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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Das Deutsche in Elsaß-Lothringen

kommt, so ist es erklärlich, daß das Deutsche keinen nennenswerten Fortschritt
aufzuweisen hat. Der Pfarrer predigt und unterrichtet nur französisch, der
Gemeinderat verhandelt nur in dieser Sprache, der Gemeindediener hat zwar
seine früher blau-weiß-rote Gemeindetrommel mit den deutschen Farben ver¬
sehen -- es ist das so ziemlich das Einzige, was daran erinnert, daß man sich
in einem deutschen Dorfe befindet --, ruft aber seine Bekanntmachungen in
französischer Sprache aus. Der Bürgermeister schreibt an den Kreisdirektor
nur französisch. Die wenigen in das Dorf kommenden Beamten find alle des
Französischen mächtig; muß ein solcher Beamter ans dem Dorfe wohnen, so
verwelschcn sogar seine Kinder in der französischen Umgebung in wenigen
Jahren. Bei dieser Sachlage braucht man sich nicht zu wundern, daß es uoch
zahlreiche Dörfer giebt, namentlich in den durch ihre Lage und ihre Verkehrs¬
verbindungen auf das französische Hinterland angewiesenen Gegenden, wo viel¬
leicht mit Ausnahme des Lehrers keine in mittlern oder höhern Jahren stehende
Person vorhanden ist, mit der man ein deutsches Gespräch führen könnte.

Etwas günstiger liegt die Sache in den Städten und Städtchen des
französischen Sprachgebietes. Neben den deutschen Beamten hat hier eine starke
Einwanderung deutscher Geschäftsleute stattgefunden. Durch die tägliche Be¬
rührung mit den deutschen Elementen, sodann hauptsächlich unter dem Zwange
der geschäftlichen Mitbewerbnng und mit Rücksicht auf die deutsche Kundschaft
haben alle Geschäftsinhaber und ihr Personal sich so viel Deutsch ange¬
eignet, daß sie sich zur Not darin ausdrücken können. So dürfte es z. B.
in Metz zur Zeit kaum mehr ein Geschüftslvkal geben, wo ein Deutscher, der
"ur seiner Muttersprache mächtig ist, bei seineu Einkäufen in Verlegenheit
kommen könnte. Im großen und ganzen wird das aber bezüglich der Aus¬
breitung des Deutschen nicht besonders ins Gewicht fallen können, da sich bei
den Erwachsenen die Kenntnis dieser Sprache natürlich nur auf einen sehr
kleinen Jdeenkreis beschränkt.

Das Hauptmittel neben der Militärpflicht wird bei der Ausbreitung des
Deutschen immer die Schule bilden, und wenn wir prüfen wollen, inwieweit
das Deutsche Fortschritte gemacht hat, so werden wir uns an das heran¬
wachsende Geschlecht wenden müssen, das seine ganze oder doch beinahe sein
ganze sieben- oder achtjährige Schulzeit in der nach deutschem Muster um¬
gewandelten Volksschule zugebracht hat. Wir haben es dabei mit den jungen
Leuten beider Geschlechter von 14 bis zu 25 Jahren, zum Teil auch mit den
zur Zeit noch in schulpflichtigen Alter stehenden Kindern zu thun.

Zunächst richtete ich die im Eingänge dieses Aufsatzes stehende Frage an
einen höhern Schnlbeamten und erhielt von ihm die Antwort: "Das Deutsche
hat ganz entschiedn" Fortschritte gemacht; sehen Sie diese Verordnung, wonach
in einem großen Teile der Schulen im französischen Sprachgebiete von den
30 Wochenstunden 26, in den übrigen wenigstens 15 bis 18 Stunden in den


Das Deutsche in Elsaß-Lothringen

kommt, so ist es erklärlich, daß das Deutsche keinen nennenswerten Fortschritt
aufzuweisen hat. Der Pfarrer predigt und unterrichtet nur französisch, der
Gemeinderat verhandelt nur in dieser Sprache, der Gemeindediener hat zwar
seine früher blau-weiß-rote Gemeindetrommel mit den deutschen Farben ver¬
sehen — es ist das so ziemlich das Einzige, was daran erinnert, daß man sich
in einem deutschen Dorfe befindet —, ruft aber seine Bekanntmachungen in
französischer Sprache aus. Der Bürgermeister schreibt an den Kreisdirektor
nur französisch. Die wenigen in das Dorf kommenden Beamten find alle des
Französischen mächtig; muß ein solcher Beamter ans dem Dorfe wohnen, so
verwelschcn sogar seine Kinder in der französischen Umgebung in wenigen
Jahren. Bei dieser Sachlage braucht man sich nicht zu wundern, daß es uoch
zahlreiche Dörfer giebt, namentlich in den durch ihre Lage und ihre Verkehrs¬
verbindungen auf das französische Hinterland angewiesenen Gegenden, wo viel¬
leicht mit Ausnahme des Lehrers keine in mittlern oder höhern Jahren stehende
Person vorhanden ist, mit der man ein deutsches Gespräch führen könnte.

Etwas günstiger liegt die Sache in den Städten und Städtchen des
französischen Sprachgebietes. Neben den deutschen Beamten hat hier eine starke
Einwanderung deutscher Geschäftsleute stattgefunden. Durch die tägliche Be¬
rührung mit den deutschen Elementen, sodann hauptsächlich unter dem Zwange
der geschäftlichen Mitbewerbnng und mit Rücksicht auf die deutsche Kundschaft
haben alle Geschäftsinhaber und ihr Personal sich so viel Deutsch ange¬
eignet, daß sie sich zur Not darin ausdrücken können. So dürfte es z. B.
in Metz zur Zeit kaum mehr ein Geschüftslvkal geben, wo ein Deutscher, der
»ur seiner Muttersprache mächtig ist, bei seineu Einkäufen in Verlegenheit
kommen könnte. Im großen und ganzen wird das aber bezüglich der Aus¬
breitung des Deutschen nicht besonders ins Gewicht fallen können, da sich bei
den Erwachsenen die Kenntnis dieser Sprache natürlich nur auf einen sehr
kleinen Jdeenkreis beschränkt.

Das Hauptmittel neben der Militärpflicht wird bei der Ausbreitung des
Deutschen immer die Schule bilden, und wenn wir prüfen wollen, inwieweit
das Deutsche Fortschritte gemacht hat, so werden wir uns an das heran¬
wachsende Geschlecht wenden müssen, das seine ganze oder doch beinahe sein
ganze sieben- oder achtjährige Schulzeit in der nach deutschem Muster um¬
gewandelten Volksschule zugebracht hat. Wir haben es dabei mit den jungen
Leuten beider Geschlechter von 14 bis zu 25 Jahren, zum Teil auch mit den
zur Zeit noch in schulpflichtigen Alter stehenden Kindern zu thun.

Zunächst richtete ich die im Eingänge dieses Aufsatzes stehende Frage an
einen höhern Schnlbeamten und erhielt von ihm die Antwort: „Das Deutsche
hat ganz entschiedn« Fortschritte gemacht; sehen Sie diese Verordnung, wonach
in einem großen Teile der Schulen im französischen Sprachgebiete von den
30 Wochenstunden 26, in den übrigen wenigstens 15 bis 18 Stunden in den


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[0595] Das Deutsche in Elsaß-Lothringen kommt, so ist es erklärlich, daß das Deutsche keinen nennenswerten Fortschritt aufzuweisen hat. Der Pfarrer predigt und unterrichtet nur französisch, der Gemeinderat verhandelt nur in dieser Sprache, der Gemeindediener hat zwar seine früher blau-weiß-rote Gemeindetrommel mit den deutschen Farben ver¬ sehen — es ist das so ziemlich das Einzige, was daran erinnert, daß man sich in einem deutschen Dorfe befindet —, ruft aber seine Bekanntmachungen in französischer Sprache aus. Der Bürgermeister schreibt an den Kreisdirektor nur französisch. Die wenigen in das Dorf kommenden Beamten find alle des Französischen mächtig; muß ein solcher Beamter ans dem Dorfe wohnen, so verwelschcn sogar seine Kinder in der französischen Umgebung in wenigen Jahren. Bei dieser Sachlage braucht man sich nicht zu wundern, daß es uoch zahlreiche Dörfer giebt, namentlich in den durch ihre Lage und ihre Verkehrs¬ verbindungen auf das französische Hinterland angewiesenen Gegenden, wo viel¬ leicht mit Ausnahme des Lehrers keine in mittlern oder höhern Jahren stehende Person vorhanden ist, mit der man ein deutsches Gespräch führen könnte. Etwas günstiger liegt die Sache in den Städten und Städtchen des französischen Sprachgebietes. Neben den deutschen Beamten hat hier eine starke Einwanderung deutscher Geschäftsleute stattgefunden. Durch die tägliche Be¬ rührung mit den deutschen Elementen, sodann hauptsächlich unter dem Zwange der geschäftlichen Mitbewerbnng und mit Rücksicht auf die deutsche Kundschaft haben alle Geschäftsinhaber und ihr Personal sich so viel Deutsch ange¬ eignet, daß sie sich zur Not darin ausdrücken können. So dürfte es z. B. in Metz zur Zeit kaum mehr ein Geschüftslvkal geben, wo ein Deutscher, der »ur seiner Muttersprache mächtig ist, bei seineu Einkäufen in Verlegenheit kommen könnte. Im großen und ganzen wird das aber bezüglich der Aus¬ breitung des Deutschen nicht besonders ins Gewicht fallen können, da sich bei den Erwachsenen die Kenntnis dieser Sprache natürlich nur auf einen sehr kleinen Jdeenkreis beschränkt. Das Hauptmittel neben der Militärpflicht wird bei der Ausbreitung des Deutschen immer die Schule bilden, und wenn wir prüfen wollen, inwieweit das Deutsche Fortschritte gemacht hat, so werden wir uns an das heran¬ wachsende Geschlecht wenden müssen, das seine ganze oder doch beinahe sein ganze sieben- oder achtjährige Schulzeit in der nach deutschem Muster um¬ gewandelten Volksschule zugebracht hat. Wir haben es dabei mit den jungen Leuten beider Geschlechter von 14 bis zu 25 Jahren, zum Teil auch mit den zur Zeit noch in schulpflichtigen Alter stehenden Kindern zu thun. Zunächst richtete ich die im Eingänge dieses Aufsatzes stehende Frage an einen höhern Schnlbeamten und erhielt von ihm die Antwort: „Das Deutsche hat ganz entschiedn« Fortschritte gemacht; sehen Sie diese Verordnung, wonach in einem großen Teile der Schulen im französischen Sprachgebiete von den 30 Wochenstunden 26, in den übrigen wenigstens 15 bis 18 Stunden in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/595>, abgerufen am 22.12.2024.