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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Dus Deutsche in Elsaß-Lothringen

den Kreisen Metz, Bolchen, Diedenhofeli, Forbach, Saarburg und ganz be¬
sonders Chateau-Salms. Beiläufig bemerkt, bietet dieses der Tvuristenwelt
mit wenigen Ausnahmen so gut wie unbekannte Gebiet uicht bloß landschaft¬
lich überraschend schöne Partieen, sondern auch reiche Gelegenheit zu Studien
über Volkscharakter und eigentümliche Sitten und Gebräuche. Auch der
Altertumssreund, der Sammler alter Volkslieder, Sagen und Märchen, findet
hier für seinen Zweck jungfräulichen, wenigstens von deutschen Forschern noch
unberührten Boden. Dem Zwecke meiner Wanderung entsprechend teilte ich
das französische Sprachgebiet in zwei Zonen, nämlich in den an das deutsche
Gebiet angrenzenden Gürtel und in die mehr einwärts ans das französische
Hinterland gestützten Landesteile. Bei Bereisung der Grenzzone, die in erster
Linie für das deutsche Sprachgebiet zurückzuerobern ist, stützte ich mich auf die
von Constant This in seinem Werkchen "Die deutsch-französische Sprach¬
grenze in Lothringen" enthaltenen Angaben. Überall suchte ich zunächst Füh¬
lung mit der Schule und solchen Personen, die mir für meinen Zweck wirklich
Dienste leisten konnten. Das Hauptgewicht legte ich aber darauf, möglichst
zahlreiche junge Leute und zwar sowohl solche, die noch in die Schule gingen
oder sie vor kurzem verlassen hatten, als auch solche, die schon seit einer Reihe
von Jahren aus der Schule entlasse" waren, gesprächsweise ans ihre Kennt¬
nisse im Deutschen zu prüfen. Die nachstehenden Urteile beruhen daher fast
ausschließlich ans eignen Beobachtungen und Wahrnehmungen an Ort
und Stelle.

Ju den von mir besuchten Gemeinden der an das deutsche Sprachgebiet
Kreuzenden Zone werden jetzt in den Elementarschulen fast durchgängig wöchent¬
lich vier Sprechstunden und eine Katechismusstnnde französisch, die übrigen
2b Wochenstunden aber deutsch gegeben. Die Kinder lernen in den beiden
ersten Schuljahren nnr deutsch lesen und schreiben; erst im dritten Jahre
tritt dus Lesen und Schreiben deS Französischen hinzu. Mehrfach sind die
für deutsche Schulen geschriebenen Bücher in Gebrauch. Dieser Schulplan ist
übrigens erst seit anderthalb Jahre" eingeführt. Von einer Einwirkung
uns das praktische Lebe" wird dal>er erst in einigen Jahren die Rede sein
könne".

Die Ergebnisse des frühern Unterrichtsplaneö sind mit vereinzelten Aus¬
nahmen - die ganz besonders tüchtigen und eifrigen Lehrkräften zu danke"
sind -- wenig befriedigend. Die jungen Leute, die vor vier oder fünf oder
!M- acht Jahren die Schule verlassen habe", verstehe!, zwar zur Not noch
einige Sätze', die ihm" schulmäßig vorgesprochen werden; aber die Fähigkeit
daraus zu antworte" oder sich gar a" el"em deutschen Gespräch zu beteiligen,
'se ihnen, wenn sie sie überhaupt je besessen habe", vollständig abhanden ge¬
kommen. Nur solche junge Leute, die geschäftlich in iimmiichfache Berührung
NUt den deutsche" Nachbarorte" gekommen sind oder einige Zeit im deutschen


Dus Deutsche in Elsaß-Lothringen

den Kreisen Metz, Bolchen, Diedenhofeli, Forbach, Saarburg und ganz be¬
sonders Chateau-Salms. Beiläufig bemerkt, bietet dieses der Tvuristenwelt
mit wenigen Ausnahmen so gut wie unbekannte Gebiet uicht bloß landschaft¬
lich überraschend schöne Partieen, sondern auch reiche Gelegenheit zu Studien
über Volkscharakter und eigentümliche Sitten und Gebräuche. Auch der
Altertumssreund, der Sammler alter Volkslieder, Sagen und Märchen, findet
hier für seinen Zweck jungfräulichen, wenigstens von deutschen Forschern noch
unberührten Boden. Dem Zwecke meiner Wanderung entsprechend teilte ich
das französische Sprachgebiet in zwei Zonen, nämlich in den an das deutsche
Gebiet angrenzenden Gürtel und in die mehr einwärts ans das französische
Hinterland gestützten Landesteile. Bei Bereisung der Grenzzone, die in erster
Linie für das deutsche Sprachgebiet zurückzuerobern ist, stützte ich mich auf die
von Constant This in seinem Werkchen „Die deutsch-französische Sprach¬
grenze in Lothringen" enthaltenen Angaben. Überall suchte ich zunächst Füh¬
lung mit der Schule und solchen Personen, die mir für meinen Zweck wirklich
Dienste leisten konnten. Das Hauptgewicht legte ich aber darauf, möglichst
zahlreiche junge Leute und zwar sowohl solche, die noch in die Schule gingen
oder sie vor kurzem verlassen hatten, als auch solche, die schon seit einer Reihe
von Jahren aus der Schule entlasse» waren, gesprächsweise ans ihre Kennt¬
nisse im Deutschen zu prüfen. Die nachstehenden Urteile beruhen daher fast
ausschließlich ans eignen Beobachtungen und Wahrnehmungen an Ort
und Stelle.

Ju den von mir besuchten Gemeinden der an das deutsche Sprachgebiet
Kreuzenden Zone werden jetzt in den Elementarschulen fast durchgängig wöchent¬
lich vier Sprechstunden und eine Katechismusstnnde französisch, die übrigen
2b Wochenstunden aber deutsch gegeben. Die Kinder lernen in den beiden
ersten Schuljahren nnr deutsch lesen und schreiben; erst im dritten Jahre
tritt dus Lesen und Schreiben deS Französischen hinzu. Mehrfach sind die
für deutsche Schulen geschriebenen Bücher in Gebrauch. Dieser Schulplan ist
übrigens erst seit anderthalb Jahre» eingeführt. Von einer Einwirkung
uns das praktische Lebe» wird dal>er erst in einigen Jahren die Rede sein
könne».

Die Ergebnisse des frühern Unterrichtsplaneö sind mit vereinzelten Aus¬
nahmen - die ganz besonders tüchtigen und eifrigen Lehrkräften zu danke»
sind — wenig befriedigend. Die jungen Leute, die vor vier oder fünf oder
!M- acht Jahren die Schule verlassen habe», verstehe!, zwar zur Not noch
einige Sätze', die ihm» schulmäßig vorgesprochen werden; aber die Fähigkeit
daraus zu antworte» oder sich gar a» el»em deutschen Gespräch zu beteiligen,
'se ihnen, wenn sie sie überhaupt je besessen habe», vollständig abhanden ge¬
kommen. Nur solche junge Leute, die geschäftlich in iimmiichfache Berührung
NUt den deutsche» Nachbarorte» gekommen sind oder einige Zeit im deutschen


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[0597] Dus Deutsche in Elsaß-Lothringen den Kreisen Metz, Bolchen, Diedenhofeli, Forbach, Saarburg und ganz be¬ sonders Chateau-Salms. Beiläufig bemerkt, bietet dieses der Tvuristenwelt mit wenigen Ausnahmen so gut wie unbekannte Gebiet uicht bloß landschaft¬ lich überraschend schöne Partieen, sondern auch reiche Gelegenheit zu Studien über Volkscharakter und eigentümliche Sitten und Gebräuche. Auch der Altertumssreund, der Sammler alter Volkslieder, Sagen und Märchen, findet hier für seinen Zweck jungfräulichen, wenigstens von deutschen Forschern noch unberührten Boden. Dem Zwecke meiner Wanderung entsprechend teilte ich das französische Sprachgebiet in zwei Zonen, nämlich in den an das deutsche Gebiet angrenzenden Gürtel und in die mehr einwärts ans das französische Hinterland gestützten Landesteile. Bei Bereisung der Grenzzone, die in erster Linie für das deutsche Sprachgebiet zurückzuerobern ist, stützte ich mich auf die von Constant This in seinem Werkchen „Die deutsch-französische Sprach¬ grenze in Lothringen" enthaltenen Angaben. Überall suchte ich zunächst Füh¬ lung mit der Schule und solchen Personen, die mir für meinen Zweck wirklich Dienste leisten konnten. Das Hauptgewicht legte ich aber darauf, möglichst zahlreiche junge Leute und zwar sowohl solche, die noch in die Schule gingen oder sie vor kurzem verlassen hatten, als auch solche, die schon seit einer Reihe von Jahren aus der Schule entlasse» waren, gesprächsweise ans ihre Kennt¬ nisse im Deutschen zu prüfen. Die nachstehenden Urteile beruhen daher fast ausschließlich ans eignen Beobachtungen und Wahrnehmungen an Ort und Stelle. Ju den von mir besuchten Gemeinden der an das deutsche Sprachgebiet Kreuzenden Zone werden jetzt in den Elementarschulen fast durchgängig wöchent¬ lich vier Sprechstunden und eine Katechismusstnnde französisch, die übrigen 2b Wochenstunden aber deutsch gegeben. Die Kinder lernen in den beiden ersten Schuljahren nnr deutsch lesen und schreiben; erst im dritten Jahre tritt dus Lesen und Schreiben deS Französischen hinzu. Mehrfach sind die für deutsche Schulen geschriebenen Bücher in Gebrauch. Dieser Schulplan ist übrigens erst seit anderthalb Jahre» eingeführt. Von einer Einwirkung uns das praktische Lebe» wird dal>er erst in einigen Jahren die Rede sein könne». Die Ergebnisse des frühern Unterrichtsplaneö sind mit vereinzelten Aus¬ nahmen - die ganz besonders tüchtigen und eifrigen Lehrkräften zu danke» sind — wenig befriedigend. Die jungen Leute, die vor vier oder fünf oder !M- acht Jahren die Schule verlassen habe», verstehe!, zwar zur Not noch einige Sätze', die ihm» schulmäßig vorgesprochen werden; aber die Fähigkeit daraus zu antworte» oder sich gar a» el»em deutschen Gespräch zu beteiligen, 'se ihnen, wenn sie sie überhaupt je besessen habe», vollständig abhanden ge¬ kommen. Nur solche junge Leute, die geschäftlich in iimmiichfache Berührung NUt den deutsche» Nachbarorte» gekommen sind oder einige Zeit im deutschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/597>, abgerufen am 02.07.2024.