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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Baron Frederik

für dieses Leben sind wirkliche Grenzen gezogen, die man respektiren soll und
muß. Was würden die Leute denken und was würden sie sagen? Was
würde er Wohl sagen? Und der Baron zeigte auf eines der Familienporträts.

Ich ließ mich auf keine Beantwortung dieser etwas heikeln Frage ein,
sondern beschränkte mich darauf, die Achseln zu zucken.

Er würde sich im Grabe umwenden, das würde er, er würde mich als
Verlornen Sohn betrachten, als ein Kind der Finsternis! Nein, es ist, Gott
Straf mich, eine vollständige Unmöglichkeit -- jnso, entschuldigen Sie, daß ich
fluche, wenn ich in Affekt gerate, das habe ich von meinem seligen Vater, der
bei der Garde zu Pferde stand. Aber leid thut mir die kleine Marie, es thut
mir wirklich um ihretwegen außerordentlich leid!

Die "kleine Marie" sah aber gar nicht darnach aus, als hätte sie sein
Mitleiden nötig, denn als ich den Gasthof verließ, stand sie augenscheinlich
ganz heiter draußen im Hofe und plauderte mit einem jungen Knecht, und als
ich vorüberging, nickte sie mir ganz vergnügt zu.

Es verging eine Woche, ehe ich den Baron wieder im Walde traf. Ich
war nach Wasserschnepfen draußen im Moor, und er begann seine zweite Tour.
Ich fragte nach seinem Befinden.

Ach, das ist nnn so so, lieber Freund, sagte er. Wenn man in meinem
Alter sich zu etwas entschließt, so thut man das nicht ohne gründliches Nach¬
denken. Ich kann Ihnen sagen, ich habe mich im letzten Halbjahr manche
Nacht auf meinem einsamen Lager herumgeworfen und hiu und her gedacht.
Ja, was sind Prinzipien, ich frage Sie, was sind Prinzipien! Sie wissen es
nicht, und ich weiß es ebensowenig. Ich kann mir es noch so oft sagen, daß
es eine horrible Dummheit sei, ich kann mich wie der ärgste Sünder vor Gott
fühlen, wenn ich mich an meinen Vorfahren vorüber schleiche, die von der
Wand auf mich heruieder schielen, aber es hilft alles nichts, wir haben alle
unsre Leidenschaften! Und nun -- ja Sie werden mich auslachen--, nun habe
ich meine Bestimmung getroffen, aber das bleibt vorläufig unter uns: morgen
ist Sonntag, wenn ich mein Frühstück genommen habe, rufe ich die kleine
Marie zu mir herauf und teile ihr mit, was ich beschlossen habe, und daß ich
sie zu meiner Frau zu machen gedenke. Was sagen Sie dazu?

Ich wünschte ihm natürlich Glück zu seinem Entschluß und sprach die
Hoffnung aus, daß die Zukunft hell und heiter vor ihm liegen möge.

Das wird sie, lieber Freund, das wird sie! sagte er, die kleine Marie ist
ein gutes Mädchen, ein vernünftiges Mädchen, das ihr Glück zu schätzen
wissen wird.

Hiermit endigte die Unterredung, denn ich mußte Abschied nehmen, um
rasch heimzukommen.

Und auch Sie, Herr Baron, müssen eilen, wenn Sie zur rechten Zeit
kommen wollen, wenn der Zug die Chaussee kreuzt, sagte ich.


Baron Frederik

für dieses Leben sind wirkliche Grenzen gezogen, die man respektiren soll und
muß. Was würden die Leute denken und was würden sie sagen? Was
würde er Wohl sagen? Und der Baron zeigte auf eines der Familienporträts.

Ich ließ mich auf keine Beantwortung dieser etwas heikeln Frage ein,
sondern beschränkte mich darauf, die Achseln zu zucken.

Er würde sich im Grabe umwenden, das würde er, er würde mich als
Verlornen Sohn betrachten, als ein Kind der Finsternis! Nein, es ist, Gott
Straf mich, eine vollständige Unmöglichkeit — jnso, entschuldigen Sie, daß ich
fluche, wenn ich in Affekt gerate, das habe ich von meinem seligen Vater, der
bei der Garde zu Pferde stand. Aber leid thut mir die kleine Marie, es thut
mir wirklich um ihretwegen außerordentlich leid!

Die „kleine Marie" sah aber gar nicht darnach aus, als hätte sie sein
Mitleiden nötig, denn als ich den Gasthof verließ, stand sie augenscheinlich
ganz heiter draußen im Hofe und plauderte mit einem jungen Knecht, und als
ich vorüberging, nickte sie mir ganz vergnügt zu.

Es verging eine Woche, ehe ich den Baron wieder im Walde traf. Ich
war nach Wasserschnepfen draußen im Moor, und er begann seine zweite Tour.
Ich fragte nach seinem Befinden.

Ach, das ist nnn so so, lieber Freund, sagte er. Wenn man in meinem
Alter sich zu etwas entschließt, so thut man das nicht ohne gründliches Nach¬
denken. Ich kann Ihnen sagen, ich habe mich im letzten Halbjahr manche
Nacht auf meinem einsamen Lager herumgeworfen und hiu und her gedacht.
Ja, was sind Prinzipien, ich frage Sie, was sind Prinzipien! Sie wissen es
nicht, und ich weiß es ebensowenig. Ich kann mir es noch so oft sagen, daß
es eine horrible Dummheit sei, ich kann mich wie der ärgste Sünder vor Gott
fühlen, wenn ich mich an meinen Vorfahren vorüber schleiche, die von der
Wand auf mich heruieder schielen, aber es hilft alles nichts, wir haben alle
unsre Leidenschaften! Und nun — ja Sie werden mich auslachen—, nun habe
ich meine Bestimmung getroffen, aber das bleibt vorläufig unter uns: morgen
ist Sonntag, wenn ich mein Frühstück genommen habe, rufe ich die kleine
Marie zu mir herauf und teile ihr mit, was ich beschlossen habe, und daß ich
sie zu meiner Frau zu machen gedenke. Was sagen Sie dazu?

Ich wünschte ihm natürlich Glück zu seinem Entschluß und sprach die
Hoffnung aus, daß die Zukunft hell und heiter vor ihm liegen möge.

Das wird sie, lieber Freund, das wird sie! sagte er, die kleine Marie ist
ein gutes Mädchen, ein vernünftiges Mädchen, das ihr Glück zu schätzen
wissen wird.

Hiermit endigte die Unterredung, denn ich mußte Abschied nehmen, um
rasch heimzukommen.

Und auch Sie, Herr Baron, müssen eilen, wenn Sie zur rechten Zeit
kommen wollen, wenn der Zug die Chaussee kreuzt, sagte ich.


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[0626] Baron Frederik für dieses Leben sind wirkliche Grenzen gezogen, die man respektiren soll und muß. Was würden die Leute denken und was würden sie sagen? Was würde er Wohl sagen? Und der Baron zeigte auf eines der Familienporträts. Ich ließ mich auf keine Beantwortung dieser etwas heikeln Frage ein, sondern beschränkte mich darauf, die Achseln zu zucken. Er würde sich im Grabe umwenden, das würde er, er würde mich als Verlornen Sohn betrachten, als ein Kind der Finsternis! Nein, es ist, Gott Straf mich, eine vollständige Unmöglichkeit — jnso, entschuldigen Sie, daß ich fluche, wenn ich in Affekt gerate, das habe ich von meinem seligen Vater, der bei der Garde zu Pferde stand. Aber leid thut mir die kleine Marie, es thut mir wirklich um ihretwegen außerordentlich leid! Die „kleine Marie" sah aber gar nicht darnach aus, als hätte sie sein Mitleiden nötig, denn als ich den Gasthof verließ, stand sie augenscheinlich ganz heiter draußen im Hofe und plauderte mit einem jungen Knecht, und als ich vorüberging, nickte sie mir ganz vergnügt zu. Es verging eine Woche, ehe ich den Baron wieder im Walde traf. Ich war nach Wasserschnepfen draußen im Moor, und er begann seine zweite Tour. Ich fragte nach seinem Befinden. Ach, das ist nnn so so, lieber Freund, sagte er. Wenn man in meinem Alter sich zu etwas entschließt, so thut man das nicht ohne gründliches Nach¬ denken. Ich kann Ihnen sagen, ich habe mich im letzten Halbjahr manche Nacht auf meinem einsamen Lager herumgeworfen und hiu und her gedacht. Ja, was sind Prinzipien, ich frage Sie, was sind Prinzipien! Sie wissen es nicht, und ich weiß es ebensowenig. Ich kann mir es noch so oft sagen, daß es eine horrible Dummheit sei, ich kann mich wie der ärgste Sünder vor Gott fühlen, wenn ich mich an meinen Vorfahren vorüber schleiche, die von der Wand auf mich heruieder schielen, aber es hilft alles nichts, wir haben alle unsre Leidenschaften! Und nun — ja Sie werden mich auslachen—, nun habe ich meine Bestimmung getroffen, aber das bleibt vorläufig unter uns: morgen ist Sonntag, wenn ich mein Frühstück genommen habe, rufe ich die kleine Marie zu mir herauf und teile ihr mit, was ich beschlossen habe, und daß ich sie zu meiner Frau zu machen gedenke. Was sagen Sie dazu? Ich wünschte ihm natürlich Glück zu seinem Entschluß und sprach die Hoffnung aus, daß die Zukunft hell und heiter vor ihm liegen möge. Das wird sie, lieber Freund, das wird sie! sagte er, die kleine Marie ist ein gutes Mädchen, ein vernünftiges Mädchen, das ihr Glück zu schätzen wissen wird. Hiermit endigte die Unterredung, denn ich mußte Abschied nehmen, um rasch heimzukommen. Und auch Sie, Herr Baron, müssen eilen, wenn Sie zur rechten Zeit kommen wollen, wenn der Zug die Chaussee kreuzt, sagte ich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/626>, abgerufen am 22.12.2024.