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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Baron Frederik

Ich ließ dem Frühstück alle Gerechtigkeit widerfahren und plauderte da¬
zwischen mit dem Baron, der der aufmerksamste Wirt war. Als wir gegessen
hatten, wurde sofort weggeräumt, und er bot mir eine Zigarre an.

Erlauben Sie, daß ich eine Pfeife rauche? Schon, es genirt Sie nicht?
Ich muß Ihnen sagen, eine gute Pfeife geht mir über alles, ich versichere
Ihnen, ich kann mich schon des Abends ordentlich auf meine Morgenpfeife freuen,
und diese -- er zeigte ans einen großen, silberbeschlagenen Meerschaumkopf, deu
er in der Hand hatte -- schmeckt nur besonders gut. Ich habe sie von meiner
Nichte erhalten, die mit dem Kammerjunker Father verheiratet ist, sie war so
scharmant, sie mir selbst in Wien zu kaufen.

Mein Auge siel auf ein aufgeschlagenes Buch. Darf ich sehen, was der
Herr Baron liest? fragte ich.

Oh. es sind Madame de Sovignvs Briefe. Höchst interessant! Etwas
flott, etwas frivol, aber schließlich muß sie doch ein teufelsmäßig instruirtes
Frauenzimmer gewesen sein. Wie beliebt?

Ich ehrte Madame de Svvignvs Andenken durch unverhohlene Anerkennung
und fragte, ob er vorzugsweise französisch lese?

Ja, so gut wie ausschließlich. Sie werden das horribel finden, aber ich
lese selten dänische Bücher. Die jünger" goutire ich nicht, die sind nur ent¬
weder zu subtil oder zu platt, und man liest doch wirklich nicht allein des
Vergnügens wegen, sondern auch um seinen Geist zu bilden, um sich in einer
Sprache zu vervollkommnen, und es giebt, das müssen Sie gestehen, keine
elegantere Sprache als die französische. Ich versichere Ihnen, obgleich ich
beinahe meine kleine Bibliothek auswendig weiß, so ist es mir doch immer
wieder ein Genuß, darin zu lesen. Und das sind prächtige Ausgaben, die ich
besitze, es sind scharmante Kupferstiche drin. Hier, sehen Sie.

Er holte einige Bünde hervor, und wir betrachtete" gemeinschaftlich ver-
schiedne jener tüchtig gezeichiiete", in der Regel freilich etwas bedenklichen
Szenen, in denen die Cochlus und Mvrenus im vorigen Jahrhundert als
Meister galten.

Ich liebe diese Bilder sehr, sagte der Baron, zierlich und pikant! Ich
verbringe manche Stunde damit, sie zu kopiren. Hier können Sie die Resultate
sehen, freilich es ist nur Dilettantenarbeit, aber vielleicht macht es Ihnen Ver¬
gnügen, sie durchzublättern.

Er zeigte mir eine Reihe Blätter, auf denen er mit unglaublicher Geduld
jeden Strich des betreffenden Kupferstiches mit Feder und Tusche wiedergegeben
hatte. Ich konnte nicht umhin, ihm meine aufrichtige Bewunderung über einen
solchen Fleiß auszusprechen, und das freute ihn offenbar. Als er seine Zeich¬
nungen wieder in die Schatulle legen wollte, fiel ein rotes Etui von der Art,
wie man sie in Juwelierlüden bekommt, ans deu Boden; ich beeilte mich, es
mifzuheben.


Baron Frederik

Ich ließ dem Frühstück alle Gerechtigkeit widerfahren und plauderte da¬
zwischen mit dem Baron, der der aufmerksamste Wirt war. Als wir gegessen
hatten, wurde sofort weggeräumt, und er bot mir eine Zigarre an.

Erlauben Sie, daß ich eine Pfeife rauche? Schon, es genirt Sie nicht?
Ich muß Ihnen sagen, eine gute Pfeife geht mir über alles, ich versichere
Ihnen, ich kann mich schon des Abends ordentlich auf meine Morgenpfeife freuen,
und diese — er zeigte ans einen großen, silberbeschlagenen Meerschaumkopf, deu
er in der Hand hatte — schmeckt nur besonders gut. Ich habe sie von meiner
Nichte erhalten, die mit dem Kammerjunker Father verheiratet ist, sie war so
scharmant, sie mir selbst in Wien zu kaufen.

Mein Auge siel auf ein aufgeschlagenes Buch. Darf ich sehen, was der
Herr Baron liest? fragte ich.

Oh. es sind Madame de Sovignvs Briefe. Höchst interessant! Etwas
flott, etwas frivol, aber schließlich muß sie doch ein teufelsmäßig instruirtes
Frauenzimmer gewesen sein. Wie beliebt?

Ich ehrte Madame de Svvignvs Andenken durch unverhohlene Anerkennung
und fragte, ob er vorzugsweise französisch lese?

Ja, so gut wie ausschließlich. Sie werden das horribel finden, aber ich
lese selten dänische Bücher. Die jünger» goutire ich nicht, die sind nur ent¬
weder zu subtil oder zu platt, und man liest doch wirklich nicht allein des
Vergnügens wegen, sondern auch um seinen Geist zu bilden, um sich in einer
Sprache zu vervollkommnen, und es giebt, das müssen Sie gestehen, keine
elegantere Sprache als die französische. Ich versichere Ihnen, obgleich ich
beinahe meine kleine Bibliothek auswendig weiß, so ist es mir doch immer
wieder ein Genuß, darin zu lesen. Und das sind prächtige Ausgaben, die ich
besitze, es sind scharmante Kupferstiche drin. Hier, sehen Sie.

Er holte einige Bünde hervor, und wir betrachtete» gemeinschaftlich ver-
schiedne jener tüchtig gezeichiiete», in der Regel freilich etwas bedenklichen
Szenen, in denen die Cochlus und Mvrenus im vorigen Jahrhundert als
Meister galten.

Ich liebe diese Bilder sehr, sagte der Baron, zierlich und pikant! Ich
verbringe manche Stunde damit, sie zu kopiren. Hier können Sie die Resultate
sehen, freilich es ist nur Dilettantenarbeit, aber vielleicht macht es Ihnen Ver¬
gnügen, sie durchzublättern.

Er zeigte mir eine Reihe Blätter, auf denen er mit unglaublicher Geduld
jeden Strich des betreffenden Kupferstiches mit Feder und Tusche wiedergegeben
hatte. Ich konnte nicht umhin, ihm meine aufrichtige Bewunderung über einen
solchen Fleiß auszusprechen, und das freute ihn offenbar. Als er seine Zeich¬
nungen wieder in die Schatulle legen wollte, fiel ein rotes Etui von der Art,
wie man sie in Juwelierlüden bekommt, ans deu Boden; ich beeilte mich, es
mifzuheben.


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[0624] Baron Frederik Ich ließ dem Frühstück alle Gerechtigkeit widerfahren und plauderte da¬ zwischen mit dem Baron, der der aufmerksamste Wirt war. Als wir gegessen hatten, wurde sofort weggeräumt, und er bot mir eine Zigarre an. Erlauben Sie, daß ich eine Pfeife rauche? Schon, es genirt Sie nicht? Ich muß Ihnen sagen, eine gute Pfeife geht mir über alles, ich versichere Ihnen, ich kann mich schon des Abends ordentlich auf meine Morgenpfeife freuen, und diese — er zeigte ans einen großen, silberbeschlagenen Meerschaumkopf, deu er in der Hand hatte — schmeckt nur besonders gut. Ich habe sie von meiner Nichte erhalten, die mit dem Kammerjunker Father verheiratet ist, sie war so scharmant, sie mir selbst in Wien zu kaufen. Mein Auge siel auf ein aufgeschlagenes Buch. Darf ich sehen, was der Herr Baron liest? fragte ich. Oh. es sind Madame de Sovignvs Briefe. Höchst interessant! Etwas flott, etwas frivol, aber schließlich muß sie doch ein teufelsmäßig instruirtes Frauenzimmer gewesen sein. Wie beliebt? Ich ehrte Madame de Svvignvs Andenken durch unverhohlene Anerkennung und fragte, ob er vorzugsweise französisch lese? Ja, so gut wie ausschließlich. Sie werden das horribel finden, aber ich lese selten dänische Bücher. Die jünger» goutire ich nicht, die sind nur ent¬ weder zu subtil oder zu platt, und man liest doch wirklich nicht allein des Vergnügens wegen, sondern auch um seinen Geist zu bilden, um sich in einer Sprache zu vervollkommnen, und es giebt, das müssen Sie gestehen, keine elegantere Sprache als die französische. Ich versichere Ihnen, obgleich ich beinahe meine kleine Bibliothek auswendig weiß, so ist es mir doch immer wieder ein Genuß, darin zu lesen. Und das sind prächtige Ausgaben, die ich besitze, es sind scharmante Kupferstiche drin. Hier, sehen Sie. Er holte einige Bünde hervor, und wir betrachtete» gemeinschaftlich ver- schiedne jener tüchtig gezeichiiete», in der Regel freilich etwas bedenklichen Szenen, in denen die Cochlus und Mvrenus im vorigen Jahrhundert als Meister galten. Ich liebe diese Bilder sehr, sagte der Baron, zierlich und pikant! Ich verbringe manche Stunde damit, sie zu kopiren. Hier können Sie die Resultate sehen, freilich es ist nur Dilettantenarbeit, aber vielleicht macht es Ihnen Ver¬ gnügen, sie durchzublättern. Er zeigte mir eine Reihe Blätter, auf denen er mit unglaublicher Geduld jeden Strich des betreffenden Kupferstiches mit Feder und Tusche wiedergegeben hatte. Ich konnte nicht umhin, ihm meine aufrichtige Bewunderung über einen solchen Fleiß auszusprechen, und das freute ihn offenbar. Als er seine Zeich¬ nungen wieder in die Schatulle legen wollte, fiel ein rotes Etui von der Art, wie man sie in Juwelierlüden bekommt, ans deu Boden; ich beeilte mich, es mifzuheben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/624>, abgerufen am 30.06.2024.