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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Baron Frederik

nehmend höflich, Wie ein vollendeter Kavalier der alten Schule, blieb stehen
und sprach schnell, gleichsam über seine eignen Worte hüpfend und mit jenem
eigentümlich schwachen, aber doch deutlich erkennbaren dentschen Accent, der
sich dnrch viele Geschlechter erhalten kann: Freue mich sehr, Ihre geehrte Be¬
kanntschaft zu machen, freue mich außerordentlich!

Ich verbeugte mich, und er fuhr fort: Ah, Sie find Jäger! Eine
noble Passion, eine außerordentlich noble Passion! Sie sind vermutlich zu
Besuch auf Oberhof?

Ich bejahte dies.

scharmanter Wirt, dieser Carlsen auf Oberhof, außerordentlich scharmanter
Wirt! Habe manche angenehme Stunde bei ihm zugebracht. Erlauben Sie,
daß ich mich selbst vorstelle: ich bin Baron Frederik Rauch. Darf ich fragen,
mit wem ich die Ehre habe?

Als ich meinen Namen nannte, rief er ans: Das ist wirklich eine ange¬
nehme Begegnung! Es würde mir ein besondres Vergnügen sein, wenn Sie,
falls Ihr Weg Sie vorüberführte, einmal bei mir vorsprechen wollten. Ich
wohne hier im Gasthof, dort hinter dein kleinen Gehölz auf der andern Seite
des Weges. Es würde mich ausnehmend freuen, Sie zu sehen! In Wahrheit
eine angenehme Begegnung! Aber ich halte Sie auf, es ist schon spät -- er
sah nach der Uhr --, ich muß mich beeilen, um die Mittagszeit nicht zu ver¬
säumen. Meinen Gruß auf Oberhof! Empfehle mich!

Ehe ich recht wußte, wie mir geschah, hatten wir einander die Hand wie
gute Bekannte gedrückt, er ging ans dem Walde hinaus, und ich zurück nach
dem Gute.

Dort erzählte ich natürlich von meiner Bekanntschaft mit dem Baron
und fragte, wer es eigentlich sei, der hier im Walde herumspaziere und im
Gasthof wohne.

Baron Frederik, sagte mein Wirt, kennen Sie den nicht? Er lebt doch
schon ein paar Jahre hier in der Gegend, es muß ein reiner Zufall sein, daß
Sie ihn noch uicht bei uns getroffen haben. Armer Karl -- er hat gerade
nicht allzu viel zum Leben. Es geschieht auch aus ökonomischen Gründen, daß
er seine Residenz hier im Gasthof aufgeschlagen hat. Er hat von Kindheit an
bei einem Onkel, der uns dein Stammgnte saß, Unterkunft gefunden, und dort
betrachtete man ihn wie ein Stück beweglichen Hansinventars. Dann starb der
Onkel; ein entfernter Verwandter bekam das Gut, und bei ihm befand sich
Bnron Frederik wahrscheinlich nicht sonderlich wohl, denn eines schonen Tages
ließ er sich hier nieder. Honett und gutmütig ist er, alle Menschen haben
ihn gern, aber eine wunderbare Schraube ist und bleibt er. Im übrigen sollten
Sie doch seiner Einladung folgen, man stößt nicht alle Tage auf Originale.

Obwohl ich dies bereitwillig einräumte, wäre doch wohl kaum etwas aus
dem Besuche geworden, wenn ich nicht bald darauf eines Bormittags meinen


Baron Frederik

nehmend höflich, Wie ein vollendeter Kavalier der alten Schule, blieb stehen
und sprach schnell, gleichsam über seine eignen Worte hüpfend und mit jenem
eigentümlich schwachen, aber doch deutlich erkennbaren dentschen Accent, der
sich dnrch viele Geschlechter erhalten kann: Freue mich sehr, Ihre geehrte Be¬
kanntschaft zu machen, freue mich außerordentlich!

Ich verbeugte mich, und er fuhr fort: Ah, Sie find Jäger! Eine
noble Passion, eine außerordentlich noble Passion! Sie sind vermutlich zu
Besuch auf Oberhof?

Ich bejahte dies.

scharmanter Wirt, dieser Carlsen auf Oberhof, außerordentlich scharmanter
Wirt! Habe manche angenehme Stunde bei ihm zugebracht. Erlauben Sie,
daß ich mich selbst vorstelle: ich bin Baron Frederik Rauch. Darf ich fragen,
mit wem ich die Ehre habe?

Als ich meinen Namen nannte, rief er ans: Das ist wirklich eine ange¬
nehme Begegnung! Es würde mir ein besondres Vergnügen sein, wenn Sie,
falls Ihr Weg Sie vorüberführte, einmal bei mir vorsprechen wollten. Ich
wohne hier im Gasthof, dort hinter dein kleinen Gehölz auf der andern Seite
des Weges. Es würde mich ausnehmend freuen, Sie zu sehen! In Wahrheit
eine angenehme Begegnung! Aber ich halte Sie auf, es ist schon spät — er
sah nach der Uhr —, ich muß mich beeilen, um die Mittagszeit nicht zu ver¬
säumen. Meinen Gruß auf Oberhof! Empfehle mich!

Ehe ich recht wußte, wie mir geschah, hatten wir einander die Hand wie
gute Bekannte gedrückt, er ging ans dem Walde hinaus, und ich zurück nach
dem Gute.

Dort erzählte ich natürlich von meiner Bekanntschaft mit dem Baron
und fragte, wer es eigentlich sei, der hier im Walde herumspaziere und im
Gasthof wohne.

Baron Frederik, sagte mein Wirt, kennen Sie den nicht? Er lebt doch
schon ein paar Jahre hier in der Gegend, es muß ein reiner Zufall sein, daß
Sie ihn noch uicht bei uns getroffen haben. Armer Karl — er hat gerade
nicht allzu viel zum Leben. Es geschieht auch aus ökonomischen Gründen, daß
er seine Residenz hier im Gasthof aufgeschlagen hat. Er hat von Kindheit an
bei einem Onkel, der uns dein Stammgnte saß, Unterkunft gefunden, und dort
betrachtete man ihn wie ein Stück beweglichen Hansinventars. Dann starb der
Onkel; ein entfernter Verwandter bekam das Gut, und bei ihm befand sich
Bnron Frederik wahrscheinlich nicht sonderlich wohl, denn eines schonen Tages
ließ er sich hier nieder. Honett und gutmütig ist er, alle Menschen haben
ihn gern, aber eine wunderbare Schraube ist und bleibt er. Im übrigen sollten
Sie doch seiner Einladung folgen, man stößt nicht alle Tage auf Originale.

Obwohl ich dies bereitwillig einräumte, wäre doch wohl kaum etwas aus
dem Besuche geworden, wenn ich nicht bald darauf eines Bormittags meinen


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[0621] Baron Frederik nehmend höflich, Wie ein vollendeter Kavalier der alten Schule, blieb stehen und sprach schnell, gleichsam über seine eignen Worte hüpfend und mit jenem eigentümlich schwachen, aber doch deutlich erkennbaren dentschen Accent, der sich dnrch viele Geschlechter erhalten kann: Freue mich sehr, Ihre geehrte Be¬ kanntschaft zu machen, freue mich außerordentlich! Ich verbeugte mich, und er fuhr fort: Ah, Sie find Jäger! Eine noble Passion, eine außerordentlich noble Passion! Sie sind vermutlich zu Besuch auf Oberhof? Ich bejahte dies. scharmanter Wirt, dieser Carlsen auf Oberhof, außerordentlich scharmanter Wirt! Habe manche angenehme Stunde bei ihm zugebracht. Erlauben Sie, daß ich mich selbst vorstelle: ich bin Baron Frederik Rauch. Darf ich fragen, mit wem ich die Ehre habe? Als ich meinen Namen nannte, rief er ans: Das ist wirklich eine ange¬ nehme Begegnung! Es würde mir ein besondres Vergnügen sein, wenn Sie, falls Ihr Weg Sie vorüberführte, einmal bei mir vorsprechen wollten. Ich wohne hier im Gasthof, dort hinter dein kleinen Gehölz auf der andern Seite des Weges. Es würde mich ausnehmend freuen, Sie zu sehen! In Wahrheit eine angenehme Begegnung! Aber ich halte Sie auf, es ist schon spät — er sah nach der Uhr —, ich muß mich beeilen, um die Mittagszeit nicht zu ver¬ säumen. Meinen Gruß auf Oberhof! Empfehle mich! Ehe ich recht wußte, wie mir geschah, hatten wir einander die Hand wie gute Bekannte gedrückt, er ging ans dem Walde hinaus, und ich zurück nach dem Gute. Dort erzählte ich natürlich von meiner Bekanntschaft mit dem Baron und fragte, wer es eigentlich sei, der hier im Walde herumspaziere und im Gasthof wohne. Baron Frederik, sagte mein Wirt, kennen Sie den nicht? Er lebt doch schon ein paar Jahre hier in der Gegend, es muß ein reiner Zufall sein, daß Sie ihn noch uicht bei uns getroffen haben. Armer Karl — er hat gerade nicht allzu viel zum Leben. Es geschieht auch aus ökonomischen Gründen, daß er seine Residenz hier im Gasthof aufgeschlagen hat. Er hat von Kindheit an bei einem Onkel, der uns dein Stammgnte saß, Unterkunft gefunden, und dort betrachtete man ihn wie ein Stück beweglichen Hansinventars. Dann starb der Onkel; ein entfernter Verwandter bekam das Gut, und bei ihm befand sich Bnron Frederik wahrscheinlich nicht sonderlich wohl, denn eines schonen Tages ließ er sich hier nieder. Honett und gutmütig ist er, alle Menschen haben ihn gern, aber eine wunderbare Schraube ist und bleibt er. Im übrigen sollten Sie doch seiner Einladung folgen, man stößt nicht alle Tage auf Originale. Obwohl ich dies bereitwillig einräumte, wäre doch wohl kaum etwas aus dem Besuche geworden, wenn ich nicht bald darauf eines Bormittags meinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/621>, abgerufen am 30.06.2024.