Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Junge Liebe große, sumpfige Moorwiesen, wo Mädchen mit hellen Kopftüchern Hen machen, Hinter diesem aber geht die Sonne auf. Ihre ersten, wagerechten Strahlen, Junge Liebe große, sumpfige Moorwiesen, wo Mädchen mit hellen Kopftüchern Hen machen, Hinter diesem aber geht die Sonne auf. Ihre ersten, wagerechten Strahlen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206052"/> <fw type="header" place="top"> Junge Liebe</fw><lb/> <p xml:id="ID_190" prev="#ID_189"> große, sumpfige Moorwiesen, wo Mädchen mit hellen Kopftüchern Hen machen,<lb/> bald verbirgt er sich dein Auge in einem kleinen, dunkelgrünen Hnin, bald<lb/> breitet er sich wie zum Ausruhen in kleine flache Seen aus, in denen sich die<lb/> Sonne wie in Fensterscheiben spiegelt. Weiterhin, dort, wo die Wiesen dunkler<lb/> werden, fangen die großen braunen Moore um. Aber hinter diesen kommen<lb/> dann wieder üppige Felder mit winzig kleinen, rot angestrichenen Dörfern<lb/> und winzig kleinen, weißen Kirchen, bis schließlich alles mit dem fernen Blau<lb/> des Horizonts verschwimmt und ein sonnenbeschienenes Segel oder eine Rauch¬<lb/> säule das Meer verrät.</p><lb/> <p xml:id="ID_191" next="#ID_192"> Hinter diesem aber geht die Sonne auf. Ihre ersten, wagerechten Strahlen,<lb/> die sich wie ein Fächer über das flache Land entfalten und in tausend Fenster¬<lb/> scheiben rötliche Glut entfachen, bahnen sich auch einen Weg bis herein in die<lb/> Kluft, um das schlummernde Leben am Strande des Sees zu erwecken, um<lb/> mit dem frischen Morgenwinde die schlaftrunkner Wälder aufzurütteln und die<lb/> Bogelstimmen aus ihren Nestern zu locke». Die feinen Seidennebel der Nacht,<lb/> die, weißen Gespenstern gleich, ihr Spiel über der Fläche des Sees getrieben<lb/> haben, rollen sich vor dein brennenden Blick auf und flüchten ängstlich unter<lb/> die schattigsten Felsabhänge, wo sie langsam aussteigend verschwinden.<lb/> Noch frieren im nassen Grase die Waldblumen, die im Schatten ans deu<lb/> Lichtungen zwischen den Büschen um Ufer entlang stehen, aber beim ersten<lb/> Sonnenstrahl, der über den Abhang blickt, recken und strecken sie ihre zarten<lb/> Stengel und öffnen die fast zu schweren Kelche der goldnen Flut, die über das<lb/> Gras hinweg sie überströmt. Über ihren Häuptern beginnt die Spinne im<lb/> thaubesprengten Gewebe ihr emsiges Tagewerk. Aus Löchern und Spalten<lb/> schlüpft das Gewürm munter und inorgenfrisch hervor; es ist ein Eilen und<lb/> Treiben, als wüßten sie alle, daß der Tag an diesem Orte nur kurz ist und<lb/> die Nacht schnell wiederkehrt. Denn schon am Nachmittage nähert sich die<lb/> Sonne mit Riesenschritten den westlichen Hügeln, dort wo sich diese am höchsten<lb/> zum blauen Himmel emporheben. Und kaum ist ihre Scheibe hinter dem dunkeln,<lb/> zackigen, tannenbesäumten Rande des Königshügels versunken, so schleichen<lb/> auch schon die Schatten ans dem Dickicht hervor und eilen abwärts dem Wasser<lb/> zu. Am Ufer scheinen sie plötzlich stille zu stehen, als zögerten sie; aber ehe<lb/> man sichs versieht, haben sie über den Grund hinweg den östlichen Rand des<lb/> Sees erreicht und klettern da eilig hinauf zu den Baumwipfeln. Und während<lb/> sie so steigen und den Höhen das Licht raube», senkt sich tiefe Stille über das<lb/> Thal. Noch ehe die letzten sonuenvergvldeten Waldkuppen entschwunden sind,<lb/> dämmert es unten schon in allen Winkeln, n»d uuter den zum Wasser herab¬<lb/> hängenden Zweigen des Waldkranzes gleitet das Dunkel schnell weiter, während<lb/> das große, tagesgeblendcte Auge des Sees sich langsam in einem unergründ¬<lb/> lichen Blick erschließt. Da beginnen die Sperber ihren nächtlichen Flug auf<lb/> weichen Schwingen. Lautlos wie ein Schatten entschlüpft die Ente dem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
Junge Liebe
große, sumpfige Moorwiesen, wo Mädchen mit hellen Kopftüchern Hen machen,
bald verbirgt er sich dein Auge in einem kleinen, dunkelgrünen Hnin, bald
breitet er sich wie zum Ausruhen in kleine flache Seen aus, in denen sich die
Sonne wie in Fensterscheiben spiegelt. Weiterhin, dort, wo die Wiesen dunkler
werden, fangen die großen braunen Moore um. Aber hinter diesen kommen
dann wieder üppige Felder mit winzig kleinen, rot angestrichenen Dörfern
und winzig kleinen, weißen Kirchen, bis schließlich alles mit dem fernen Blau
des Horizonts verschwimmt und ein sonnenbeschienenes Segel oder eine Rauch¬
säule das Meer verrät.
Hinter diesem aber geht die Sonne auf. Ihre ersten, wagerechten Strahlen,
die sich wie ein Fächer über das flache Land entfalten und in tausend Fenster¬
scheiben rötliche Glut entfachen, bahnen sich auch einen Weg bis herein in die
Kluft, um das schlummernde Leben am Strande des Sees zu erwecken, um
mit dem frischen Morgenwinde die schlaftrunkner Wälder aufzurütteln und die
Bogelstimmen aus ihren Nestern zu locke». Die feinen Seidennebel der Nacht,
die, weißen Gespenstern gleich, ihr Spiel über der Fläche des Sees getrieben
haben, rollen sich vor dein brennenden Blick auf und flüchten ängstlich unter
die schattigsten Felsabhänge, wo sie langsam aussteigend verschwinden.
Noch frieren im nassen Grase die Waldblumen, die im Schatten ans deu
Lichtungen zwischen den Büschen um Ufer entlang stehen, aber beim ersten
Sonnenstrahl, der über den Abhang blickt, recken und strecken sie ihre zarten
Stengel und öffnen die fast zu schweren Kelche der goldnen Flut, die über das
Gras hinweg sie überströmt. Über ihren Häuptern beginnt die Spinne im
thaubesprengten Gewebe ihr emsiges Tagewerk. Aus Löchern und Spalten
schlüpft das Gewürm munter und inorgenfrisch hervor; es ist ein Eilen und
Treiben, als wüßten sie alle, daß der Tag an diesem Orte nur kurz ist und
die Nacht schnell wiederkehrt. Denn schon am Nachmittage nähert sich die
Sonne mit Riesenschritten den westlichen Hügeln, dort wo sich diese am höchsten
zum blauen Himmel emporheben. Und kaum ist ihre Scheibe hinter dem dunkeln,
zackigen, tannenbesäumten Rande des Königshügels versunken, so schleichen
auch schon die Schatten ans dem Dickicht hervor und eilen abwärts dem Wasser
zu. Am Ufer scheinen sie plötzlich stille zu stehen, als zögerten sie; aber ehe
man sichs versieht, haben sie über den Grund hinweg den östlichen Rand des
Sees erreicht und klettern da eilig hinauf zu den Baumwipfeln. Und während
sie so steigen und den Höhen das Licht raube», senkt sich tiefe Stille über das
Thal. Noch ehe die letzten sonuenvergvldeten Waldkuppen entschwunden sind,
dämmert es unten schon in allen Winkeln, n»d uuter den zum Wasser herab¬
hängenden Zweigen des Waldkranzes gleitet das Dunkel schnell weiter, während
das große, tagesgeblendcte Auge des Sees sich langsam in einem unergründ¬
lichen Blick erschließt. Da beginnen die Sperber ihren nächtlichen Flug auf
weichen Schwingen. Lautlos wie ein Schatten entschlüpft die Ente dem
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