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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Allerhand öprachduinmheiten
ich plage, du plagst -- ich plagte -- ich habe geplagt,
ich wage, du wagst - ich wagte ich habe gewagt,

Frage" hat nun seit vielen Jahrhunderten nie zu einer andern Gruppe gehört
als zur zweitem ich frage, du fragst -- ich fragte -- ich habe gefragt.
Unsre Klassiker keimen fast gnr keine andre Form. Zwei der allerbesten
deutschen Prosaiker, Lessing und Gellert -- (Gellert? ja Wohl, lest ihn mir,
ihr kennt ihn ja gar nicht!), wissen von frägt und frug gar nichts, Nur
ganz vereinzelt findet sich im Verse, also uuter dem beengenden Einflüsse
des Rhythmus, frug; so bei Goethe in deu Venetianischen Epigrammen:
Niemals frug ein Kaiser nach nur, es hat sich kein König um mich bekümmert ^-
bei Schiller im Wallenstein: Ja wohl, der Schwed frug nach der Jahrszeit
nichts. Auch Bürger hat es (Lenore: Sie frug den Zug wohl auf und ab,
und frug uach allen Namen), und da haben wir denn auch die Quelle: es
stammt ans dem Plattdeutschen. Bürger war 1747 in Molmerswende bei
Halberstadt geboren; wahrscheinlich sagte man dort schon zu seiner Zeit allge¬
mein frug. Aber "och in den fünfziger und sechziger Jahren unsers Jahr¬
hunderts hörte mau die Dialektfvrm in der Umgangssprache der Gebildeten so
gut wie gar nicht. Da auf einmal tauchte sie auf. Und nun ging und geht
es ganz wie mit einer neuen Kleidermode, anfangs langsam, dann schneller
und immer schneller. Erst lauscht man: frug? Na, wenn ders sagt, dann
muß es ja fein sein, also will ichs nur mitmachen! Schüchtern wirds in der
nächsten Unterhaltung gewagt, das nächstemal gehts schon besser, bald ist
das Ungewohnte überwunden, und uun kommt man sich auch so fein vor wie
die andern. Am meisten zur Verbreitung der falschen Form hat ohne Zweifel
Gustav Frehtag beigetragen; er kennt gar keine andre Form, obwohl er ein
geborner Schlesier ist. Es paßt das ganz zu Freytags Stil, der ja unleugbar
viel besser ist, als der manches andern neuern deutschen Schriftstellers, aber
dabei doch nicht frei von allerhand Unnatur, Manier und Ziererei. Als Freytags
"Ahnen" Modebücher waren, da wurde auch frug Mode. Die Grenzboten
veröffentlichten 1882 ein hübsches Sonett aus Süddeutschland, das sich über
das Vordringen der falschen Form lustig machte. Es begann mit der Strophe:


Ich frug mich manchmal in den letzten Tagen:
Woher stammt wohl die edle Form: Er frug?
Wer war der Kühne, der zuerst sie wug?
So frug ich mich, fo hab ich mich gefragen.

Eine Reihe von Zeitungen brachte dann Gegensonette, aus denen nicht bloß
hervorging, daß ihre Verfasser keine Ahnung von den Anfangsgründen der
deutschen Grammatik hatten, sondern auch daß ihnen die falsche Form schon
so in Fleisch und Blut übergegangen war, daß sie für das Richtige alles
Gefühl verloren hatten. Es entspann sich ein förmlicher Sonettenkampf.


Grenzvoten IV 1889 6"
Allerhand öprachduinmheiten
ich plage, du plagst — ich plagte — ich habe geplagt,
ich wage, du wagst - ich wagte ich habe gewagt,

Frage» hat nun seit vielen Jahrhunderten nie zu einer andern Gruppe gehört
als zur zweitem ich frage, du fragst — ich fragte — ich habe gefragt.
Unsre Klassiker keimen fast gnr keine andre Form. Zwei der allerbesten
deutschen Prosaiker, Lessing und Gellert — (Gellert? ja Wohl, lest ihn mir,
ihr kennt ihn ja gar nicht!), wissen von frägt und frug gar nichts, Nur
ganz vereinzelt findet sich im Verse, also uuter dem beengenden Einflüsse
des Rhythmus, frug; so bei Goethe in deu Venetianischen Epigrammen:
Niemals frug ein Kaiser nach nur, es hat sich kein König um mich bekümmert ^-
bei Schiller im Wallenstein: Ja wohl, der Schwed frug nach der Jahrszeit
nichts. Auch Bürger hat es (Lenore: Sie frug den Zug wohl auf und ab,
und frug uach allen Namen), und da haben wir denn auch die Quelle: es
stammt ans dem Plattdeutschen. Bürger war 1747 in Molmerswende bei
Halberstadt geboren; wahrscheinlich sagte man dort schon zu seiner Zeit allge¬
mein frug. Aber »och in den fünfziger und sechziger Jahren unsers Jahr¬
hunderts hörte mau die Dialektfvrm in der Umgangssprache der Gebildeten so
gut wie gar nicht. Da auf einmal tauchte sie auf. Und nun ging und geht
es ganz wie mit einer neuen Kleidermode, anfangs langsam, dann schneller
und immer schneller. Erst lauscht man: frug? Na, wenn ders sagt, dann
muß es ja fein sein, also will ichs nur mitmachen! Schüchtern wirds in der
nächsten Unterhaltung gewagt, das nächstemal gehts schon besser, bald ist
das Ungewohnte überwunden, und uun kommt man sich auch so fein vor wie
die andern. Am meisten zur Verbreitung der falschen Form hat ohne Zweifel
Gustav Frehtag beigetragen; er kennt gar keine andre Form, obwohl er ein
geborner Schlesier ist. Es paßt das ganz zu Freytags Stil, der ja unleugbar
viel besser ist, als der manches andern neuern deutschen Schriftstellers, aber
dabei doch nicht frei von allerhand Unnatur, Manier und Ziererei. Als Freytags
„Ahnen" Modebücher waren, da wurde auch frug Mode. Die Grenzboten
veröffentlichten 1882 ein hübsches Sonett aus Süddeutschland, das sich über
das Vordringen der falschen Form lustig machte. Es begann mit der Strophe:


Ich frug mich manchmal in den letzten Tagen:
Woher stammt wohl die edle Form: Er frug?
Wer war der Kühne, der zuerst sie wug?
So frug ich mich, fo hab ich mich gefragen.

Eine Reihe von Zeitungen brachte dann Gegensonette, aus denen nicht bloß
hervorging, daß ihre Verfasser keine Ahnung von den Anfangsgründen der
deutschen Grammatik hatten, sondern auch daß ihnen die falsche Form schon
so in Fleisch und Blut übergegangen war, daß sie für das Richtige alles
Gefühl verloren hatten. Es entspann sich ein förmlicher Sonettenkampf.


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[0529] Allerhand öprachduinmheiten ich plage, du plagst — ich plagte — ich habe geplagt, ich wage, du wagst - ich wagte ich habe gewagt, Frage» hat nun seit vielen Jahrhunderten nie zu einer andern Gruppe gehört als zur zweitem ich frage, du fragst — ich fragte — ich habe gefragt. Unsre Klassiker keimen fast gnr keine andre Form. Zwei der allerbesten deutschen Prosaiker, Lessing und Gellert — (Gellert? ja Wohl, lest ihn mir, ihr kennt ihn ja gar nicht!), wissen von frägt und frug gar nichts, Nur ganz vereinzelt findet sich im Verse, also uuter dem beengenden Einflüsse des Rhythmus, frug; so bei Goethe in deu Venetianischen Epigrammen: Niemals frug ein Kaiser nach nur, es hat sich kein König um mich bekümmert ^- bei Schiller im Wallenstein: Ja wohl, der Schwed frug nach der Jahrszeit nichts. Auch Bürger hat es (Lenore: Sie frug den Zug wohl auf und ab, und frug uach allen Namen), und da haben wir denn auch die Quelle: es stammt ans dem Plattdeutschen. Bürger war 1747 in Molmerswende bei Halberstadt geboren; wahrscheinlich sagte man dort schon zu seiner Zeit allge¬ mein frug. Aber »och in den fünfziger und sechziger Jahren unsers Jahr¬ hunderts hörte mau die Dialektfvrm in der Umgangssprache der Gebildeten so gut wie gar nicht. Da auf einmal tauchte sie auf. Und nun ging und geht es ganz wie mit einer neuen Kleidermode, anfangs langsam, dann schneller und immer schneller. Erst lauscht man: frug? Na, wenn ders sagt, dann muß es ja fein sein, also will ichs nur mitmachen! Schüchtern wirds in der nächsten Unterhaltung gewagt, das nächstemal gehts schon besser, bald ist das Ungewohnte überwunden, und uun kommt man sich auch so fein vor wie die andern. Am meisten zur Verbreitung der falschen Form hat ohne Zweifel Gustav Frehtag beigetragen; er kennt gar keine andre Form, obwohl er ein geborner Schlesier ist. Es paßt das ganz zu Freytags Stil, der ja unleugbar viel besser ist, als der manches andern neuern deutschen Schriftstellers, aber dabei doch nicht frei von allerhand Unnatur, Manier und Ziererei. Als Freytags „Ahnen" Modebücher waren, da wurde auch frug Mode. Die Grenzboten veröffentlichten 1882 ein hübsches Sonett aus Süddeutschland, das sich über das Vordringen der falschen Form lustig machte. Es begann mit der Strophe: Ich frug mich manchmal in den letzten Tagen: Woher stammt wohl die edle Form: Er frug? Wer war der Kühne, der zuerst sie wug? So frug ich mich, fo hab ich mich gefragen. Eine Reihe von Zeitungen brachte dann Gegensonette, aus denen nicht bloß hervorging, daß ihre Verfasser keine Ahnung von den Anfangsgründen der deutschen Grammatik hatten, sondern auch daß ihnen die falsche Form schon so in Fleisch und Blut übergegangen war, daß sie für das Richtige alles Gefühl verloren hatten. Es entspann sich ein förmlicher Sonettenkampf. Grenzvoten IV 1889 6»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/529>, abgerufen am 22.12.2024.