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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Aus Neilösterreich

aus schwarzer Seide oder aus Lammfell.") Die Brust bedeckte ein roter, reich
mit Gold verzierter I)Wi7in<la,n (Weste), über diesen ein lauger, weißer, faltiger
6ni^ (Rock), der vorn offen und über den eine ärmellose Jacke, der .lolcilc,
gezogen war, aus dunkelrotem Tuch und mit einer Unmasse goldner Knöpfe
und Kettchen und panzerartig anliegenden getriebenen Goldvlättchen verziert.
Um den Leib schlang sich ein roter, wassenbespickter Kollin (Gurt), in dem
wunderbar mit Gold und Silber beschlagene Pistolen und der einst so furcht¬
bare Handjar steckten. Reich gefaltete dunkelblaue Tuchhosen und hohe weiße
mit unzähligen Hefteln geschlossene "lolcoleniM (Gamaschen) vervollständigten
das ebenso reiche wie malerische Kostüm.

Nach kurzer Besprechung brachen wir auf, nachdem wir den Soldaten
und das Tragtier heimgeschickt und unsre Reitpferde mit den nötigsten Sachen
bepackt hatten, denn es galt noch heute den Wohnsitz unsers Freundes zu
erreichen.

Auf schmalen Wegen, durch Abhänge, hart am Abgrunde ging es hin,
der nackte Karst, spärlich mit Wachholderbüschen und Krummholz bewachsen,
machte deu Marsch sehr beschwerlich. Hie und da kam eine aus Reisig ge¬
flochtene Hütte, als einziger Zeuge, daß hier Menschen hausten. Gegen elf Uhr
nachts bei tiefer Dunkelheit, die uur die Luchsnugeu eines Montenegriners zu
durchdringen vermögen, erreichten wir endlich Dolaujak, eine Ortschaft von
etwa dreißig Hütten, in der unser Freund die wichtige Stellung eines Lucia"
(Richter) innehatte.

Die Beschreibung eines montenegrinischen Hauses darf ich dem Leser doch
nicht vorenthalten, ich gebe sie um so lieber, als mir jenes Haus wohl lauge
noch im Gedächtnis bleiben wird. Der A-ur (Wohnsitz) unsers Freundes
bestand aus einer Holzhütte, die blockhausartig aus starken Balken gebaut,
mit breiten Schindern gedeckt und mit einer längs des ganzen Hauses hin¬
laufenden Veranda Versehen war. Zwei durch einen Gang getrennte Zimmer,
wovon das zur rechten Hand als Gastzimmer, das zur linken als Wohnraum
benutzt wurde, bildeten die gesamten Räumlichkeiten. Aus Haus lehnten sich
die Vieh- und Pferdestallungen und ein langer Schuppen, worin sich Schafe
und Ziegen befanden. Vor der Thür erwarteten uns drei saubere, wei߬
gekleidete Frauen, eine ältere wurde uns als die Gemahlin des Hausherrn,
die zweite als seiue ?c>808drin!i, die dritte, ein etwa dreizehnjähriges Mädchen,
als die Tochter des Hauses vorgestellt. Nach alter Sitte beeilten sich alle
drei, unsre Hände zu küssen, was von uns, ebenfalls nach allein montenegri¬
nischen Brauch, durch einen Kuß auf die Stiru erwiedert wurde. Man führte
uns nun in das Gastzimmer, wo uus aus einer Ecke, in der ein Greis in
Decken vergraben lag, ein Gruß Kost Knvi -- An>A lcuvi (ein Gast im Hause --
Gott im Hause) entgegeuschvll, der mit einem slltva. sog'u (Gott sei gelobt) er¬
wiedert wurde. Das Zimmer war etwa zwanzig Quadratmeter groß, mit zwei
Glasfenstern versehen, in der Mitte brannte auf einigen Backsteinen, die den
Herd vertraten, ein Feuer, das zugleich die Beleuchtung schaffte, über dein
Herd hing an einer rußigen Kette ein kleiner Kessel. Der Rauch suchte sich-



*) Die Farben der Xux^ sind symbolisch, das Rot bedeutet Türkenblut, worin die Frei¬
heit erlangt wird, der Stern ist der von Montenegro und der Strafen darum soll den Regen¬
bogen als die Hoffnung auf baldige Erlösung versinnbildlichen. Früher sollten alle serbischen
Mutzen ganz rot sein, sie wurde" aber nach der Schlacht auf dem Amselfelde mit Trauerflor
überzogen, der erst nach der Wiederbefreiung aller Serben entfernt werden soll.
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aus schwarzer Seide oder aus Lammfell.") Die Brust bedeckte ein roter, reich
mit Gold verzierter I)Wi7in<la,n (Weste), über diesen ein lauger, weißer, faltiger
6ni^ (Rock), der vorn offen und über den eine ärmellose Jacke, der .lolcilc,
gezogen war, aus dunkelrotem Tuch und mit einer Unmasse goldner Knöpfe
und Kettchen und panzerartig anliegenden getriebenen Goldvlättchen verziert.
Um den Leib schlang sich ein roter, wassenbespickter Kollin (Gurt), in dem
wunderbar mit Gold und Silber beschlagene Pistolen und der einst so furcht¬
bare Handjar steckten. Reich gefaltete dunkelblaue Tuchhosen und hohe weiße
mit unzähligen Hefteln geschlossene "lolcoleniM (Gamaschen) vervollständigten
das ebenso reiche wie malerische Kostüm.

Nach kurzer Besprechung brachen wir auf, nachdem wir den Soldaten
und das Tragtier heimgeschickt und unsre Reitpferde mit den nötigsten Sachen
bepackt hatten, denn es galt noch heute den Wohnsitz unsers Freundes zu
erreichen.

Auf schmalen Wegen, durch Abhänge, hart am Abgrunde ging es hin,
der nackte Karst, spärlich mit Wachholderbüschen und Krummholz bewachsen,
machte deu Marsch sehr beschwerlich. Hie und da kam eine aus Reisig ge¬
flochtene Hütte, als einziger Zeuge, daß hier Menschen hausten. Gegen elf Uhr
nachts bei tiefer Dunkelheit, die uur die Luchsnugeu eines Montenegriners zu
durchdringen vermögen, erreichten wir endlich Dolaujak, eine Ortschaft von
etwa dreißig Hütten, in der unser Freund die wichtige Stellung eines Lucia«
(Richter) innehatte.

Die Beschreibung eines montenegrinischen Hauses darf ich dem Leser doch
nicht vorenthalten, ich gebe sie um so lieber, als mir jenes Haus wohl lauge
noch im Gedächtnis bleiben wird. Der A-ur (Wohnsitz) unsers Freundes
bestand aus einer Holzhütte, die blockhausartig aus starken Balken gebaut,
mit breiten Schindern gedeckt und mit einer längs des ganzen Hauses hin¬
laufenden Veranda Versehen war. Zwei durch einen Gang getrennte Zimmer,
wovon das zur rechten Hand als Gastzimmer, das zur linken als Wohnraum
benutzt wurde, bildeten die gesamten Räumlichkeiten. Aus Haus lehnten sich
die Vieh- und Pferdestallungen und ein langer Schuppen, worin sich Schafe
und Ziegen befanden. Vor der Thür erwarteten uns drei saubere, wei߬
gekleidete Frauen, eine ältere wurde uns als die Gemahlin des Hausherrn,
die zweite als seiue ?c>808drin!i, die dritte, ein etwa dreizehnjähriges Mädchen,
als die Tochter des Hauses vorgestellt. Nach alter Sitte beeilten sich alle
drei, unsre Hände zu küssen, was von uns, ebenfalls nach allein montenegri¬
nischen Brauch, durch einen Kuß auf die Stiru erwiedert wurde. Man führte
uns nun in das Gastzimmer, wo uus aus einer Ecke, in der ein Greis in
Decken vergraben lag, ein Gruß Kost Knvi — An>A lcuvi (ein Gast im Hause —
Gott im Hause) entgegeuschvll, der mit einem slltva. sog'u (Gott sei gelobt) er¬
wiedert wurde. Das Zimmer war etwa zwanzig Quadratmeter groß, mit zwei
Glasfenstern versehen, in der Mitte brannte auf einigen Backsteinen, die den
Herd vertraten, ein Feuer, das zugleich die Beleuchtung schaffte, über dein
Herd hing an einer rußigen Kette ein kleiner Kessel. Der Rauch suchte sich-



*) Die Farben der Xux^ sind symbolisch, das Rot bedeutet Türkenblut, worin die Frei¬
heit erlangt wird, der Stern ist der von Montenegro und der Strafen darum soll den Regen¬
bogen als die Hoffnung auf baldige Erlösung versinnbildlichen. Früher sollten alle serbischen
Mutzen ganz rot sein, sie wurde» aber nach der Schlacht auf dem Amselfelde mit Trauerflor
überzogen, der erst nach der Wiederbefreiung aller Serben entfernt werden soll.
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[0540] Aus Neilösterreich aus schwarzer Seide oder aus Lammfell.") Die Brust bedeckte ein roter, reich mit Gold verzierter I)Wi7in<la,n (Weste), über diesen ein lauger, weißer, faltiger 6ni^ (Rock), der vorn offen und über den eine ärmellose Jacke, der .lolcilc, gezogen war, aus dunkelrotem Tuch und mit einer Unmasse goldner Knöpfe und Kettchen und panzerartig anliegenden getriebenen Goldvlättchen verziert. Um den Leib schlang sich ein roter, wassenbespickter Kollin (Gurt), in dem wunderbar mit Gold und Silber beschlagene Pistolen und der einst so furcht¬ bare Handjar steckten. Reich gefaltete dunkelblaue Tuchhosen und hohe weiße mit unzähligen Hefteln geschlossene "lolcoleniM (Gamaschen) vervollständigten das ebenso reiche wie malerische Kostüm. Nach kurzer Besprechung brachen wir auf, nachdem wir den Soldaten und das Tragtier heimgeschickt und unsre Reitpferde mit den nötigsten Sachen bepackt hatten, denn es galt noch heute den Wohnsitz unsers Freundes zu erreichen. Auf schmalen Wegen, durch Abhänge, hart am Abgrunde ging es hin, der nackte Karst, spärlich mit Wachholderbüschen und Krummholz bewachsen, machte deu Marsch sehr beschwerlich. Hie und da kam eine aus Reisig ge¬ flochtene Hütte, als einziger Zeuge, daß hier Menschen hausten. Gegen elf Uhr nachts bei tiefer Dunkelheit, die uur die Luchsnugeu eines Montenegriners zu durchdringen vermögen, erreichten wir endlich Dolaujak, eine Ortschaft von etwa dreißig Hütten, in der unser Freund die wichtige Stellung eines Lucia« (Richter) innehatte. Die Beschreibung eines montenegrinischen Hauses darf ich dem Leser doch nicht vorenthalten, ich gebe sie um so lieber, als mir jenes Haus wohl lauge noch im Gedächtnis bleiben wird. Der A-ur (Wohnsitz) unsers Freundes bestand aus einer Holzhütte, die blockhausartig aus starken Balken gebaut, mit breiten Schindern gedeckt und mit einer längs des ganzen Hauses hin¬ laufenden Veranda Versehen war. Zwei durch einen Gang getrennte Zimmer, wovon das zur rechten Hand als Gastzimmer, das zur linken als Wohnraum benutzt wurde, bildeten die gesamten Räumlichkeiten. Aus Haus lehnten sich die Vieh- und Pferdestallungen und ein langer Schuppen, worin sich Schafe und Ziegen befanden. Vor der Thür erwarteten uns drei saubere, wei߬ gekleidete Frauen, eine ältere wurde uns als die Gemahlin des Hausherrn, die zweite als seiue ?c>808drin!i, die dritte, ein etwa dreizehnjähriges Mädchen, als die Tochter des Hauses vorgestellt. Nach alter Sitte beeilten sich alle drei, unsre Hände zu küssen, was von uns, ebenfalls nach allein montenegri¬ nischen Brauch, durch einen Kuß auf die Stiru erwiedert wurde. Man führte uns nun in das Gastzimmer, wo uus aus einer Ecke, in der ein Greis in Decken vergraben lag, ein Gruß Kost Knvi — An>A lcuvi (ein Gast im Hause — Gott im Hause) entgegeuschvll, der mit einem slltva. sog'u (Gott sei gelobt) er¬ wiedert wurde. Das Zimmer war etwa zwanzig Quadratmeter groß, mit zwei Glasfenstern versehen, in der Mitte brannte auf einigen Backsteinen, die den Herd vertraten, ein Feuer, das zugleich die Beleuchtung schaffte, über dein Herd hing an einer rußigen Kette ein kleiner Kessel. Der Rauch suchte sich- *) Die Farben der Xux^ sind symbolisch, das Rot bedeutet Türkenblut, worin die Frei¬ heit erlangt wird, der Stern ist der von Montenegro und der Strafen darum soll den Regen¬ bogen als die Hoffnung auf baldige Erlösung versinnbildlichen. Früher sollten alle serbischen Mutzen ganz rot sein, sie wurde» aber nach der Schlacht auf dem Amselfelde mit Trauerflor überzogen, der erst nach der Wiederbefreiung aller Serben entfernt werden soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/540>, abgerufen am 22.12.2024.