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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Der amerikanische Aongreß und die Monroe-Doktrin

Ungerechtigkeiten gegen uns von keiner dulden. Dagegen liegen die Notstände hin¬
sichtlich der Länder unsers Weltteils wesentlich und augenfällig anders. Es ist
unmöglich, daß die Verbündeten Mächte ihr politisches System auf irgend einen
Teil des einen oder des andern Kontinents jdes südlichen oder des nördlichen von
Amerikas ausdehnen, ohne unsern Frieden und unsre Wohlfahrt zu gefährden, auch
kann niemand glauben, daß unsre südlichen Brüder, sich selbst überlassen, es von
selbst annehmen würden. Es ist also gleich unmöglich, daß wir solche Einmischung
in irgeud welcher Gestalt gleichgiltig mit ansehen würden. Betrachten und ver¬
gleichen wir die Stärke und die Hilfsquelle" Spaniens und jener neuen Regierungen
und die Eutferuug derselben von einander, so liegt es auf der Hand, daß es sie
niemals unterwerfen kann. Doch bleibt es die wahre Politik der Vereinigte"
Staaten, die Parteien sich selbst zu überlassen, jedoch in der Hoffnung, daß andre
Mochte denselben Weg verfolgen.

Das ist die viel erwähnte Monroe-Doktrin in ihren Anfängen. Sie er¬
klärt die Gemeinsamkeit der Interessen der republikanischen Staaten Amerikas
gegenüber den europäischen Monarchie", dein System der heiligen Allianz, sie
verlangt, daß letztere die neuen Regierungen im Süden der westlichen Kontinente
sich selbst überlasse, wie die Negierung der Vereinigten Staaten sich jeder Ein¬
mischung in die innere Politik Europas enthalten habe und ferner zu enthalte"
gedenke, und sie droht, gegenüber jener Einmischung Europas oder vielmehr der
europäischen Mächte außer Spanien in die Verhältnisse der neuspanischen Re¬
publiken nicht gleichgiltig bleiben zu wollen.

Dabei ist man nun in Washington geblieben und auch nicht geblieben.
Die Negierung der Vereinigten Staaten hat es stets vermiede", sich in die
innern Fragen europäischer Länder zu mischen, was ihr freilich, auf gewalt¬
samen Wege versucht, nicht gelungen sein würde, es müßte de"" in Irland
unternommen worden sein. Sie hat sich auch diplomatischer Schritte in dieser
Richtung enthalten, obwohl ihr solche einmal von einer Bewegung in der
öffentlichen Meinung zugemutet wurden. Wir meinen die Zeit nach der Ein¬
mischung der Russen in die ungarischen Wirren und der Niederwerfung des
revolutionären Magyareustaates, wo Kossuth seine Rundreise durch die Union
unternahm (1851) und den Uankees unter dem Beifall eines guten Teils ihrer
Presse und vieler strebsamen Parteiführer über das Thema Intorvsntion lor
Non-inlörvLntion predigte, womit er selbstverständlich in den Kreise" der Ne¬
gierung kein Echo erweckte. Wohl aber hatte sich das Selbstgefühl der Nation
seit Monrves Zeit gehoben, und mit ihm hatte sich eine starke Begehrlichkeit
nach Einfluß auf die amerikanische" Nachbar" und selbst nach deren Landbesitz
entwickelt, die besonders im Süden, in den Staaten der Sklavenhalter, viele
Gemüter ergriffen hatte, da man hier das Gebiet zu erweitern wünschte, wo
Baumwollenban unfreie Arbeit zu erfordern schien und zu lohnen versprach,
weil sich dann neue Staaten der Union angliedern ließet", deren Senatoren
und Volksvertreter das Gewicht der sklavenhalteuden und freihändlerisch ge¬
sinnten alten vermehrt Hütten. Monroes Gedanke war ans der Defensive in


Der amerikanische Aongreß und die Monroe-Doktrin

Ungerechtigkeiten gegen uns von keiner dulden. Dagegen liegen die Notstände hin¬
sichtlich der Länder unsers Weltteils wesentlich und augenfällig anders. Es ist
unmöglich, daß die Verbündeten Mächte ihr politisches System auf irgend einen
Teil des einen oder des andern Kontinents jdes südlichen oder des nördlichen von
Amerikas ausdehnen, ohne unsern Frieden und unsre Wohlfahrt zu gefährden, auch
kann niemand glauben, daß unsre südlichen Brüder, sich selbst überlassen, es von
selbst annehmen würden. Es ist also gleich unmöglich, daß wir solche Einmischung
in irgeud welcher Gestalt gleichgiltig mit ansehen würden. Betrachten und ver¬
gleichen wir die Stärke und die Hilfsquelle» Spaniens und jener neuen Regierungen
und die Eutferuug derselben von einander, so liegt es auf der Hand, daß es sie
niemals unterwerfen kann. Doch bleibt es die wahre Politik der Vereinigte»
Staaten, die Parteien sich selbst zu überlassen, jedoch in der Hoffnung, daß andre
Mochte denselben Weg verfolgen.

Das ist die viel erwähnte Monroe-Doktrin in ihren Anfängen. Sie er¬
klärt die Gemeinsamkeit der Interessen der republikanischen Staaten Amerikas
gegenüber den europäischen Monarchie», dein System der heiligen Allianz, sie
verlangt, daß letztere die neuen Regierungen im Süden der westlichen Kontinente
sich selbst überlasse, wie die Negierung der Vereinigten Staaten sich jeder Ein¬
mischung in die innere Politik Europas enthalten habe und ferner zu enthalte»
gedenke, und sie droht, gegenüber jener Einmischung Europas oder vielmehr der
europäischen Mächte außer Spanien in die Verhältnisse der neuspanischen Re¬
publiken nicht gleichgiltig bleiben zu wollen.

Dabei ist man nun in Washington geblieben und auch nicht geblieben.
Die Negierung der Vereinigten Staaten hat es stets vermiede», sich in die
innern Fragen europäischer Länder zu mischen, was ihr freilich, auf gewalt¬
samen Wege versucht, nicht gelungen sein würde, es müßte de»» in Irland
unternommen worden sein. Sie hat sich auch diplomatischer Schritte in dieser
Richtung enthalten, obwohl ihr solche einmal von einer Bewegung in der
öffentlichen Meinung zugemutet wurden. Wir meinen die Zeit nach der Ein¬
mischung der Russen in die ungarischen Wirren und der Niederwerfung des
revolutionären Magyareustaates, wo Kossuth seine Rundreise durch die Union
unternahm (1851) und den Uankees unter dem Beifall eines guten Teils ihrer
Presse und vieler strebsamen Parteiführer über das Thema Intorvsntion lor
Non-inlörvLntion predigte, womit er selbstverständlich in den Kreise» der Ne¬
gierung kein Echo erweckte. Wohl aber hatte sich das Selbstgefühl der Nation
seit Monrves Zeit gehoben, und mit ihm hatte sich eine starke Begehrlichkeit
nach Einfluß auf die amerikanische» Nachbar» und selbst nach deren Landbesitz
entwickelt, die besonders im Süden, in den Staaten der Sklavenhalter, viele
Gemüter ergriffen hatte, da man hier das Gebiet zu erweitern wünschte, wo
Baumwollenban unfreie Arbeit zu erfordern schien und zu lohnen versprach,
weil sich dann neue Staaten der Union angliedern ließet«, deren Senatoren
und Volksvertreter das Gewicht der sklavenhalteuden und freihändlerisch ge¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/68>, abgerufen am 02.07.2024.