile den
Vermittler zu spielen versuchte, eine» genügenden Vorgeschmack von diesem Segen
gehabt. Wir täuschen uns hierin nicht. In der That habe,? mehrere südliche
Republiken ihrer Abneigung, der Einladung uach Washington zu folgen,


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[0072] giesen, gemischt mit Indianern in großer Zahl, die sich teils noch im llr- zustande befinden, teils, namentlich in Mexiko, seßhaft geworden sind und so weit sich dem Kulturleben eingefügt haben, daß sie im Parteitreiben und im Staatsdienste eine Rolle spielen, wie denn z. B. der Hauptführer bei der Be¬ kämpfung des Kaisers Maximilian, der spätere Präsident Juarez, von indianischen Blute war. Der Süden ist endlich fast allenthalben nur an deu Küsten einiger¬ maßen dicht bewohnt, und ungeheure Strecken im Innern bestehen aus llr- wälderu und menschenleeren Grasebnen, die nur an den großen Strömen und auch hier nur wenig bekannt sind. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der hier sich ausbreitenden Staateil, Verhältnisse, um die es sich bei dein Vlainescheu Kongresse in erster Reihe handeln soll, drängen also keineswegs zu einem An¬ schluß an den Norden, der überdies diesen Anschluß selbstverständlich nicht der schonen Augen wegen, die ihm an den Südamerikanern gefallen haben konnten, anch nicht aus allgemeiner Menschenfreundlichkeit, sondern aus selbstsüchtigen Gründen vorgeschlagen hat, die zunächst darin liegen, daß er als größtes und stärkstes Mitglied der wirtschaftlichen Genossenschaft die Hauptrolle darin zu spielen und sie nach Möglichkeit seinen Interessen dienstbar zu macheu hofft, dann aber in der Absicht bestehen, den wirtschaftlichen Bund der transatlan- tischen Republiken in Zukunft allmählich in einen politischen zu verwandeln und in der Zwischenzeit ihn den europäischen Mächten und deren Interesse» gegenüber zu stellen. Anlaß dazu würde sich z. B. in der Durchstechuug Mittelamerikas und der damit herbeigeführten Annäherung Europas an die zukunftsreiche Südsee ergeben. Nicht sowohl in den etwa zu erwartenden Beschlüssen des jetzt der Er¬ öffnung entgegengehenden Kongresses liegt die Bedeutung und die Gefahr des¬ selben für uns, als darin, daß mit ihm der Grundgedanke verfolgt und viel¬ leicht gefördert werden wird, daß den Vereinigten Staaten vou rechtswegen el>r ausschlaggebender Einfluß auf beide Hälften Amerikas, eine Art Hegemonie zuvörderst in wirtschaftlichen, dann auch in politischen Fragen gebühre. Die Südamerikaner haben eben sehr wenig Ursache, diesen Gedanken anzuerkennen und ihm Opfer um Selbständigkeit zu bringen. Ihre natürlichen Interessen weisen sie, wie aus einem Blicke ans ihre Handelsstatistiken erhellt, weit mehr auf die europäische Aus- und Einfuhr als auf die nordamerikanische hin, und uach dem. Segen, den ihnen die Union in politischer Hinsicht verheißen könnte, werden sie schwerlich viel mehr Verlangen tragen als wir. Man hat in dem Verhalten der Washingtoner Regierung zu dem Panamakanal und zu dem Niearaguaprvjekt, desgleichen in der Aufdringlichkeit, mit der Hnrlbnt, der Vertreter dieser Negierung, in dem Streite zwischen Peru und Chile den Vermittler zu spielen versuchte, eine» genügenden Vorgeschmack von diesem Segen gehabt. Wir täuschen uns hierin nicht. In der That habe,? mehrere südliche Republiken ihrer Abneigung, der Einladung uach Washington zu folgen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/72>, abgerufen am 22.07.2024.