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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Verständigung zu erleichtern. Von einer Rückgängigmachung der Heeres-
reorgauisntio" konnte natürlich gar keine Rede sein, jetzt, wo sie sich im blutigen
Ernst so glänzend bewährt hatte. Sogar Grabow, der als früherer Präsident
vorläufig wieder den Vorsitz übernommen hatte, konnte uicht umhin, der ruhm¬
reichen Thaten der tapfern Krieger zu gedenken, die in den Nvrdmarken des
Vaterlandes das deutsche Recht und die preußische Ehre hochgehalten hatten.
Als er aber, nebst den Herren von Unruh und von Bocknm-Dolffs, wieder¬
gewühlt war, schlug er einen ganz andern Ton an: "Bei unsrer letzten Ent¬
lassung ward einstweilen ans die Hoffnung einer Verständigung mit diesem
Hause verzichtet. Seitdem sind die Verfolgungen der liberalen Presse, Diszi-
Plinirung der liberalen Beamten, Nichtbestätignng liberaler Kvmmnnalwahlen,
Verunglimpfungen, Verdächtigungen lind Verleumdungen der liberalen Staats¬
bürger in noch stärkeren Maße als in den frühern Jahren eingetreten. Die libe¬
rale Gesinnung ist in den Bann gethan. Die Überzengungstrene, der schönste
Schmuck des altpreußischen Beamten, ist in die neupreußische Acht erklärt. Die
Axt wird an den seit 1808 die schönen Früchte Gemeinsinn und Gemeinwohl
treibende" Baum der Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden gelegt, um
die dreimal erprobte öffentliche Meinung, die stärkste Macht im Staate, zur
Umkehr zu stimmen, das Abgeordnetenhaus zur Unterwerfung zu zwingen und
damit der Verfassung die Lebensader zu unterbinden."

Der wiederholte lärmende Beifall, den diese Worte Grabvws bei der
harschenden Partei fanden, zeigte deutlich, daß mit diesem Hause ebensowenig
eine Verständigung zu erzielen war. wie mit dem vorigen. Es verlohnt sich
"ber nicht, die Verhandlungen im einzelnen weiter zu verfolgen; denn Neues
wußten die Herren von der Opposition uicht mehr vorzubringen, die Be¬
schimpfungen Preußens, seiner Regierung und seiner Einrichtungen, blinde
Parteinahme für alles, was gegen Preußen auftrat. Unverstand und Urteils¬
unfähigkeit wiederholten sich stets. Die Minister mähten sich vergebens ab,
den Parteifanatikern Vernunft zu predige". Ein praktisches Ergebnis hatte
die ganze Tagung nicht; die Kosten für die Reorganisation wurden wieder
gestrichen, ein gesetzmäßiges Budget kam wieder nicht zu stände, und der
Staatshaushalt wurde wieder durch königliche Verordnung geregelt, "uter Zu-
stimmung des Herrenhauses. Eine SchlesN'ig-Holstein-Debntte im großen Stil,
bei der Virchow, Waldeck, Duncker. Löwe, Twesteu große Reden hielten, bewies
>"n-, daß diese Herren und ihre ganze Partei von den thatsächlichen politischen
Verhältnissen, von der ganzen Lage in Deutschland und in Europa nicht die
leiseste Ahnung hatten. Daß ihnen aller Patriotismus fehlte, war nichts
Neues.

Nur ewige Vorgänge will ich noch kurz erwähne", die beso"ders be¬
zeichnend fiir die Zu stände in der .K'vnfliktszeit" sind. Am !). Februar über¬
reichte eine Depntntivn aus Veöln dem Präsidenten Grabow eine silberne Bürgep


Verständigung zu erleichtern. Von einer Rückgängigmachung der Heeres-
reorgauisntio» konnte natürlich gar keine Rede sein, jetzt, wo sie sich im blutigen
Ernst so glänzend bewährt hatte. Sogar Grabow, der als früherer Präsident
vorläufig wieder den Vorsitz übernommen hatte, konnte uicht umhin, der ruhm¬
reichen Thaten der tapfern Krieger zu gedenken, die in den Nvrdmarken des
Vaterlandes das deutsche Recht und die preußische Ehre hochgehalten hatten.
Als er aber, nebst den Herren von Unruh und von Bocknm-Dolffs, wieder¬
gewühlt war, schlug er einen ganz andern Ton an: „Bei unsrer letzten Ent¬
lassung ward einstweilen ans die Hoffnung einer Verständigung mit diesem
Hause verzichtet. Seitdem sind die Verfolgungen der liberalen Presse, Diszi-
Plinirung der liberalen Beamten, Nichtbestätignng liberaler Kvmmnnalwahlen,
Verunglimpfungen, Verdächtigungen lind Verleumdungen der liberalen Staats¬
bürger in noch stärkeren Maße als in den frühern Jahren eingetreten. Die libe¬
rale Gesinnung ist in den Bann gethan. Die Überzengungstrene, der schönste
Schmuck des altpreußischen Beamten, ist in die neupreußische Acht erklärt. Die
Axt wird an den seit 1808 die schönen Früchte Gemeinsinn und Gemeinwohl
treibende» Baum der Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden gelegt, um
die dreimal erprobte öffentliche Meinung, die stärkste Macht im Staate, zur
Umkehr zu stimmen, das Abgeordnetenhaus zur Unterwerfung zu zwingen und
damit der Verfassung die Lebensader zu unterbinden."

Der wiederholte lärmende Beifall, den diese Worte Grabvws bei der
harschenden Partei fanden, zeigte deutlich, daß mit diesem Hause ebensowenig
eine Verständigung zu erzielen war. wie mit dem vorigen. Es verlohnt sich
»ber nicht, die Verhandlungen im einzelnen weiter zu verfolgen; denn Neues
wußten die Herren von der Opposition uicht mehr vorzubringen, die Be¬
schimpfungen Preußens, seiner Regierung und seiner Einrichtungen, blinde
Parteinahme für alles, was gegen Preußen auftrat. Unverstand und Urteils¬
unfähigkeit wiederholten sich stets. Die Minister mähten sich vergebens ab,
den Parteifanatikern Vernunft zu predige». Ein praktisches Ergebnis hatte
die ganze Tagung nicht; die Kosten für die Reorganisation wurden wieder
gestrichen, ein gesetzmäßiges Budget kam wieder nicht zu stände, und der
Staatshaushalt wurde wieder durch königliche Verordnung geregelt, »uter Zu-
stimmung des Herrenhauses. Eine SchlesN'ig-Holstein-Debntte im großen Stil,
bei der Virchow, Waldeck, Duncker. Löwe, Twesteu große Reden hielten, bewies
>"n-, daß diese Herren und ihre ganze Partei von den thatsächlichen politischen
Verhältnissen, von der ganzen Lage in Deutschland und in Europa nicht die
leiseste Ahnung hatten. Daß ihnen aller Patriotismus fehlte, war nichts
Neues.

Nur ewige Vorgänge will ich noch kurz erwähne», die beso»ders be¬
zeichnend fiir die Zu stände in der .K'vnfliktszeit" sind. Am !). Februar über¬
reichte eine Depntntivn aus Veöln dem Präsidenten Grabow eine silberne Bürgep


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/555>, abgerufen am 22.12.2024.